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Charakterdarsteller. Roland Kuchenbuch begeisterte in großen und kleinen Rollen durch Spielfreude und Genauigkeit, wie hier in „Herz eines Boxers“ von Lutz Hübner. In den 38 Jahren seines Festengagements erlebte er sieben Intendanten.

© HOT/Böhme

Abschied von der Potsdamer Bühne: Hochstapler, Drahtzieher, bunter Vogel

Der Schauspieler Roland Kuchenbuch hat sich von der Bühne verabschiedet? Unvorstellbar!

Potsdam - Auch als Schauspieldirektor konnte Roland Kuchenbuch seine Meriten einfahren – wenngleich er neue Darsteller suchen und sich, wie jeder Intendant, mit dem lieben Geld herumschlagen musste. Glücklicherweise war der Künstler nur auf der Bühne leitend tätig. In der Realität hätte er solcherlei Anfragen sicherlich abgelehnt. Er wollte Theater spielen, die Zuschauer zum Lachen, zum Weinen, zum Nachdenken bringen. „Der Schauspieldirektor“ in Mozarts Singspiel war einer von vielen Berufen, die Roland Kuchenbuch auf der Bühne verkörperte.

In den vergangenen Jahren hatten in seinem Rollenverzeichnis dann so manche Ruheständler das Sagen. Und nun ist für ihn auch persönlich erst einmal Schluss am Hans Otto Theater. In dem Stück „Unterleuten“, das Intendant Tobias Wellemeyer nach dem Erfolgsroman von Juli Zeh auf die Bühne brachte, konnte der 75-Jährige seine Schauspielkunst noch einmal zur Geltung bringen.

Spielfreude in Haupt- und Nebenrollen

Roland Kuchenbuch war ein wesentlicher Teil des Potsdamer Ensembles, in der Zimmerstraße, in der „Blechbüchse“ und auch später auf der Neuen Bühne am Tiefen See. Viele einschlägige Klassikerrollen spielte er, in Shakespeares „Hamlet“ oder in „Ein Wintermärchen“, die Titelrolle in Lessings „Nathan der Weise“, den Miller in Schillers „Kabale und Liebe“. Er war der Schiffer Wulkow in „Der Biberpelz“ von Hauptmann, James Tyrone in „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ von Eugene O’Neill. Glaubhaft brachte er die Prügelknaben im Lustspiel, die Drahtzieher in der Tragödie und die Katastrophenkinder im bürgerlichen Trauerspiel auf die Bühne. Außerdem die „bunten Vögel“ oder die an der Gesellschaft Erkrankten sowie die modernen Hochstapler in Stücken aus unseren Tagen: die Grantigen und Liebenswerten. Stets hat er sie mit einem kleinen Schuss Ironie versehen.

Doch nicht nur die Hauptrollen wusste Kuchenbuch mit Genauigkeit und Spielfreunde zu verkörpern, auch den „Nebenrollen“ gab er Profil. Erinnert sei besonders an den alten Diener in „Drei Schwestern“ von Tschechow, den er nur mit wenigen Strichen zeichnete und damit besonders berührte. Da wurde auch deutlich, dass mit Roland Kuchenbuch ein Charakterdarsteller von Format auf der Bühne steht.

Sieben Intendanten hat Kuchenbuch bereits erlebt

Theaterspielen gehörte schon immer zum Lebensplan des 1943 in Stettin geborenen Künstlers, der mit seiner Familie 1945 die zerstörte Stadt verlassen musste. Er bewarb sich als junger Mann an der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen und wurde angenommen. Das schauspielerische Rüstzeug erlernte er von Künstlern, die in den nahegelegenen Defa-Studios für Spielfilme mehr oder weniger kinematografische Kunstwerke schufen. Nach dem Studium ging er zunächst in die Provinz, an die Theater in Dessau und Zittau. Doch 1970 kehrte er an die Stadt an der Havel zurück.

Am Hans Otto Theater, das zunächst vorwiegend im Interimsbau in der Zimmerstraße mit drei Sparten das Kulturleben beherrschte, fand Roland Kuchenbuch ein Engagement. Damals agierte noch der Regisseur Peter Kupke als Intendant, der jedoch 1971 an das weltberühmte Berliner Ensemble wechselte. Sieben Intendanten von unterschiedlicher Couleur und abwechslungsreichen Temperamenten hat Kuchenbuch in den 38 Jahren seines festen Engagements sowie als Gast in Potsdam erlebt. Die längste Zeit war Gero Hammer sein Theaterchef, der selbst nicht auf der Bühne stand oder inszenierte, doch in ideologisch schwierigen DDR-Zeiten vieles ermöglichte, vor allem Stücke offerierte, die mit versteckter und offener Gesellschaftskritik aufwarteten. Gute Leute wie die Regisseure Günter Rüger, Rolf Winkelgrund, Piet Drescher oder Gert Jurgons haben mit Impuls gebenden Inszenierungen das Theater immer wieder zum Ereignis gemacht. Aus allen Teilen der DDR und darüber hinaus pilgerte man nach Potsdam.

Eine Theater-Dynastie

Die örtliche Nähe zur Defa und zum Fernsehen der DDR brachte für Roland Kuchenbuch wie für seine Kollegen vom Hans Otto Theater immer wieder Aufgaben in Spielfilmen. Auch nach 1990 waren die Agenturen unterwegs, um geeignete Schauspieler zu casten, darunter auch Kuchenbuch. Das war eine willkommene Abwechslung innerhalb des Theateralltags.

Bei der Nennung des Namens Kuchenbuch sollte man seine Familie nicht vergessen. Schließlich bilden sie eine Theater-Dynastie: die Schauspieler Christian und Robert und der Beleuchter Sascha – seine drei Söhne – sowie seine geschiedene Frau Barbara, die als Maskenbildnerin auch am Hans Otto Theater tätig war. Roland Kuchenbuch hielt dem Hans Otto Theater die Treue. Es heißt, Roland Kuchenbuch habe sich von der Bühne verabschiedet. Das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen. Wollen wir hoffen, dass der „Abschied“ nur eine Verschnaufpause bedeutet. Der Schauspieler gehört zu Potsdam. Das Publikum möchte auch in Zukunft nicht auf ihn verzichten.

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