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Drei palästinensische Frauen meistern im Film "In Between" ihr turbulentes Leben zwischen Tradition und Freiheit.

© JFBB

25 Jahre Jüdisches Filmfestival Berlin-Brandenburg: Alles learning by doing

Am 8. September eröffnet das 25. Jüdische Filmfestival Berlin-Brandenburg im Potsdamer Hans Otto Theater. Nicola Galliner rief es 1995 mit acht Filmen ins Leben.

Von Sarah Kugler

Potsdam - An das erste Jüdische Filmfestival kann sich Nicola Galliner noch genau erinnern. Im ehemaligen Schöneberger Kino Arsenal hat es 1995 stattgefunden und Galliner hatte eine junge dänische Regisseurin eingeladen, deren Film „Freud Leaving Home“ sie unbedingt zeigen wollte. „Hochschwanger ist sie mit dem Zug gekommen, weil sie unbedingt Berlin sehen wollte. Das hat mich sehr gerührt.“ Was damals noch keiner ahnen konnte: Die Regisseurin mit dem Namen Susanne Bier zählt heute zu den bekanntesten dänischen Regisseuren überhaupt, gewann 2011 mit „In einer besseren Welt“ den Oscar für den besten fremdsprachigen Film und bekam jüngst für ihren Netflix-Horrorfilm „Birdbox“ mit Sandra Bullock in der Hauptrolle viel Aufmerksamkeit. Gerne hätte Nicola Galliner sie am Sonntag dabeigehabt, wenn das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg (JFBB) im Potsdamer Hans Otto Theater seine 25. Eröffnung feiert. „Leider konnte sie nicht, aber vielleicht klappt es bei einem der nächsten Festivals.“

Mit gerade mal acht Filmen ist das JFBB 1995 gestartet, das Galliner mit Kollegen nach dem Vorbild des San Francisco Jewish Film Festival, dem ältesten jüdischen Filmfestival der Welt, ins Leben rief. Von Sonntag bis zum 17. September sind in Berlin und Brandenburg nun über 50 Filme aus 14 Ländern zu sehen. Eröffnet wird das diesjährige Festival mit dem Film „Crescendo #makemusicnotwar“, der von dem Versuch erzählt, ein israelisch-palästinensisches Jugendorchester zu gründen – als Zeichen der Annäherung. Ein Thema, das öfter beim JFBB auftaucht, wie Nicola Galliner sagt. Weil es leider immer noch aktuell und hoch kompliziert ist.

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Familiengeschichten und politische Themen

So feierte vor drei Jahren die israelisch-deutsche Produktion „90 Minuten – Bei Abpfiff Frieden“ Weltpremiere auf dem Festival. Im Stil eines Dokumentarfilms berichtet ein fiktives Filmteam über das Spiel zwischen der israelischen Nationalmannschaft und dem palästinensischen Fußballteam. „Ein brillanter Film“, schwärmt Galliner heute noch. Das offene Ende zeige, dass es noch immer keine Antwort auf den Konflikt gebe.

Überhaupt seien die Themen über die Jahre die ungefähr gleichen geblieben: Vor allem werden Familienfilme, Familiengeschichten und Filme mit politischen Themen gezeigt, wie Galliner sagt. Wichtig sei immer das jüdische Thema des Films, ob Regisseur oder Darsteller jüdisch sind, spiele keine Rolle. Was sie dabei immer wieder bewegt, sind die Reaktionen gerade jüngerer Besucher. 

Im Jahr 2016 schaute eine Schulklasse im Babelsberger Thalia-Kino den Dokumentarfilm „Hummus! The Movie“. Der Film von Oren Rosenfeld stellt drei ganz unterschiedliche Protagonisten vor, die alle die Liebe zum Hummus vereint, und begeisterte das junge Publikum wohl sehr. „Ich erinnere mich noch, wie sie ganz erstaunt sagten: ‚Israel ist so bunt!“, erzählt Galliner. „Die meisten kennen Israel eben nur aus den Nachrichten, die Horrorbilder sind tief verankert.“ Ihrer Meinung nach müssten viel mehr zwischenmenschliche Begegnungen gefördert werden, um Vorurteile abzubauen. Mit dem Medium Film möchte das JFBB einen kleinen Beitrag dazu leisten. „Der Film kann viele Menschen erreichen und etwas bewegen“, sagt Galliner. „Reisen und Begegnungen kann er natürlich nicht ersetzen, aber vielleicht einen Anstoß dazu geben.“

Filmfestivalleiterin Nicola Galliner.
Filmfestivalleiterin Nicola Galliner.

© Boaz Arad

Mehr Aufklärungsarbeit ist nötig

Nicola Galliner selbst wird 1950 in London geboren. Im Jahr 1969 geht sie nach West-Berlin und ist begeistert von der Stadt, den vielen jungen Leuten, den pünktlichen Bussen, wie sie lachend erzählt. Ab 1988 leitet sie die Jüdische Volkshochschule der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, das jüdische Leben in Berlin habe sich seitdem sehr gewandelt. „Es ist riesig geworden, was auch der Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion zu verdanken ist“, sagt Galliner. Die jüdische Kultur in Berlin habe sich dadurch verjüngt und ist heute vielfältiger denn je.

Leider habe sich der Fremdenhass und der Antisemitismus auch wieder verstärkt. Das Erstarken der rechten Parteien sei sicherlich ein Grund dafür, aber auch die anonymen Freiheiten des Internets, lüden eben dazu ein, alles sagen zu können. „Es kommen sehr viele Faktoren zusammen, es ist sehr beunruhigend.“ Gerade an den Schulen müsste viel mehr Aufklärungsarbeit stattfinden. „Die Kinder von heute sind schließlich die Erwachsenen von morgen.“

Das Festival stand dieses Jahr in Kritik

Beim Jüdischen Filmfestival habe sie in 25 Jahren zum Glück noch keinen unangenehmen Zwischenfall erlebt, das Publikum sei stets sehr aufgeschlossen und interessiert. Allerdings stand das Filmfestival dieses Jahr selbst in der Kritik. Weil eine geplante Kooperation mit dem israelkritischen New Israel Fund (NIF) im Juni abgesagt wurde, wurde der Festivalleitung vorgeworfen, sich dem politischen Druck Israels zu beugen. Zu den Vorwürfen möchte Nicola Galliner nicht viel sagen: Ihre Gründe müsse sie nicht offenlegen, jedenfalls sei es keine politische Entscheidung gewesen und schon gar nicht habe es äußere Einflüsse gegeben.

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Viel lieber spricht sie über das diesjährige Filmprogramm und kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Besonders ans Herz legt sie dem Publikum etwa „In Between“, der von einer Wohngemeinschaft in Tel Aviv erzählt: Drei palästinensische Frauen meistern dort ihr Leben zwischen Tradition und Freiheit. Einer ihrer absoluten Lieblingsfilme sei außerdem „The Mamboniks“, der die Geschichte jüdischer Tanzbegeisterter in den USA erzählt, die in den fünfziger Jahren das kubanische Mambo-Fieber an die Ostküste brachten.

Stolz schwingt in ihrer Stimme mit, wenn sie von „ihren“ Filmen erzählt, von dem Filmfestival, das sie „learning by doing“ immer mehr gefestigt hat. Weitere 25 Jahre möchte sie es trotzdem nicht leiten. „Ich möchte eine feste Förderung erreichen und dann kann ich es übergeben“, sagt sie und lacht.

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