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Glitzer und Glamour der 1920er Jahre.

© Frank Widmann

20er-Jahre-Show in Potsdam: Das goldene Dilemma

Die 1920er sind derzeit wieder stark im Trend, doch Evi Niessner beschäftigt sich bereits seit dreißig Jahren mit der Zeit. Ihre Show „Glanz auf dem Vulkan“ ist im Nikolaisaal zu sehen.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Bequem war es nicht, das Leben der Frauen in den 1920er-Jahren. Von Gleichberechtigung war noch nicht zu sprechen oder gar von Emanzipation. Immerhin: Wahlrecht gab es schon. „Aber alles musste viel bewusster und aktiver durchgesetzt werden“, sagt Evi Niessner. Die Künstlerin beschäftigt sich schon seit 30 Jahren mit den 1920er-Jahren und ist derzeit mit ihrer Show „Glanz auf dem Vulkan“ unterwegs, die am Sonntag im Nikolaisaal zu sehen ist.

Elf Künstler werden dabei auf der Bühne zu sehen sein, vier davon sind weiblich. Alle vier, so erzählt es Niessner, die 1967 in Wiesbaden geboren wurde und lange Zeit in Berlin lebte, haben ein Dilemma: „Sie wollen sich emanzipieren, aber sehen sich gleichzeitig nach Geborgenheit und Schutz.“ Um dies zu verdeutlichen werden sie alle einem bestimmten Typus zugeordnet: Da ist etwa Claire, die draufgängerische Motorradfahrerin. Die starke Frau also, die selbstbewusst durchs Leben geht – und trotzdem die Liebe sucht. Oder Mitzi, die sich einbildet ein großer Star zu sein und doch als Begleitung von älteren reichen Herren fungiert. Ein Klischee? Nein, einfach nur menschlich, sagt Niessner. Letztendlich seien es alle gebrochene Figuren, die sich durch das Leben schlagen und mit denen man sich heute noch identifizieren kann.

Die 1920er Jahre Show von Evi Niessner.
Die 1920er Jahre Show von Evi Niessner.

© Frank Widmann

Ästhetik und Freiheit

Künstlerisch überhöht ist es natürlich. Fotos der Show zeigen glitzernde Kostüme, viel nackte Haut und Champagnerflaschen. Ja, es sei auch die Ästhetik der 1920er-Jahre, die sie fasziniert, gibt Niessner zu. Aber noch viel mehr sei es das Ausgelassene der Zeit, die Freiheit, die sich vor allem in der Kunst genommen wurde, die Hoffnungen, die es gab.

Schon vor 30 Jahren gründete die ausgebildete Opernsängerin mit dem „Berliner Luftensemble“ ein erste 20er-JahreGruppe. „Wir waren drei Leute“, erinnert sie sich und lacht. Bereits damals sei es ihr Traum gewesen, zur richtigen Zeit eine große Show zu inszenieren, nämlich dann, wenn die 20er wieder da sind. Über die Jahre habe das Programm quasi innerlich in ihr gearbeitet – und dann hat sie es in zwei Nächten aufgeschrieben. Ein Jahr wurde geprobt, seit letztem Jahr ist das Ensemble auf Tour.

"Glanz auf dem Vulkan".
"Glanz auf dem Vulkan".

© Frank Widmann

„Wir müssen uns noch immer mobilisieren“

Als reine Revue möchte Niessner „Glanz auf dem Vulkan“ nicht bezeichnen, vielmehr sei es eine Mischung aus ganz vielen künstlerischen Elementen. Live-Musik wird zu hören sein, ältere Musik sowie moderne. Schauspiel und Tanz werden gezeigt, außerdem Videokunst. Letztere soll im Dialog stehen mit dem, was sich auf der Bühne abspielt, eine Art Kommentarfunktion einnehmen.

Allerdings subtil, wie Niessner sagt. Aufdrängen möchte sie nämlich nichts, vielmehr soll die Kunst in den Zuschauern etwas bewirken, sie eine Meinung bilden lassen. Denn auch wenn 2020 nicht mehr viel mit 1920 gemein hat, so sieht die Künstlerin doch Parallelen: Immer stärker werdender Extremismus, Rassismus, Homophobie beispielsweise. Und auch wenn die Gleichberechtigung in den letzten 100 Jahren gut vorangekommen ist, gebe es immer noch viel zu tun. „Wir müssen uns noch immer mobilisieren“, sagt Niessner. „Heute ist es auch etwas bequemer als damals.“ 

>>„Glanz auf dem Vulkan“, Sonntag, 16. Februar, um 20 Uhr im Nikolaisaal, Wilhelm-Staab-Straße 10/11

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