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Leben im Paradies? Evelyn und Adam sind sich nicht sicher. 

© Alexander Schaak/NeueVisionen

„Adam und Evelyn“ im Thalia in Babelsberg: Langer Blick ins endlose Grün

Regisseur Andreas Goldstein und Kamerafrau Jakobine Motz stellten ihren Film "Adam und Eveleyn" im Thalia in Babelsberg vor. Der ist ganz anders als die gleichnamige Romanvorlage.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Die Abendluft flimmert ein wenig, Vögel zwitschern, die Kamera hält auf einen wildwüchsigen Garten – und verweilt dort. Ungewöhnlich lange dauert dieser Moment, dieser Blick ins Grün. Sekunden vergehen, eventuell sogar Minuten. Und gerade dann, wenn das Auge unruhig wird und das Verweilen kaum noch aushält, wechselt das Bild. Der Film „Adam und Evelyn“ ist voll von solchen Momenten. Langen, ruhigen Einstellungen, die mit den gewohnten Kinosehgewohnheiten brechen. Ganz bewusst, wie Regisseur Andreas Goldstein und Kamerafrau Jakobine Motz am Dienstagabend im Babelsberger Thalia-Kino erzählen.

Eine „Verweigerung des Dramatisierens“

„Uns ist klar, dass der Film sehr speziell ist“, sagt Jakobine Motz, die bei dem Film auch am Drehbuch mitgearbeitet hat und für den Schnitt zuständig war. „Aber wir haben es gewagt und sind zufrieden mit dem Ergebnis.“ Regisseur Andreas Goldstein beschreibt die Arbeit als „Verweigerung des Dramatisierens“ – und genau darin liegt die Stärke des Films, der auf dem gleichnamigen Roman von Ingo Schulze basiert.

Erzählt wird von Adam und Evelyn, die Ende der 1980er Jahre in der DDR leben. Er (Florian Teichtmeister) verdient sein Geld als Damenschneider, nebenbei fotografiert er seine Kundinnen in den neuen Kleidern und manchmal auch ohne. Er hat sich eingerichtet in seinem Haus, seinem Garten, seinem Leben. Evelyn (Anne Kanis) hingegen fühlt sich eingesperrt, möchte mehr als nur ihre Kellnerlehre. Als sie Adam kurz vor dem gemeinsam geplanten Ungarn-Urlaub beim Kuscheln mit einer Kundin erwischt, reist sie wutentbrannt mit einer Freundin los. Und Adam? Der mag ohne Evelyn nicht so recht alleine bleiben und reist ihr spontan hinterher. Als Ungarn dann seine Grenzen öffnet, steht das Paar vor einer lebensverändernden Entscheidung.

Brechen mit Sehgewohnheiten. Jakobine Motz und Andreas Goldstein.
Brechen mit Sehgewohnheiten. Jakobine Motz und Andreas Goldstein.

© Manfred Thomas

Stille Protagonisten

Das alles passiert in Ingo Schulzes Romanvorlage laut und mit vielen, vielen Dialogen. In Goldsteins Adaption jedoch bleiben die Protagonisten zum größten Teil still, in den langen Einstellungen auf die Schauspieler sprechen nur Körper und Gesichter. „Als ich das Buch gelesen habe, sind für mich einzelne Sätze herausgestochen“, erklärt Goldstein, der genauso wie seine Kollegin Jakobine Motz ein Absolvent der heutigen Filmuniversität Potsdam ist. In schlaflosen Nächten habe er Sätze und Szenen so lange reduziert, bis sich die filmische Substanz herauskristallisiert habe. 

Lieblingssätze wie, „Er stellt sich an, wie der letzte Mensch“ oder „Doch, wenn sie im Hosenanzug besser aussieht“ sind dabei stehen geblieben. Ein paar Szenen hat Goldstein auch hinzuerfunden. Etwa eine abendliche Tischrunde in Ungarn, in der die Protagonisten wie in einem Gemälde dasitzen und jeder genau einen Satz sagen darf, bevor sich die Runde auflöst.

Ein persönlicher Film

Wie ein Theaterstück wirkt der Film an diesen Stellen. Ein Kammerspiel, das den Fokus auf die Figuren legt. Vor allem die Umkehrung ihrer mentalen Stärke wird dabei sehr berührend herausgearbeitet. Denn während Evelyn außerhalb der DDR aufblüht, sackt Adam in sich zusammen. Sein Fundament ist ihm genommen und Goldstein wollte genau davon erzählen, wie er am Dienstag sagt. „In den Filmen der letzten Jahre wird das Ende der DDR immer als großes Glück, als Erlösung gesehen.“ Er wollte zeigen, dass manche Menschen das anders wahrgenommen haben.

„Adam und Evelyn“ ist auch ein sehr persönlicher Film über die eigenen Erlebnisse zur Wendezeit, wie sowohl Goldstein als auch Jakobine Motz sagen. Es ist auch Goldsteins erster Spielfilm, der zuvor Dokumentar- und Kurzfilme gedreht, vor allem aber viel produziert hat. Dass der Stoff ein Spielfilm werden musste, war sofort klar, mit den Bildern, eine neue Art des Sehens zu schaffen, die Absicht. Als Zuschauer muss man das aushalten können. Wer das schafft, gewinnt ein nachhaltiges Kinoerlebnis.

» „Adam und Evelyn“ ist im Thalia-Kino zu sehen. Jakobine Motz und Andreas Goldstein stellen den Film am 26. März noch einmal im Filmmuseum vor

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