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Kultur: Am Ende Zuckerguss mit Kuscheltier Das Filmmuseum zeigt Filme über Geflüchtete

Es fängt mit der Genfer Konvention an: Die sei von 1951, sagt Katja Böhler, die Vorsitzende des Vereins „Partnerschaft mit Afrika“, sechs Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges verabschiedet. In der heißt es, dass Geflüchteten Schutzrechte zuerkannt werden, die unverhandelbar sind.

Es fängt mit der Genfer Konvention an: Die sei von 1951, sagt Katja Böhler, die Vorsitzende des Vereins „Partnerschaft mit Afrika“, sechs Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges verabschiedet. In der heißt es, dass Geflüchteten Schutzrechte zuerkannt werden, die unverhandelbar sind. Keine Erfindung also der Neuzeit, in der den Unterstützern ein gallig formuliertes Gutmenschentum unterstellt wird. Immerhin 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, knapp eine Million davon ist hier in der Bundesrepublik gelandet. Da wird Integration gefordert, und zwar am besten schnell und geräuschlos – während die Hintergründe der Flucht ignoriert werden. Dieser Ignoranz soll mit Kurzfilmen, die in den Monaten Oktober bis Dezember 2016 unter dem Motto „Sag mir wer Du warst und wer Du sein wirst“ entstanden sind, entgegengetreten werden: Vier davon waren am Mittwochabend im Filmmuseum als Premiere zu sehen.

Unter der Anleitung von Joachim Gessinger, Germanistik-Professor an der Potsdamer Uni, wollen die jungen Filmemacher die Kluft zwischen Einheimischen und Neuheimischen reduzieren – indem sie ihnen näherkommen: Im ersten Film mit dem Titel „mensch.human“ etwa, der nicht wirklich ein Film ist, vielmehr ein Zusammenschnitt von Statements der Geflüchteten. Die erzählen mit bisweilen erstickter Stimme über ihre Flucht: „Ich habe meine Heimat verlassen, um keine Zahl zu werden, die beiläufig in den Abendnachrichten erscheint“, sagt einer. Die Sehnsucht nach einem guten, ruhigen Leben zieht sich durch alle Aussagen. Mehr Doku-Charakter dann im nahtlos angehängten zweiten Film „Die Anhörung“, der das Schicksal der Afghanen in Deutschland zeigt, die von Eisenhüttenstadt aus zu einer Demo nach Berlin fahren. Überhaupt sind die Afghanen die Verlierer: Die haben gefälligst in Sicherheit zu leben und zurückzukehren, die wahren Gefährdeten seien ja wohl Syrer und Iraker. Brennstoff pur: Das Stigma als Flüchtlinge zweiter Klasse aus einem vermeintlich sicheren Herkunftsland führt geradewegs zu einem Konglomerat aus Angst und Wut.

Wesentlich pragmatischer die Annäherung im Kurzfilm „Begegnen“ – dort werden im Nieselregen Potsdams Passanten und Geflüchtete gefragt, wie sie sich annähern. Das kann komisch sein, aber auch nervig: Er frage keine Frauen nach Telefonnummern, weil er schlichtweg kein „Nein“ akzeptiere, druckst ein syrischer Flüchtling herum. Die Sehnsucht nach sozialen Kontakten ist wohl flächendeckend, während Vorurteile belächelt werden. Naja. Da ist der letzte Film „Neuanfang“ schon etwas erfrischend, eine überzogene Handlung mit allen Fallen – von unverhofft klingelnden Nachbarn bis zur Papierwut im Jobcenter. Am Ende: Zuckerguss mit Kuscheltier.

Gut gemeint ist das sicherlich – problematisch aber auch. Denn am Ende ist die Intention, sich im eigenen Resonanzraum für seine Nächstenliebe selbst zu beglückwünschen, immer noch zu hoch: Da drückt man sich zeremoniell Blümchen in die Hand, bedankt sich artig und fühlt sich auf der richtigen Seite. Aber die Lauten, die Verhärteten, die ihre Ängste permanent befeuern müssen – die wird man auch mit solchen Filmen kaum erreichen.

Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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