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80er-Jahre-Schau im Potsdam Museum: „Und es gab sie doch“

Zum Endspurt der 80er-Jahre-Schau am Potsdam Museum spricht Kuratorin Anna Havemann im PNN-Interview über feministische Strategien in der DDR-Kunst – und öffnet damit ein neues Kapitel der Kunstgeschichte.

Frau Havemann, gerade liegt der 8. März hinter uns, der Internationale Frauentag. Ein Feiertag für Sie?

Eigentlich nicht, der Tag ist durch meine DDR-Vergangenheit einfach zu sehr belegt. Ich finde es gut, dass es einen Tag gibt, an dem Frauen gefeiert werden, aber mit diesem konkreten Datum verbinde ich mit nichts, keinen guten Erinnerungen. Sehr gezwungen. Und nicht mal ernst gemeint: Denn die Frau war ja in der DDR nicht gleichberechtigt. Ich selber bezeichne mich auch als Feministin, aber der Tag bedeutet mir nichts. Das sind zwei Paar Schuhe.

Sie sagen, in der DDR war es nicht weit her mit der Gleichberechtigung. Das wird oft anders reflektiert und erinnert.

Auf dem Papier gab es die Gleichberechtigung. Schon in der ersten Verfassung, Artikel 7, von 1949 war sie verankert. Und wenn man weiß, dass 91 Prozent der Frauen berufstätig waren am Ende der DDR, dann klingt das erst mal nach einem gleichberechtigten Miteinander. Aber wenn wir uns dann die Hierarchien und Machtstrukturen in der DDR anschauen, dann wird schnell deutlich, dass die Frau unterrepräsentiert war und das Patriarchat in der DDR genauso funktioniert hat. Egal ob man sich die Strukturen im Verband Bildender Künstler anschaut oder im Politbüro der SED, in dem keine Frau ein Vollmitglied war – in 40 Jahren DDR gab es nur vier Ministerinnen. Auch in der Kunst wurden Frauen eher als schönes Beiwerk dargestellt – und nicht als selbstständig agierend, mitgestaltend.

Ihre eigene These, die Sie im Katalog zu „Die wilden 80er-Jahre“ unter dem Titel „Und es gab sie doch!“ darlegen, ist: Es gab auch in der DDR eine Kunst, die sich feministischer Strategien bediente. Wie sahen diese Strategien aus?

Am deutlichsten wird das, wenn man es mit westdeutschen Künstlerinnen heranzieht, die feministische Strategien verwenden, und dann schaut, ob es ostdeutsche Künstlerinnen ebenso tun. Aber zunächst: Was meinen wir eigentlich mit „feministischen Strategien“? Feministische Kunst ist keine Kunstform per se, sondern eher so etwas wie eine revolutionäre Strategie, eine Lebenshaltung. Der Ansatz dieser Strategie ist, dass Künstlerinnen ausgehend von ihren eigenen Lebenserfahrungen ihre Bilder schaffen, eine ganz radikale Ich-Sicht betreiben. Ich zeige, dass Künstlerinnen wie Doris Ziegler und Angela Hampel das auch in der DDR gemacht haben. Sie haben sich von den Gängelungen und Kunstdoktrin durch die DDR-Oberen frei gemacht und sich in ihrem Stil in den 80er-Jahren radikal auf sich selber besonnen. Die Bilder sind in keiner Weise über einen Kamm zu scheren, aber sie diskutieren immer die Position der Frau im dargestellten Kontext, im Kontext der Kunstgeschichte.

Sie eignen sich die männlich dominierte Kunstgeschichte an?

Sie nutzen mythische Gestalten der Kunstgeschichte oder auch berühmte Kunstwerke, die sie neu interpretieren. Gisela Breitling malte schon in den 60er-Jahren Kassandra. Angela Hampel hat in den 80ern die Amazonenkönigin Penthesilea für sich entdeckt, über diese Figur konnte sie viel über die Gewalt erzählen, die Frauenfiguren in der Kunstgeschichte angetan wurde – ein sehr wichtiges Thema der frühen 80er-Jahre. Wobei die Künstlerinnen mir immer wieder gesagt haben: Wir sind keine Feministinnen, wir sind Künstlerinnen. Die Westberlinerin Elvira Bach zum Beispiel auch. Sie malt seit den 70er-Jahren nichts als Frauen, meistens sich selbst, sie dekliniert alle Lebenserfahrungen von Frauen durch: Geburt, Alltag, Berufswelt, Tod. Trotzdem sagt sie, sie ist keine Feministin. Um solchen Künstlerinnen nicht zu nahe zu treten, spreche ich von „feministischen Strategien“. Erstmals wird das bei uns im Katalog behandelt, in der Kunstgeschichte gibt es diesen Ansatz bisher nicht. In der Literatur ist das anders, hier wurde nachgewiesen, dass es durch Maxi Wander und Christa Wolf durchaus eine feministische Tradition gibt.

„Kassandra“ war in den 80er-Jahren ein Schlüsseltext für Künstlerinnen in Ost und West. Christa Wolf selbst konnte mit Feminismus jedoch nicht viel anfangen. Bei vielen DDR-sozialisierten Frauen gab und gibt es ein Befremden diesem Ismus gegenüber. Warum bei Ihnen nicht?

Weil ich es traurig finde, dass wir die politische Kraft des Feminismus nicht erkennen. Ich erlebe das immer wieder bei jüngeren Frauen, die viel selbstverständlicher mit der vermeintlichen Gleichberechtigung leben und das alles für kalten Kaffee halten. Gleichzeitig aber sieht man, dass es mit der Frauenquote bis heute nicht geklappt hat. Und gerade im Zusammenhang damit, dass viele Menschen aus dem arabischen Raum zu uns kommen, wo ganz andere Frauenbilder existieren, kommt der Kampf um die Rechte der Frauen wieder sehr stark auf die Tagesordnung. Die Zeiten, in denen Feminismus mit lila Wallerkleidern und unrasierten Körpern zu tun hatte, sind ja längst vorbei. Heute geht es um die Vereinbarung von Familie und Beruf.

Die These der 80er-Jahre-Schau ist, dass Kunst aus Ost und West in den 80er-Jahren mehr einte als trennte. Was ist die Brücke zwischen der Westberlinerin Elvira Bach und der Dresdnerin Angela Hampel?

Beide Künstlerinnen schaffen neue Rollenbilder für Frauen. Elvira Bach, indem sie sexy Frauen schafft, die alle Sexobjektklischees bedient und dann doch hinterfragt. Das zeigt Angela Hampel auch, indem sie uns nicht zeigt, ob wir es mit Mann oder Frau zu tun haben. Deswegen finde ich sie so großartig: Wir wollen nicht nur Schwarz oder Weiß zeigen. Da wird es spannend.

Die Ausstellung „Die Wilden 80er-Jahre“ ist ein Publikumsrenner: Nur zu „Friedrich und Potsdam“ 2012 kamen mehr Menschen in Potsdam Museum. Setzen Sie die Auseinandersetzung mit der DDR fort?

Nicht in den nächsten zwei Jahren.

Schade!

Ja, aber als Stadtmuseum haben wir einen sehr breiten Auftrag. Wir zeigen neben Kunstschauen kulturhistorische und stadthistorische Ausstellungen. Und demnächst konzentrieren wir uns auf andere Themen.

Die Fragen stellte Lena Schneider

„Die wilden 80er-Jahre“: bis 12. März im Potsdam Museum, Am Alten Markt 9. Freitag bis Sonntag von 10 bis 21 Uhr geöffnet. Zur Finissage am Sonntag führt Anna Havemann um 14 Uhr durch die Ausstellung

Anna Havemann, geboren 1970 in Ostberlin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Potsdam Museum. Sie studierte in den 1990er-Jahren Kunstgeschichte in New York, wo sie sich intensiv mit feministischen Theorien beschäftigte. Sie lebt seit zehn Jahren in Potsdam. Das Foto zeigt sie zwischen Elvira Bachs „Die Nachteule“ (1981) und Angela Hampels „Penthesilea“ (1988).

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