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Kultur: Alle sind Gewinner

5. inklusives Filmfestival im Filmmuseum eröffnet

Man sah ihnen die Aufregung nicht an. Fünfundzwanzig 13- bis 16-jährige Schüler der Potsdamer Wilhelm-von- Türk-Förderschule für Hören und Sprache eröffneten am Donnerstagabend das 5. bundesweite inklusive Filmfestival „Überall dabei“, das bis zum 8. Mai 2013 durch 40 Städte Deutschlands touren wird. Die Jugendlichen standen schwarz gekleidet auf den Treppenstufen im Foyer des Filmmuseums und zeigten in Gebärdensprache, wie sich der Song „Ich bin ich“ des Popmusikduos „Glasperlenspiel“ für sie „übersetzen“ lässt. Sichtbar wurden vor allem Spaß, Selbstbewusstsein und Lebenslust.

Gebärdensprache besteht aus kombinierten Zeichen, also Gebärden, die vor allem mit den Händen, in Verbindung mit Mimik und Mundbild und zudem im Kontext mit der Körperhaltung gebildet werden. In Deutschland gibt es etwa 200 000 Benutzer, von denen etwa 80 000 gehörlos sind. Der Eröffnungsabend im Filmmuseum verschaffte einen interessanten Einblick in diese eigenständige natürliche Sprache, die noch bis in die 1960er Jahre unterdrückt worden ist, weil man glaubte, dass sie den Erwerb der Lautsprache behindere.

Wie großartig sich Laut- und Gebärdensprache ergänzen, ja sogar eine eigene Kunstrichtung, „Deaf Jam“ genannt, hervorbringen, konnte man im gleichnamigen amerikanischen Dokumentarfilm von Judy Lieff, der zur Eröffnung gezeigt wurde, verfolgen. Zwei junge Frauen, die eine hörende Palästinenserin und die andere gehörlose Jüdin, treffen sich in der New Yorker Poetry-Slam-Szene und begründen ein einzigartiges Performance-Duo, das die gerappte Lautsprache der einen mit der ausdrucksstarken Mimik und Gestik der anderen verbindet und dabei eine neue Form von Slam-Poesie erschafft.

Die unterschiedliche Art beider Frauen, an ihrer Umwelt teilzuhaben, wurde dabei genauso nachvollziehbar, wie auch die Möglichkeiten der gegenseitigen Verständigung über (angenommene) Grenzen hinweg. Das zeigten auch die vier Darstellerinnen der Berliner Theatergruppe „Possible World“, die im Filmmuseum Ausschnitte aus ihrer aktuellen „Medea“-Produktion präsentierten, einem vielschichtigen Lautgedicht mit Gebärdensprache und „stummen“ filmischen Ausschnitten.

Der gesamte Eröffnungsabend war „barrierefrei“ gestaltet und das bedeutete, dass auch für die sogenannten „normalen“ Menschen ein Zugang zur Welt der Gehörlosen eröffnet wurde. Denn wer sich mit Gebärdensprache nicht auskennt, hätte an diesem Abend doch einiges nicht verstanden. So aber gab es Gebärdendolmetscher, die in beide Richtungen übersetzten und zusätzlich konnte man alles, was gesagt wurde, auf einem synchron entstehenden Schriftbild auf der Kinoleinwand nachlesen. Dass es den Machern des von der Aktion Mensch getragenen Festivals, das Inklusion auf seine Fahnen geschrieben hat, gelungen ist, zwei Protagonisten des Films, unter ihnen die Slam-Poetin Tahani aus New York nach Potsdam einzuladen, war ein weiterer Höhepunkt des Abends. Der international bekannte Deaf-Poet und Interpret Peter S. Cook zeigte zum Schluss Proben seines beeindruckenden Könnens und am Ende wusste man, dass man anstelle in die Hände zu klatschen, diese auch in die Höhe heben und schütteln konnte, um dadurch seinen Beifall kundzutun. Astrid Priebs-Tröger

Das inklusive Filmfestival findet noch bis Sonntag, den 23. September im Filmmuseum statt. Zum Abschluss gibt es einen sinnlichen Aktionstag für die ganze Familie mit einer interaktiven Ausstellung, einer Tast- und Hörführung und einer Aufführung des Potsdamer Integrationstheaters Teufelssee

Astrid Priebs-Tröger

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