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Die Kammerakademie Potsdam feiert 15-jähriges Bestehen.

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15 Jahre Kammerakademie Potsdam: Eine Weltklasse für sich

Die Kammerakademie Potsdam feiert ihr 15-jähriges Bestehen – ein Blick zurück und nach vorn.

Potsdam - Die Kammerakademie Potsdam geht in dieser Woche in ihre Jubiläumsspielzeit. Natürlich mit einem Konzert unter der Leitung des Chefdirigenten Antonello Manacorda. International bekannte Musiker, die regelrecht Freunde des Orchesters geworden sind, werden am Freitag als Solisten auftreten: die Violinistin Antje Weithaas, der Cellist Maximilian Hornung sowie Avi Avital, Mandoline.

15 Jahre alt wird nun das Hausorchester des Nikolaisaals. Das ist wahrlich keine lange Zeit, wenn man in die Annalen anderer deutscher Klangkörper sieht, die hundert oder mehr Jahre bestehen. Doch für Musiker und Zuhörer geht es nicht in erster Linie um das Alter, sondern um die hohe Qualität des Klangs und der Interpretation. Gerungen wird um sie bei jeder Probe, in jedem Konzert.

Bei seiner Gründung hatte der Klangkörper so manches Vorbild in puncto Kammerorchesterbesetzung im Blick. Inzwischen schauen Musikerinnen und Musiker, Dirigenten und Solisten aus ganz Europa und darüber hinaus nach Potsdam. Ihnen liegt eine Zusammenarbeit mit der Kammerakademie am Herzen. Das Orchester hat inzwischen die wichtigsten Musiksäle Deutschlands und darüber hinaus erobert. Auf den Tourneen sind die Zuhörer von seinem Musizieren begeistert. Die Potsdamer sowieso. Die Verleihung des Echo Klassik-Preises im vergangenen Jahr krönte die Arbeit.

Vor 15 Jahren waren viele Landeshauptstädter kritisch, gar skeptisch gegenüber den Musikern der Kammerakademie Potsdam, kurz KAP. Man hatte noch die Auflösung der Brandenburgischen Philharmonie Potsdam vor Augen. Nach 53 Jahren endete im Jahre 2000 die Tätigkeit der Philharmonie, die als Orchester des Brandenburgischen Landestheaters gegründet worden war – sie wurde abgewickelt, aus Kostengründen.

Potsdams Orchestergeschichte

Bis 1945 war eine Orchesterlandschaft in Potsdam fast gar nicht vorhanden, wenn man von Liebhaberensembles absieht. Man schaute auf die Klangkörper in Berlin. Kirchenmusiker und Veranstalter holten die Berliner Philharmoniker oder die Staatskapelle Berlin in die Havelstadt. Mit dem Komponisten und Dirigenten Hans Chemin-Petit, der in Potsdam beheimatet war, begann wenige Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs das regelmäßige Musizieren eines Orchesters. Er gründete mit professionellen Musikern und Laien das Collegium musicum.

Im Jahre 1947 wagten Musiker mit vier 1. Violinen, drei 2. Violinen, zwei Bratschen, einem Violoncello, einem Kontrabass, je einer Flöte, Klarinette, Oboe, Fagott, mit zwei Trompeten, zwei Hörnern, einer Posaune sowie einem Schlagzeug den Anfang. Die Gaststätte „Zum alten Fritz“ in der Zimmerstraße, in dem sich das Brandenburgische Landestheater und später das Hans Otto Theater etablierte, war die Heimstatt. Das Orchester entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem Klangkörper, der von seiner Besetzung her auch Werke von Giuseppe Verdi, Gustav Mahler oder Anton Bruckner musizieren konnte. Dirigenten wie Gert Bahner, Günter Herbig, Hans-Dieter Baum oder Stefan Sanderling formten mit Weitblick das Orchester.

Einem hübschen Aphorismus gleicht die Tatsache, dass der weltberühmte Dirigent Carlos Kleiber als Karl Keller in den 50er-Jahren mit dem Orchester arbeitete, jedoch nur kurzzeitig. 1994 trennte sich das Orchester vom Theater, um in der Rechtsform einer GmbH eigene Wege zu gehen.

Oriol und Persius werden KAP

Nach der Philharmonie-Abwicklung im Jahre 2000 waren die Abgeordneten im Stadtparlament und die Verantwortlichen in der Verwaltung wohl etwas ratlos: Eine Landeshauptstadt ohne ein eigenes Orchester? Das geht nicht. Ehemalige Mitglieder der Philharmonie gaben nach der Auflösung ihres Klangkörpers nicht auf, sie wollten ein neues Orchester gründen, ein Kammerorchester. Darunter auch das damals schon renommierte Nonett, das Persius-Ensemble. Seine Musiker nahmen in der Philharmonie stets erste Positionen ein. Sie verbanden sich schließlich 2001 mit dem Berliner Oriol-Ensemble, einem Streichorchester, das ohne Dirigenten arbeitete. Durch die Bläser des Persius-Ensembles konnte der Klang aufgefächert und das Repertoire wesentlich erweitert werden. Da die Stadtverordneten wegen der finanziellen Förderung eines freien Orchesters auch bei deren Gründung ein Wort mitzureden hatten, überzeugte von mehreren Bewerbungen die Konzeption der Kammerakademie. Ein Trägerverein wurde ins Leben gerufen, Frauke Roth, eine gestandene Flötistin, übernahm die Geschäfte. Seit zwei nunmehr Spielzeiten wirkt sie als Intendantin der Dresdner Philharmonie. Heute ist der Musikwissenschaftler Alexander Hollensteiner Geschäftsführer des Orchesters. Mit einem kleinen Team ist er für den organisatorischen und technischen Ablauf verantwortlich. Bei der Konzeption der Konzertprogramme wirkt selbstverständlich der Chefdirigent mit. Auch die Musiker haben ein Wort mitzureden. Obwohl die Kammerakademie als Hausorchester des Nikolaisaals fungiert, ist sie organisatorisch unabhängig. Natürlich sind Absprachen und Kooperationen mit der Leitung des Konzerthauses unablässig. Die Mitglieder der Kammerakademie arbeiten ohne ein festes Engagement und somit tariffrei. Fluktuationen sind äußerst gering. Die Musiker wissen die Flexibilität und das hohe Niveau zu schätzen.

Das erste Konzert

Am 1. September 2001 fand das erste Konzert der KAP im Nikolaisaal statt. Potsdamer und Berliner Konzertbesucher erwarteten mit großer Neugier das Musizieren der Kammerakademie. Der erste Chefdirigent, Peter Rundel, wählte für den Auftakt Kompositionen von Wolfgang Amadeus Mozart und Arnold Schönberg. Schon an diesem Abend spürte man, dass man künftig einem Klangkörper begegnet, der klangliche Feststunden bescheren wird. Aber auch die Programmkonzeption Rundels verriet in den Konzerten der ersten Saison: Es werden spannende Zeiten in puncto Begegnung mit Musik des 20. Jahrhunderts auf die Zuhörer zukommen.

Doch nach einem Jahr trennten sich Rundel und die Kammerakademie, ohne dass darüber in der Öffentlichkeit geredet wurde. Hatte der Spezialist der zeitgenössischen Musik zu viele Ambitionen, um sie mit der Kammerakademie zu verwirklichen? Geschäftsführerin Frauke Roth jedenfalls schrieb nach der ersten Saison im Spielzeitheft 2002/03: „Die außergewöhnliche Aufgeschlossenheit des Publikums, die positive Resonanz auf die Konzerte der Kammerakademie sowie die Leistungen der Künstler veranlassen mich, in die vor uns liegende Konzertsaison mit Zuversicht und Neugier zu blicken.“

Azzolinis Fagott-Ära

Man ging auf Suche nach einem neuen musikalischen Leiter. In dem Italiener Sergio Azzolini fand man einen Musiker, der sich mit großer Leidenschaft der Musik des 18. Jahrhunderts zuwendet, der die historische Aufführungspraxis bevorzugt, der sich aber neuen Werken nicht verschließt. Mit dem liebenswerten Meister-Fagottisten begann auch die Fagott-Ära der Kammerakademie. So viel solistische Musik, die für dieses Holzblasinstrument geschrieben wurde, hat man zuvor wohl selten gehört. Bei Azzolini wurde das Musizieren ohne Dirigenten gepflegt. Er selbst spielte zumeist, wenn er nicht solistisch auftrat, mitten unter seinen Kollegen. Denn er wollte dann kein herausgehobener Musiker sein. Aber von den reichen Erfahrungen des Italieners profitierten die Potsdamer Musiker auch in Hinsicht der historischen Aufführungspraxis und der Erweiterung des Repertoires mit Werken des 18. Jahrhunderts. Das Kennenlernen dieser Kompositionen war auch für die Zuhörer ein großer Gewinn. Bis 2006 wirkte Azzolini in Potsdam. Gelegentlich musiziert er auch heute noch mit der Kammerkademie.

Nach Azzolini wurde Andrea Marcon künstlerischer Leiter. Aber die Zusammenarbeit blieb nur ein Intermezzo. Schon war der Cellist und Dirigent Michael Sanderling in Sicht, einer, der aus einer bekannten deutschen Musikerfamilie stammt. Ab 2007 übernahm er die Leitung des Orchesters und gab dem Konzertspielplan noch mehr Vielfalt, indem er sich verstärkt der Klassik, doch nicht nur Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart, zuwandte. Den frischen Zugang Sanderlings zu den Sinfonien Ludwig van Beethovens vernahm man mit besonderer Freude. Auch die Interpretationen von Werken Dmitri Schostakowitschs fanden bei den Zuhörern im Nikolaisaal viel Zuspruch. Die Kammersinfonien des russischen Komponisten wurden auf CD aufgenommen. Die Einspielung der Cellokonzerte Haydns mit dem Solisten Nicolas Altstaedt gehört ebenfalls in die Ära Sanderlings. Nach seinem Potsdamer Engagement wurde der bei Publikum und Musikern sehr beliebte Dirigent Chef der Dresdner Philharmonie.

Musik auf CD für daheim

Seit der Spielzeit 2010/11, als die Ära des Italieners Antonello Manacorda begann, wird bei der KAP das Produzieren von CD-Aufnahmen großgeschrieben. Die Sinfonien Franz Schuberts erklangen in der Wiedergabe der Kammerakademie nicht nur im Konzertsaal, sondern auch auf CD, die von der Fachwelt besonders hoch gelobt wurden. Dafür konnte das Orchester 2015 den begehrten Echo Klassik-Preis entgegennehmen.

Manacorda wendet sich neben der Interpretation klassischer Werke – so wurden alle neun Sinfonien Beethovens an vier Tagen hintereinander aufgeführt – auch Komponisten der Romantik zu: Robert Schumann und Johannes Brahms. Felix Mendelssohn Bartholdys Sinfonien präsentiert ab dieser Saison die Kammerakademie verstärkt, im Konzertsaal sowie auf CD. Manacordas Vertrag läuft übrigens in diesem Sommer aus. Über eine Verlängerung hat man sich bislang noch nicht geäußert. Wartet man etwa noch ab? Schließlich wird an der Komischen Oper Berlin ab 2017/18 ein neuer Chefdirigent gesucht. Manacorda ist jedenfalls in den kommenden Monaten in Opernaufführungen und im Konzert an diesem Opernhaus mehrmals zu erleben.

Natürlich könnte man auch über die wunderbaren Begegnungen mit zahlreichen Solisten schreiben, die mit dem Orchester immer wieder gern musizieren. Die meisten Interpreten besitzen auf internationalen Konzertpodien einen hervorragenden Ruf: Robin Johannsen, Sopran, Isabelle Faust, Violine, Albrecht Mayer, Oboe, Emanuel Pahud, Flöte, oder Igor Litwin, Klavier. Auch aus dem großartigen Ensemble der Kammerakademie treten Musiker regelmäßig solistisch auf, aber auch in Kammermusikgruppen.

Erfolgsgeschichte Winteroper

Anfang der 1990er-Jahre schloss die Stadt Potsdam die Opernsparte am Hans Otto Theater. Nur sporadisch gab es seitdem Opernaufführungen in der Landeshauptstadt zu sehen, zumeist während der Musikfestspiele oder als Gastspiele des Cottbuser Staatstheaters. Die damalige Kammerakademie-Geschäftsführerin Frauke Roth hatte die Idee, im November und im Dezember eines jeden Jahres im Schlosstheater im Neuen Palais die Potsdamer Winteroper zu etablieren. Dafür gewann sie Mitstreiter aus der Tourismusbranche sowie das Hans Otto Theater, das Kooperationspartner wurde. Schon seit 2005 gibt es nun die Potsdamer Winteroper, die sich mit hervorragenden Opernaufführungen von Händel, Mozart, Rossini oder auch Philipp Glass in ganz Deutschland und darüber hinaus einen hervorragenden Ruf erworben hat. Seit 2013 ist man in der Friedenskirche Sanssouci nicht nur mit Konzertauftritten zu Gast, sondern auch mit der Winteroper, die ihr Augenmerk auf Werke mit biblischem Bezug legt. Ihre anregenden Inszenierungen und die hohe musikalische Qualität rufen immer wieder die Begeisterung der Zuschauer hervor.

Impulsgeber "KAPmodern"

Eine der anregendsten und viele Impulse gebende Konzertreihe ist „KAPmodern“. Mitglieder der Kammerakademie haben sie vor einigen Jahren ins Leben gerufen, wohl wissend, dass die zeitgenössische Musik immer etwas stiefmütterlich behandelt wird, auch bei ihrem Orchester. Wenn Frauke Roth schon 2002 im Saisonheft bemerkte, dass die Kammerakademie sich als ein Ensemble verstehe, das „künstlerisch selbstverantwortlich arbeitet“, ist das „KAPmodern“-Angebot besonders hervorzuheben. Aber auch das Musizieren für und mit Kindern, das in der Stadt großen Anklang finden. So hat man eigene Projekte für Schulklassen entwickelt, die überaus gern angenommen werden. Die Vermittlung von Bildung ist ein besonderes Anliegen der Musiker, das Projekt mit der Stadtteilschule in Potsdams Plattenbauviertel Drewitz beispielgebend über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus.

Geschäftsführer Alexander Hollensteiner wurde vor zwei Jahren nach seiner Vision für die Kammerakademie gefragt. Seine knappe Antwort: „Weltklasse in und aus Brandenburg.“ Einen besseren Schlusssatz gibt es wohl nicht.

Das Jubiläumskonzert der Kammerakademie ist ausverkauft. Zu erleben sind Musiker aber auch am Familiensonntag im Nikolaisaal am 4. September ab 15 Uhr

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