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Kultur: Adventszauber in St. Nikolai

Vier Kantaten aus Bachs Weihnachtsoratorium

Traditionen wollen gepflegt werden. Und so kommt alle Jahre nicht nur das Christkind wieder, sondern auch Johann Sebastian Bachs unverwüstliches, aus sechs Kantaten bestehendes „Weihnachtsoratorium“ BWV 248 zum Klingen. Geschrieben hat er es keinesfalls als ein geschlossenen Ganzes, sondern als jeweilige Kantate für die Leipziger Weihnachtsfestzeit anno 1734/35, verteilt auf die drei Weihnachtstage, den Neujahrstag, Sonntag nach Neujahr und das Epiphaniasfest. Da die drei ersten Kantaten die klangprächtigeren sind, werden sie auch häufiger aufgeführt als der eher zu beschaulichen Betrachtungen einladende Rest. Doch es gibt auch die Möglichkeit zu wechselnden Kombinationen. Wie jenen Mix aus der jauchzend-frohlockenden ersten mit der vierten bis sechsten Kantate, für den sich der Kirchenmusikdirektor Björn O. Wiede entschieden hat, um am vergangenen Samstag in der restlos ausverkauften Nikolaikirche den erwünschten adventlichen Stimmungszauber zu verbreiten. Dabei stehen ihm die Neue Potsdamer Hofkapelle, der Nikolaichor und vier Solisten zur Seite. Obwohl von den Choristen und den Instrumentalisten schon oft musiziert, meidet Wiede mit seinem zügigen und straffen Dirigat erneut jegliche Routine.

Akzentuierte, knochentrocken geschlegelte Paukenwirbel sowie dreifacher strahlkräftiger Trompetenglanz bestimmen die instrumentalen Einleitungstakte der ersten Kantate „Jauchzet, frohlocket, auf preiset die Tage“, in der von Maria und Joseph und der Geburt ihres ersten Sohnes berichtet wird. Der strahlend-festliche Eingangschor kündet von freudigster Erwartung. Und die lässt Wiede sehr zügig, kurz phrasiert und prononciert artikuliert anstimmen. Dabei meidet er jegliche Monumentalität, sondern setzt auf einen klaren Chorgesang sowie auf die plastische Gestaltungskraft frischstimmigen Vortrags. Und der basiert auf schlanken und gut zusammenklingenden Stimmgruppen, innerhalb derer die Individualität jedes Einzelnen zur Geltung kommen kann und soll. Schlicht, geschmeidig und mit präziser Sinndeutung trägt der Nikolaichor auch die Choräle vor. Da kommt nie Langeweile auf. Auch nicht bei den Instrumentalisten, deren Zahl mit der des Chores in einem ausgewogenen Verhältnis steht. Schnörkellos, klangtransparent und bei der Begleitung von Arien mit solistischem Feinsinn nicht sparend, agieren sie auf das Angenehmste. Differenziert begleiten Truhenorgel und Violone als Continuo die Rezitative des Evangelisten, die Virgil Hartinger tenorlyrisch, mit leichtem Stimmansatz und einer guten Mittellage, jedoch in der extremen Höhe mitunter unsicher vorträgt. Mit Anstand bewältigt er die Hatz durch die koloraturengespickte Arie „Ehre sei dir Gott gesungen“. Baritonale Lockerheit und Gefühlsinnigkeit zeichnen den Vortrag von Daniel Blumenschein aus, der besonders im „Immanuel“-Duett mit der Sopranistin Anna Terterjan gestalterisch zu überzeugen vermag. Deren warm timbrierte, lyrisch sich verströmende Stimme erblüht in der Höhe zu voller Schönheit. Der Altarie „Bereite dich, Zion“ verleiht Marian Dijkhuizen vortragssachliche Intensität. Trompetenfestlich und paukenwirbelnd schlägt der bekenntnishafte Schlusschoral der sechsten Kantate den Bogen zum jauchzend frohlockenden Beginn der ersten Kantate. Der Beifall gerät entsprechend. Peter Buske

Peter Buske

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