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Kultur: Alte Meister im Supermarkt

James Austin will in Golm eine Galerie etablieren. Den Auftakt macht Fotokünstlerin Sylwia Makris

Von Sarah Kugler

Golm - Es war Liebe auf den ersten Blick. So beschreibt James Austin seine Begegnung mit den Bildern der Fotokünstlerin Sylwia Makris. Auf der Berliner Fashion Week vor wenigen Wochen hat er sie entdeckt und wusste gleich: Die brauchen ein großes Publikum. Wie das so ist, wenn Leidenschaft im Spiel ist, ging dann alles ziemlich schnell. Ein Ausstellungskonzept wurde erarbeitet, Flyer gedruckt, die Bilder nach Golm verladen. Ganz richtig: Nach Golm, jenen eher abgelegenen Ortsteil von Potsdam, der vor allem durch den Universitäts- und Wissenschaftscampus bekannt ist. Wenn es nach James Austin ginge, wird der Ort allerdings bald in einem Atemzug mit Kunst genannt. Denn der 53-jährige Potsdamer, der in der Immobilienbranche tätig ist, möchte dort eine Galerie etablieren.

Vor drei, vier Jahren kaufte er gemeinsam mit einem Freund und Geschäftspartner einen leerstehenden Supermarkt in einem kleinen Neubaugebiet in der Reiherbergerstraße. Damals war nicht wirklich klar, was er mit den Räumen anfangen würde, die Idee einer Galerie war aber schon vorhanden, wie er sagt. „Potsdam hat so viel künstlerisches Potenzial, aber zu wenig Räume für Künstler“, so Austin, der selbst begeisterter Kunstsammler ist. „Deswegen war mir sofort klar: Dieser Raum hier darf nicht leer stehen.“ Erstmal blieb er allerdings genau das – leer. Wie Austin erzählt, habe auch die Diskussion im Raum gestanden, Wohnungen darin einzurichten, doch dann passierte das, was er als Fügung bezeichnet: Er entdeckte Sylwia Makris’ Bilder. Großformatige Fotos auf Leinwand, die moderne Neuinszenierungen von berühmten Gemälden zeigen. Die Motive sind bekannt: „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ von Jan Vermeer etwa oder Leonardo Da Vincis „Mona Lisa“. Auch das Luther-Bildnis von Lucas Cranach ist darunter.

Selbstinszenierung, Renaissance-Promis und Automechaniker

Eine Idee, die grundsätzlich nicht neu ist. Bereits die amerikanische Fotografin Cindy Sherman inszenierte sich Ende der 1980er-Jahre selbst in Form bekannter Gemäldemotive. Im Jahr 2013 erregte der österreichische Fotograf Josef Fischnaller mit seinen Bildern von Prominenten im Stil der Renaissance Aufmerksamkeit. Der in Buenos Aires aufgewachsene Freddy Fabris gab dem Thema 2015 eine neue Wendung, indem er Werke wie Da Vincis „Das letzte Abendmahl“ mit Automechanikern inszenierte. Auch die Studenten der Filmuni Potsdam haben sich mit dem Sujet beschäftigt und vor einigen Jahren berühmte Bilder nachgestellt. Von den genannten Interpreten blieben sie dabei am nächsten an den Originalen.

Genau darin unterscheidet sich Makris von den anderen: Bei aller Nähe zu den Klassikern entfernt sie sich doch von ihnen. Sie geht dabei aber weder so offensichtlich vor wie Fabris noch so plakativ wie Fischnaller. In Bildaufbau und Farbe bleibt sie bei den alten Meistern, weswegen der Ausstellungstitel „Old Masters“ absolut passend erscheint. Ihre Modernität liegt vielmehr in den Menschen, die sie in ihren Bildern porträtiert. Models mit Gendefekten, amputierten Brüsten oder einer volltätowierten Haut. Sie öffnet damit eine gegenwärtige Perspektive, die den Bildern angesichts unserer vom Beauty-Wahn geprägten Welt eine interessante Gewichtung gibt.

"Ich kann noch so viel mehr entdecken"

Für Austin war es genau diese Gewichtung, die ihn sofort für die Bilder begeistert hat. „Das ist Kunst, die sofort griffig ist“, sagt er. „Ich verstehe zunächst das, was ich sehe und dann kann ich noch so viel mehr entdecken.“ Für ihn sei es wichtig, dass über die Kunst geredet wird, egal ob die Besucher sie gut oder schlecht finden. Sein großer Wunsch wäre, dass viele Schulklassen vorbeikämen und durch Makris’ Bilder einen Zugang zu den klassischen Originalen und aktuellen gesellschaftlichen Themen fänden.

Doch zunächst wird die Ausstellung am Samstag im kleinen Kreis eröffnet. Ab Sonntag ist sie dann donnerstags und freitags von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Noch stehen die etwa 50 Bilder nur an die Wand gelehnt, spätestens Ende der Woche sollen sie hängen. Eine aufwendige Beleuchtung wird es nicht geben. Austin plant Wohnzimmerlicht, die Mitte des Raumes soll schummrig bleiben. Dafür werden dort Bänke stehen, damit die Besucher auch entspannt innehalten können, wie er sagt. Zusätzlich zu den Bildern zeigt Designerin Nina Athanasiou, die die Kostüme für die Bilder geschaffen hat, eine Kollektion, deren Kleidung mit Makris’ Bildern bedruckt ist. Ein wenig bleibt das Motiv des ehemaligen Supermarktes also doch erhalten, von dem sonst nur der Schriftzug über der Tür sowie eine Reihe ausrangierter Einkaufswagen übrig sind.

Wie es nach „Old Masters“ – die Ausstellung endet im Oktober – mit den Räumen weitergeht, weiß Austin noch nicht. Wenn es mit der Kunst nicht klappt, könnte er sich auch einen Bio-Markt vorstellen, wie er sagt. „Schön fänd ich aber schon, wenn es weiterhin eine Galerie bleibt“, fügt er hinzu. Die Chancen dafür stehen gar nicht schlecht. Kunsträume sind in Potsdam bekanntlich knapp. Erst vergangene Woche musste die Galerie Sperl aus der ehemaligen Fachhochschule ausziehen, neue Räume werden noch gesucht. „Ab Oktober ist der Raum wieder leer“, kommentiert Austin. Es bleibt abzuwarten, ob sich danach eine neue Liebe für die Räume finden wird.

„Old Masters“ ist vom 30. Juli bis 28. Oktober im „Supermarkt“, Reiherbergstraße 14, zu sehen.

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