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An den Grenzen der Ironie: Punkkonzert im Nil-Club mit Bands aus dem Osten

Ostrock war gestern. Heute gibt es OstPunkrock: Nur so ist es zu erklären, dass sich gleich zwei der Bands, die am Samstagabend im Nil-Club gespielt haben, explizit auf den Osten der Bundesrepublik bezogen: zum einen Tobende Ossis aus Dresden, und dann noch der Hauptact Blutiger Osten aus dem benachbarten Brandenburg an der Havel, die ja bereits seit Jahren traditionell am ersten Samstag des Jahres ein Konzert in dem Studentenclub am Neuen Palais spielen.

Ostrock war gestern. Heute gibt es OstPunkrock: Nur so ist es zu erklären, dass sich gleich zwei der Bands, die am Samstagabend im Nil-Club gespielt haben, explizit auf den Osten der Bundesrepublik bezogen: zum einen Tobende Ossis aus Dresden, und dann noch der Hauptact Blutiger Osten aus dem benachbarten Brandenburg an der Havel, die ja bereits seit Jahren traditionell am ersten Samstag des Jahres ein Konzert in dem Studentenclub am Neuen Palais spielen. Als dritte Band an Bord war diesmal die Combo Fatale Vollgen aus Neustrelitz. Ostdeutscher ging es kaum.

Dabei wurde das Jahresauftaktkonzert vor zwei Jahren sogar kritisch beäugt, da Blutiger Osten an die Grenzen der Ironie stießen: Punkrock in den Räumlichkeiten der Uni? Da gingen beim Uni-Präsidium doch gleich die Lampen an: sicherlich linksextremistisch. Anscheinend plane der Nil-Club den kommunistischen Umsturz, wurde gleich befürchtet – und mit der Absage des Konzertes gedroht. Erheitertes Augenrollen dagegen beim Nil-Vorstand: Dort erwartete man keine Revolte, sondern eher einen derb-lauten Musikabend, so wie immer. Und auch Blutiger Osten nahmen es gelassen: Mit Ironieresistenz kennt sich die in den 1990er-Jahren gegründete Band sehr gut aus.

Und so gab es an diesem Abend auch laute Musik statt politischer Botschaften. Höchstens Statements: dass sie von den „besorgten Bürgern“ in ihrer Heimatstadt Dresden mehr als genervt sind, ließen die Tobenden Ossis gleich durchblicken. Die Kapelle aus Elbflorenz orientierte sich deutlich am New York Hardcore der 1990er-Jahre, tiefe Gitarren, zwei Sänger, die abwechselnd Luft holen mussten, sehr klassisch gestrickt alles. Aber verdammt gut gemacht: viel Chorus zum Mitsingen, melodische Bögen zwischen den harten Rhythmen – für den Anheizer war das ziemlich gut vorgelegt.

Da blieb den Fatalen Vollgen nichts anderes übrig, als das Tempo zu drosseln. Die hatten mit Hardcore auch nichts am Hut, eher klassischer Punkrock war das Programm: mit deutschen Texten über Fußball und Bier und dem punktypischen Viervierteltakt. Mittlerweile wurde es dem Publikum auch warm genug, und es kam mehr Bewegung vor die Bühne. Fatale Vollgen huldigten weiterhin dem herkömmlichen Punkrock, den sie auch inhaltlich in ihrer mecklenburgischen Heimat verorteten – mit Songs wie „Neu in der Straße“. Den Text kann man sich denken.

Zum Schluss wurde es in dem Keller noch richtig bierselig: Blutiger Osten waren ja nur gekommen, um richtig abzuräumen. Wieder ging es mehr in Richtung Hardcore als Punk, mit simplen Rhythmen konnten die Brandenburger nicht dienen. Die Gäste dankten es ihnen, und die Temperaturen im Keller stiegen weiter, um der Kälte draußen etwas entgegenzusetzen. Und so endet der Abend, wie er enden musste: Man lag sich in den Armen, klammerte sich an sein Bier – und war definitiv im neuen Jahr angekommen. Auch ohne Revolution.

Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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