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Lilith Diringer hat für ein Jahr am HPI studiert, jetzt ist sie Studentin in Dresden. 

© Birte Förster

30 Jahre Mauerfall im Hans Otto Theater: Stasi- und Nazi-Funktionäre an einem Tisch

Lilith Diringer hat mit "Im Sog der Geschichte" ein Hörspiel aufgenommen, das zeitliche Grenzen aufsprengt. Morgen wird es in der Potsdamer Reithalle präsentiert.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Protagonisten verschiedener Epochen sitzen an einem Tisch. Die einen aus der Zeit des Nationalsozialismus, die anderen aus der DDR. Tauschen sich aus, diskutieren, nähern sich an, entfernen sich. In Lilith Diringers Hörspiel „Im Sog der Geschichte“ wird etwas Unmögliches möglich und kreiert ein interessantes Spannungsgeflecht. Am Freitag, 28. Februar, ist es der Aufhänger für eine kleine Talkshow im Hans Otto Theater (HOT) anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Mauerfalls. Im theatereigenen Format „Boxenstopp“ werden Passagen des Hörspiels zu hören sein, anschließend wird darüber gesprochen. HOT-Schauspieler Jon-Kaare Koppe wird dabei sein, Lilith Diringer selbst, der DDR-Flüchtling und Fluchthelfer Hartmut Richter und Sonja Rosenstiel von der Gedenkstätte Lindenstraße.

Dort hat Diringer recherchiert, mit Zeitzeugen gesprochen und lange Zeit im Archiv verbracht. Die 20-Jährige hat bis Ende 2019 in Potsdam gewohnt, am Hasso-Plattner-Institut (HPI) absolvierte sie für ein Jahr eine Weiterbildung für IT. Aktuell studiert sie „Internationale Beziehungen“ in Dresden, eine Mischung aus Jura, Wirtschaft und vielen Sprachen, wie sie es selbst beschreibt. „Im Sog der Geschichte“ entstand Anfang 2019 für den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten, ein historischer Forschungswettbewerb, der alle zwei Jahre ausgeschrieben wird.

Politische Gefangenen und Euthanasie-Opfer

Überhaupt ist Diringer gesellschaftlich interessiert und engagiert. Wie berichtet, hat sie im letzten Jahr aktiv junge Wähler auf die EU-Wahlen aufmerksam gemacht. Bereits zu Schulzeiten engagierte sie sich unter anderem für Amnesty International und Unicef. Am Hans Otto Theater war sie Theaterscoutin, ist also mit Studierenden ins Theater gegangen. Ein Engagement, dass sie jetzt in Dresden weiterführt. Bleibt bei all den Interessen überhaupt noch Zeit zum Studieren? „Ja“, sagt Diringer. „Ich kann mich ziemlich gut organisieren, erledige Dinge ganz früh am Morgen oder auch während einer Bahnfahrt.“

Gewonnen hat Diringer beim Geschichtswettbewerb trotzdem nicht, wie sie erzählt: „Ich bekam nur einen Brief, indem mir für die Teilnahme gedankt wurde und dass es schön sei, was bei meinen Projekt herausgekommen sei.“ Dabei ist ihr Ansatz höchst interessant: Sie lässt einen Studenten auftreten, der zunächst – wie sie es selbst getan hat – in einem Archiv recherchiert, sich immer mehr in ein Geschichtsprojekt hineinsteigert. Dann kommen Schauspieler dazu, die später die verschiedenen historischen Figuren verkörpern sollen. Sie setzen sich zusammen, versuchen sich den Charakteren anzunähern, sie als Personen zu begreifen. Richter aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges sitzen dabei mit Gefängniswärtern eines Stasi-Gefängnisses zusammen. Mit politischen Gefangenen und Euthanasie-Opfern.

Die Geschichte einer Frau, die zwangssterilisiert wurde, hat Diringer besonders bewegt. Auch weil sie über das Thema noch nicht so viel wusste. „Die Berichte zu lesen war schon heftig“, sagt sie. Auch viele Geschichten über Fluchtversuche aus der DDR hätten sie sehr berührt. Bei allen Figuren, die in ihrem Hörspiel vorkommen, hat sie die Namen geändert, Fakten und Zitate stammen aber aus Originalakten. „Mir ging es vor allem um eine gesellschaftliche Betrachtung“, sagt Diringer. „Wie entstehen solche Systeme, noch dazu so dicht hintereinander, was lernen wir aus der Geschichte.“ 

>>Boxenstopp: „Im Sog der Geschichte“, Hörspiel und Diskussion am Freitag, 28. Februar, um 21 Uhr in der Reithalle des Hans Otto Theaters, Schiffbauergasse

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