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Gewann bereits mit 17 Bronze in Sidney: Ronald Rauhe macht auch mit 38 Jahren noch weiter. 

© Soeren Stache/dpa

Kanute Ronald Rauhe macht weiter: „Den Ehrgeiz abzulegen, wird das größte Problem“

Der Berliner Kanute Ronald Rauhe will mit 38 Jahren noch nicht aufhören. Einmal noch Olympia, das ist das Ziel. Doch auch die Zeit danach treibt ihn um.

Am schwersten ist es Ronald Rauhe gefallen, auf die Einschulung seines Sohns zu verzichten. Die ist für den 8. August 2021 angesetzt, leider findet an diesem Datum auch das olympische Finale im Kanu-Vierer statt. Monate lang hat Rauhe mit sich gerungen, ob er nach der Absage der Spiele von Tokio und der Olympia-Verlegung in den kommenden Sommer tatsächlich weiterpaddelt, seinem mittlerweile 38 Jahre alten Körper und vor allem seiner Familie ein weiteres Jahr Hochleistungssport zumutet.

Jetzt hat sich der Berliner, der seit fast zwei Jahrzehnten in Potsdam trainiert, definitiv entschieden. „Es hat lange gedauert, das für mich abzuwägen und einzuordnen“, sagte Rauhe am Donnerstag der dpa. „Ich mache weiter.“ Die Spiele von Tokio werden somit die sechsten seiner langen und überaus erfolgreichen Karriere sein. Im deutschen Olympia-Aufgebot dürften nur Tischtennislegende Timo Boll sowie die beiden Reiterinnen Ingrid Klimke und Isabell Werth in Japan zum sechsten Mal Olympia erleben.

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Eigentlich hatte Rauhe seine Karriere bereits nach Rio de Janeiro 2016 beenden wollen, wo er im Einer überraschend Bronze gewann. Eigentlich „genau der Abschluss, den ich mir gewünscht habe“, wie Rauhe dem Tagesspiegel vor Kurzem erzählte.

Dass Rauhe doch noch weitermachte, hing eng mit einer Regeländerung zusammen: Der Kanu-Weltverband verkürzte die olympische Distanz für den Vierer von 1000 auf 500 Meter, perfekt für den Sprinter Rauhe. An der Seite von Max Lemke, Tom Liebscher und Max Rendschmidt wurde Rauhe sofort Weltmeister, das deutsche Kanu-Flaggschiff galt in Tokio als Olympia-Favorit.

Die Absicherung der Familie war für Rauhe ausschlaggebend

Um dieses Ziel auch mit einem Jahr Verzögerung verfolgen zu können, musste Rauhe sich zuletzt vor allem um seine Finanzen kümmern. Alle seine Sponsorenverträge sollten zum Jahresende 2020 auslaufen, ohne eine Absicherung für seine Familie wollte sich der Kanute aber nicht auf ein weiteres Jahr mit etlichen Trainingslagern und Lehrgängen einlassen. „Jetzt ist das alles geregelt“, sagt Rauhe nun, auch sein Vertrag als Sportsoldat bei der Bundeswehr laufe weiter.

Nach der Olympia-Absage hatte Rauhe mit Motivationsproblemen zu kämpfen, wochenlang trainierte er gar nicht, kümmerte sich vor allem um seine beiden Söhne. Mittlerweile ist er wieder ins Training eingestiegen und überraschte sich selbst und Bundestrainer Arndt Hanisch bei einem Leistungstest Anfang Juli in Duisburg, bei dem er die deutlich jüngere Konkurrenz trotz Trainingsrückstands hinter sich ließ.

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Im Jahr 2000 in Sydney hatte Rauhe als 17-Jähriger Bronze gewonnen, es folgten Gold in Athen 2004, Silber in Peking 2008 und erneut Bronze in Rio 2016. Der Reiz Olympischer Spiele, sagt Rauhe, habe ihn nie losgelassen. Selbst aus der wohl größten Enttäuschung seiner Karriere, als er in Peking im Zweier mit Tim Wieskötter nach acht Jahren ohne Niederlage Gold um wenige Zentimeter verpasste, hat er etwas Positives mitgenommen. „Das war eine der lehrreichsten Situationen, die ich als Sportler erlebt habe“, sagt Rauhe. „Ich habe gelernt: Nicht nur der Sieg zählt, auch alles andere drumherum ist schon etwas sehr Großes. Darauf muss man sich besinnen, das hat mich menschlich weitergebracht.“

Auch nach 16 Siegen bei Welt- und Europameisterschaften und etlichen deutschen Meistertiteln hat Rauhe immer noch Freude an seinem Sport. Allerdings wird er sich parallel zu den Olympiavorbereitungen auch um die Zeit nach dem Leistungssport kümmern müssen, noch einmal in so eine ungewisse Situation wie in diesem Sommer will er nicht geraten. Als Büromensch allerdings sieht sich Ronald Rauhe noch nicht – und eine ganz bestimmte Befürchtung hat er auch für die Zeit nach der Kanu-Karriere: „Den Ehrgeiz abzulegen – das wird das größte Problem.“

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