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Ende Februar verließ die Fotografin Valeriia Buchuk Charkiw.

© Andreas Klaer

Benefiz-Auktion in Potsdam: „Alles ist wie betäubt“

Für die Ukraine: Im Freiland wird am Sonntag Kunst versteigert – aus Potsdam, aber auch die Bilder von Valeriia Buchuk aus Charkiw.

Potsdam - Fragt man Valeriia Buchuk, welches Bild sie im Kopf hat, wenn sie an ihre Heimatstadt Charkiw denkt, überlegt sie lange. Dann sagt sie: gar kein Bild. Ein Geräusch. Das englische Wort fällt ihr nicht ein, das russische verstehen wir nicht. Sie formt es mit den Lippen, die Hände deuten eine fallende Bewegung an. Explosionen.

Valeriia Buchuk ist Fotografin. Charkiw liegt nur zwanzig Minuten von der russischen Grenze entfernt, der Krieg war schnell dort. Sie verließ die Stadt am 27. Februar. Nach einer Odyssee über Krakau kam sie vor vier Tagen in Potsdam an. Dass sie am Sonntag an einer Ausstellung auf dem Freiland-Gelände teilnehmen wird, scheint sie selbst kaum glauben zu können. „Alles ist wie betäubt“, sagt sie.

Hilfe für Netzwerk des Charkiw Arts Center

Im Freiland ist eine Benefiz-Auktion geplant, Potsdamer Künstler:innen haben ihre Werke zusammengetragen, um Geld für Künstler:innen aus dem Netzwerk des Charkiw Arts Center zu sammeln, an dem auch Valeriia Buchuk studiert hat. Die Künstlerin Jenny Alten hatte die Idee dazu, das Netzwerk KulturMachtPotsdam half. Mikos Meininger und Annette Paul steuerten nicht nur ihre Kunst bei, sondern auch Expertise: Meininger weiß, wie Auktionen funktionieren, Paul kann Russisch. 31 Künstler:innen haben bereits ihre Werke zur Verfügung gestellt, darunter Anne Eichhorn, Heike Isenmann, Udo Koloska und Daniel Fitzenreiter, der die Auktion leiten wird.

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Auch zehn Fotos von Valeriia Buchuk werden dabei sein. Fast alle ihrer Arbeiten zeigen Frauen: Frauen unter Haaren verborgen, nackte, schöne Frauenkörper im Wasser. Die jüngsten Bilder entstanden im letzten Sommer, unter anderem am Strand von Mariupol. Die digitalen Fotos und ihre Kamera konnte Valeriia Buchuk mitnehmen, als sie Charkiw verließ. Ihre Zeichnungen und anderen Bilder kann sie nur auf dem Smartphone zeigen. Rund 500 davon musste sie zurücklassen.

Facebook-Freunde luden Buchuk nach Potsdam ein

Als Putins Truppen die Ukraine angriffen, saß Valeriia Buchuk zuhause an ihrem Computer und hörte Detonationen, wenig später auch Schüsse in der Stadt. Es bildeten sich lange Schlangen vor den Bankautomaten. Russische Soldaten in den Straßen machten den Menschen Angst, aber auch Bewaffnete in Zivil fielen in Wohnungen ein, berichtet Valeriia Buchuk. Es gelang ihr, mit dem Zug die Stadt zu verlassen. Sie fuhr bis nach Krakau, blieb dort einige Wochen. 

Facebook-Freunde, die ihr wegen ihrer Kunst gefolgt waren, luden sie dann nach Potsdam ein, bezahlten ein Flugticket nach Berlin. Jetzt wohnt sie in Potsdam auf engem Raum bei einer Familie, die zuvor auch den bekannten ukrainischen Künstler Artem Volokitin beherbergt hatte. Als Vater von fünf Kindern ist er vom Kriegsdienst befreit und konnte mit dem Auto fliehen. Er nutzt nun ein Atelier im Freiland, sogar „Titel Thesen Temperamente“ berichtete. Auch Arbeiten von Volokitin sollen am Sonntag versteigert werden. Er war es, der Valeriia Buchuk mit Jenny Alten und der Auktion zusammenbrachte.

Valeriia Buchuk trat ihre Flucht allein an. Ihre Mutter lebt nicht mehr, der Vater wohnt in Donetzk, eine eigene Familie hat die 35-Jährige noch nicht. Sie möchte unbedingt wieder anfangen, zu arbeiten, sagt sie. „Arbeiten hilft.“ In Charkiw hatte sie drei Jobs – als Fotografin, Malerin und Bühnenbildnerin. Hier hat sie noch keinen. Und sie sucht nach einer neuen, einer dauerhaften Bleibe. „Es fühlt sich im Moment alles an wie ein Traum“, sagt Valeriia Buchuk. Es ist kein guter. 

Kunstauktion am 10.4. von 15 bis 17 Uhr, ab 12 Uhr ist die Schau geöffnet. Parallel findet ein Soli-Markt auf dem Gelände statt.

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