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Kultur: Abschied vom Leben

Kleist-Open-Air im Innenhof der Potsdamer Abendschule

Fast wäre der Abend ganz ins Wasser gefallen. Kurz vorher regnete es immer wieder aus dem grauen Abendhimmel und fast wie bei einer „echten“ Beerdigung, hätte man eng unter schwarzen Schirmen zusammengedrängt, den Abschied vom gerade Hingeschiedenen irgendwie fröstelnd hinter sich bringen müssen. Aber am Dienstagabend im Innenhof der Heinrich-von-Kleist-Abendschule handelte es sich es sich weder um eine „richtige“ Trauerfeier, noch um einen frisch Verstorbenen. Auch wenn grüne Efeuranken, frische Rosenblätter und flackernde Grablichter im Durchgang zum barocken Innenhof diesen Eindruck durchaus vermitteln konnten.

Studierende der Leistungskurse Deutsch der Jahrgangsstufe 12 der Potsdamer Bildungseinrichtung, die seit 2002 den Namen des berühmten deutschen Dichters trägt, haben sich seit November vergangenen Jahres mit einem Literatur-Projekt über die letzten Tage ihres Namenspatrons unter dem Titel „Abschied vom Leben“ in ihrer zumeist knappen Freizeit befasst. Denn die Beteiligten, die meisten von ihnen Mitte bis Ende Zwanzig, stehen selbst mitten im Leben. Haben Berufe und zum Teil bereits eigene Familien. In Zusammenarbeit mit dem Regisseur Andreas Lüder vom Theater „Marameo“, der bereits mit Alexander Weigel am Deutschen Theater ein ähnliches Projekt verwirklichte, wählten sie Texte für die einstündige Lesung aus, gestalteten eine Klang- und Bildinstallation und organisierten auch sonst eigenhändig das ganze Drumherum, von der Werbung bis hin zum Catering, einer professionellen und ambitionierten Theaterveranstaltung.

Heinrich von Kleist, der sich 21-jährig an der damaligen „Großen Stadtschule“ in der Garnisonsstadt Potsdam auf sein Universitätsstudium an der Königlichen Universität in Frankfurt an der Oder vorbereitete, schied 13 Jahre später, gerade 34-jährig, gemeinsam mit der schwerkranken Henriette Vogel am Kleinen Wannsee freiwillig aus dem Leben. Um diesen Freitod im November 1811 rankten sich viele Spekulationen und er erregte große Aufmerksamkeit in einer breiten Öffentlichkeit.

Die acht Protagonisten der Openair-Veranstaltung ließen den damaligen Skandal mithilfe von mehr als einem Dutzend widersprüchlicher Zeitungsberichte, einiger überlieferter Augenzeugenberichte der Wirtsfamilie vom „Neuen Krug“ in der Kleinmachnower Heide und letzten Briefen des Dichters sehr lebendig werden.

Obwohl die Texte selbst für professionelle Schauspieler äußerst anspruchsvoll zu lesen und eher für einen „abgeschirmteren“ Ort als den großen Hof geeignet sind, gelang es den Studierenden doch, die Verzweiflung und Todessehnsucht des nahezu mittellosen Dichters mit „der wunden Seele" deutlich anklingen zu lassen und das vorwiegend junge Publikum die ganze Zeit in den Bann zu ziehen.

Untermalt wurde die Lesung wirkungsvoll durch Percussion (Botho Karger) und Posaunenmusik (Anna Lena Mattigk). Die im Anschluss geplante halbstündige Klang- und Bildinstallation (Daniel Linde, Adrien Rendle) fiel dann aber doch ins Wasser, da die Licht- und Raumverhältnisse an diesem Sommerabend leider falsch eingeschätzt wurden. Auf dem Sommerfest der Schule am 10. Juli soll dann auch diese Premiere stattfinden.

Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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