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Kultur: 1000 Jahre in 90 Minuten

Im Walhalla: Die unernste Geschichte Brandenburgs

Vorab konnten sich die Zuhörer an „Brandenburger Kossätensuppe“ stärken. Einem deftigen Eintopf aus Kohl, Kartoffeln und Möhren, angereichert mit Kassler und Rinderbrust, abgerundet mit den bekannten verdauungsfördernden Gewürzen. Kräftig, bodenständig und ohne neumodische Fisimatenten. Dazu gab es Schwarzbrot und ein prasselndes Kaminfeuer.

So bekamen sie einen ersten Vorgeschmack auf das, was im Varieté Walhalla als pikantes Hauptgericht folgte: 1000 Jahre Brandenburg, angerichtet auf 220 Seiten, in Auszügen vorgetragen von Hans-Otto Dill und Gerta Stecher, den Autoren des vor fast 10 Jahren erschienenen Buches „Die unernste Geschichte Brandenburgs“.

Darin unternehmen die Autoren einen in Ton und Gestus respektlosen Ausflug durch die Geschichte der Mark Brandenburg, beginnend beim Kapitel „Der märkische Urschleim nimmt Gestalt“ an, über „Germanisches, so weit das Auge reicht“ bis hin zu den „Langen Kerls als Symbol der kulturellen Identität“. Sie beschreiben locker- ironisch besonders jene Begebenheiten, die die offizielle Geschichtsschreibung noch nicht oder nicht so im Visier hatte, zuerst die brandenburgische Eis-, Stein-, Bronze- und Eisenzeit, um dann den Wenden Mirko Jakubowski nebst Ehefrau die wechselvolle Geschichte der Mark durch mehrere Jahrhunderte hindurch am eigenen Leib spüren zu lassen.

So erfuhr der Zuhörer bildhaft und lebendig, wie es diesem als Lehnsmann des Germanen Arnulf erging oder was er als Kutscher des weißen Hirschgespanns des weitgereisten und weltberühmten fürstlichen Muskauer Eiserfinders an Extravaganzen ertragen musste. Ein paar Jahrhunderte davor war Mirko vom platten Land in die Stadt emigriert, weil ihm 3-Felderwirtschaft und Kossätenkost nicht den richtigen Kick im Leben gaben und er sich von der Umschulung zum Kahnbauer ein weitaus besseres Auskommen versprach. Prompt avancierte er als einigermaßen wohlhabender Bürger zum attraktiven Heiratsobjekt für höhere Töchter aus verarmtem märkischem Adel. Vertreter dieses Standes hatten sich in Ermangelung anderer Einnahmequellen im 15. Jahrhundert zu einem hocheffektiven Wegelagerersyndikat in Cottbus zusammengeschlossen, um wenig später mit Hilfe der Gründung eines märkischen Bankhauses in der Politik mitzumischen.

Und so ging es locker unterhaltsam weiter durch die Geschehnisse der vergangenen Jahrhunderte. Das Erfolgsrezept: Man nehme die bekannten historischen Fakten, dazu eine große Portion Phantasie und eine gute Prise Fabulierfreude.

Mit näselnder Stimme, manchmal mit oberlehrerhaft erhobenem Zeigefinger und meist französisch betonten Endungen unterhielt der ehemalige Romanistikprofessor Hans-Otto Dill faktenreich, jedoch bis zum Schluss kurzweilig das interessiert lauschende Publikum der gut besuchten Veranstaltung des Brandenburgischen Kulturbundes. Seine Co-Autorin, die freischaffende Journalistin, Fotografin und Feature-Autorin Gerta Stecher, ein wenig in der Rolle der Assistentin, las ebenfalls mit Begeisterung und sehr pointiert.

Nach neunzig Minuten und fast tausend Jahren praller Historie verlangten beide dann nach landestypischer kulinarischer Stärkung. Schade eigentlich, dass kein sahniges Halbgefrorenes zum runden Abschluss serviert wurde.

Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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