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Klinikum "Ernst von Bergmann" Potsdam.

© Andreas Klaer

Krisen-Lage in Brandenburg: Potsdam ist Corona-Hot-Spot der Region

Landeshauptstadt weist höchste Sterberate Ostdeutschlands auf, Brandenburgs Innenminister kritisiert verzögerte Ausbruch-Meldung. In Pflegeheimen treten immer mehr Fälle auf. 

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Potsdam/Berlin - Potsdam ist mit dem Corona-Ausbruch am kommunalen Klinikum „Ernst von Bergmann“ zum größten Problemfall in der Hauptstadtregion geworden: Nach PNN-Informationen ist der Anteil der Infizierten an der Bevölkerung in der Landeshauptstadt inzwischen sogar größer als in Berlin und im Bundesschnitt. Nach Erhebungen des Landeskrisenstabes (Stand Montagfrüh) gibt es in Potsdam 147 bestätigte Covid-19-Fälle auf 100 000 Einwohner. Zum Vergleich: In Berlin sind es 100, bundesweit 115 und im Brandenburger Schnitt 58.

Am Montag sind im Potsdamer Klinikum ein und im St. Josefs-Krankenhaus zwei Menschen nach einer Covid-19-Erkrankung gestorben. Die Zahl der Verstorbenen mit Corona-Infektion hat sich damit in Potsdam innerhalb von vier Tagen auf 22 verdoppelt. 14 Verstorbene waren Einwohner der Landeshauptstadt. Die Sterberate pro 100 000 Einwohner liegt damit bei 7,78 – das ist der höchste Wert aller ostdeutschen Städte und Landkreise, wie aus einer Fallzahlenerfassung dieser Zeitung hervorgeht. Wesentlich höher sind diese Werte allerdings in einigen westdeutschen Kreisen, Spitzenreiter in dieser Statistik ist der Landkreis Tirschenreuth in Bayern mit 56,5

„Wir nehmen die Potsdamer Lage ernst"

Die Probleme mit infizierten Patienten und Klinikpersonal im Bergmann-Klinikum führen inzwischen dazu, dass Brandenburg bei der Corona-Bekämpfung im Bundesvergleich schlecht abschneidet. Nach einer Analyse des Max–Delbrück-Zentrums liegt Brandenburg mit einer Verdopplungsrate bei den Infektionsfällen von acht Tagen bundesweit auf dem vorletzten letzten Rang, nur das Saarland schneidet schlechter ab. Zum Vergleich: In Berlin sind es derzeit (Stand Montag) 12,2 Tage, bis sich die Zahl der Infizierten verdoppelt.

„Wir nehmen die Potsdamer Lage ernst. Es ist wichtig, dass das Problem im ,Ernst von Bergmann’ gelöst wird“, sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) in einem PNN-Interview zur Corona-Lage im Land vor dem Osterwochenende. Stübgen übte deutliche Kritik, dass der Ausbruch im größten Krankenhaus des Landes verzögert gemeldet wurde. „Für uns im Krisenstab war es sehr schwierig, dass diese Meldung der Landeshauptstadt Potsdam sehr spät kam“, sagte Stübgen. „Für uns war das schädlich.“ Das Land brauche präzise, belastbare Informationen, um Entscheidungen zu treffen. Es gebe auch andere Krankenhäuser im Land, die betroffen sind. „Die haben sehr schnell reagiert.“ Es habe spät eingesetzt, aber das jetzige Krisenmanagement Potsdams scheine geeignet, Gefährdungen zu reduzieren, so der Innenminister.

Eine Informationskette habe nicht funktioniert

Seit Montagnachmittag liegt der Stadtverwaltung der Bericht samt Handlungsempfehlungen des Interventionsteams des Robert Koch-Instituts vor. Die Experten waren von der Stadt vergangene Woche angesichts des Ausbruchs im Klinikum um Amtshilfe gebeten worden. Bislang sind die Empfehlungen des Interventionsteams von der Stadt nicht bekannt gemacht worden.

Nach PNN-Informationen geht die Potsdamer Stadtverwaltung davon aus, dass innerhalb des Bergmann-Klinikums eine Informationskette nicht funktioniert habe. Sollte sich dies bestätigen, könnte dies staatsanwaltliche Ermittlungen zufolge haben. Außerdem wollen die Stadtverordneten die Verwaltung stärker kontrollieren. „Wir Stadtverordnete sichern eine engere Kontrolle des Verwaltungshandelns zu“, heißt es in einem Schreiben der Fraktionen.

Angespannte Lage im Zentrum für Altersmedizin

Angespannt ist die Corona-Lage in Potsdam auch im Evangelischen Zentrum für Altersmedizin (EZA) der Alexianer am Weinberg. Dort wurden mit Stand Montagnachmittag neun der 150 Mitarbeiter positiv auf Covid-19 getestet, darunter auch eine Reinigungskraft, wie Alexianer-Sprecher Benjamin Stengl den PNN sagte. Nun werde versucht, die Infektionswege zu prüfen. Immer mehr Corona-Infektionen werden auch aus Pflegeheimen bekannt. Die Arbeiterwohlfahrt hat das Land und die Landkreise zu mehr Schutz vor dem Coronavirus aufgefordert. „In unseren Einrichtungen ist nach den vergangenen Lieferungen von Schutzausrüstungen an das Land nichts angekommen“, sagte Awo-Geschäftsführerin Anne Baaske am Montag. 

Die Kreise lieferten bisher nur an Krankenhäuser, Rettungsdienste und Abstrichstellen. Dabei hätten die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege vor zwei Wochen einen Bedarf von rund einer Million Einheiten an Kitteln, Schutzmasken, Handschuhen und Desinfektionsmitteln an das Land gemeldet. Die Awo sei nicht nur für den Schutz der Patienten, sondern auch für die 24 000 Mitarbeiter in der Pflege verantwortlich.

Polizei plant Großeinsatz zu Ostern

Unterdessen bereitet sich Brandenburgs Polizei auf einen Großeinsatz in den Ostertagen vor, um das Einhalten des Corona-Verordnungen zu überwachen. Nach Auskunft von Stübgen werden landesweit 150 Bereitschaftspolizisten mehr als sonst im Einsatz sein. Er erwarte aber, „dass sich die allermeisten an die Regel halten werden, wie bisher auch“, betonte Stübgen. Die Polizei setze zuerst auf Deeskalation. „ Nur, wenn sich Leute hartnäckig widersetzen, kommt es zu Bußgeldern oder Strafanzeigen.“ Es sei wichtig, dass alle sich an das Kontaktverbot halten. „Aber das bedeutet nicht, dass man sich nicht an der frischen Luft bewegen darf und auch soll.“ Das gelte auch für Berliner, die es ins Umland zieht. „Wir haben Brandenburg nicht geschlossen.“ 

Kritik über Stübgen, der als Innenminister für die Kommunen und den Katastrophenschutz zuständig und Vize-Ministerpräsident ist, am verschärften Einreiseverbot in den Kreis Ostprignitz-Ruppin. Die Polizei werde diese Sonderregelung aber dort nicht durchsetzen. „Es kam eine Anfrage des Kreises. Das hat die Polizei aber abgelehnt.“ Es sei landesweit nicht notwendig, die Kreisgrenzen zu bewachen. „Es ist eine Eigenentscheidung dieses Landkreises, die wir nicht für richtig halten.“ (mit dpa)

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