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Die Gasumlage soll dazu beitragen, dass die Energieversorgung in Deutschland stabil bleibt.

© Franziska Gabbert/dpa-tmn

Update

Höhe der Gasumlage: Wie die Gaspreise ab Oktober bei den Kunden ankommen

Am Montag wird die Höhe der Gasumlage bekannt gegeben. Millionen Haushalte sind betroffen. Lesen Sie hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die genaue Höhe der Gasumlage zur Rettung systemrelevanter Gasimporteure soll am (heutigen) Montag gegen 12.00 Uhr im Internet bekannt gegeben werden. Dies teilte die für die Veröffentlichung zuständige Trading Hub Europe GmbH am Montag mit. Das Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Gas-Fernleitungsnetzbetreiber mit Sitz im nordrhein-westfälischen Ratingen ist für die Ausgleichszahlungen an die Importeure zuständig. Die THE legt die Zahlungen anschließend auf die Gasversorger um, die sie wiederum an alle Gaskunden weiterreichen werden. Verbraucher müssen mit erheblichen Mehrkosten rechnen.

Die neue staatliche Umlage wird nur einen Teil der Kostensteigerungen ausmachen - sie kommt praktisch noch obendrauf. Welche Preiserhöhungen die Gaslieferanten ihren Kunden davon abgesehen abverlangen, ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Hier ist auch der Zeitpunkt variabel. Die Umlage hingegen kommt für alle Gaskunden ab Herbst, viele Fragen sind aber noch offen. Ein Überblick über die größten Probleme:

Wie hoch wird die Umlage?

Die genaue Höhe der Umlage berechnet der sogenannte Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe, ein Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber. Sie soll am Montag mitgeteilt werden. Das Wirtschaftsministerium ging zuletzt von einer Spanne von 1,5 bis 5 Cent je Kilowattstunde aus. Die Umlage müssen alle Gasverbraucher, Firmen wie Privathaushalte, zahlen. Viele Marktexperten sind jedoch der Meinung, dieser Betrag sei zu tief gegriffen.

Das Vergleichsportal Verivox errechnete für diese Spanne für einen Single-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 5000 Kilowattstunden Mehrkosten zwischen 89 und 298 Euro. Ein typischer Pärchenhaushalt würde demnach mit 214 bis 714 Euro belastet, eine Familie im Einfamilienhaus (20.000 Kilowattstunden Verbrauch) mit 357 bis 1190 Euro. Darin ist die Mehrwertsteuer enthalten. Konkurrent Check 24 kommt auf dieselben Schätzungen.

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Dazu kommen marktgetriebene, teilweise drastische Preissteigerungen, die schrittweise bei den Kunden ankommen. Viele Menschen sind betroffen, denn etwa die Hälfte aller Wohnungen in Deutschland wird mit Gas beheizt. Die Unternehmen RWE und Shell haben zwar angekündigt, die Mittel aus der Umlage nicht in Anspruch zu nehmen. Ihre Kunden dürften das Geld aber dennoch zahlen müssen, da es sich um eine staatliche Umlage handelt.

Wann kommt die Umlage bei den Verbrauchern an?

Die Umlage gilt ab Anfang Oktober - sie werde aber nicht unmittelbar auf den Rechnungen sichtbar werden, sondern mit etwas Zeitverzug, so das Wirtschaftsministerium. Es gebe aus Verbraucherschutzgründen Ankündigungsfristen im Energiewirtschaftsgesetz von vier bis sechs Wochen, die eingehalten werden müssten. Daher werde die Umlage wahrscheinlich erstmals im November oder Dezember auf den Rechnungen ausgewiesen werden. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) rechnet allerdings damit, dass einige Versorger die Umlage schon ab dem 1. Oktober ihren Kunden in Rechnung stellen werden.

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Die Umlage wird laut Ministerium monatlich abgerechnet und kann alle drei Monate angepasst werden. Sollte Russland seine vertraglich zugesicherten Mengen wieder vollumfänglich erfüllen, werde die Preisanpassung auf null gesetzt. Die Höhe der Umlage hängt also wesentlich von Umfang und Preis des als Ersatz beschafften Gases sowie von der Nachfrage ab. Je höher der Ausgleich für die Importeure, desto höher auch die Umlage.

Warum ist die Umlage überhaupt nötig?

Gasimporteure haben Lieferpflichten gegenüber ihren Kunden, vor allem gegenüber Stadtwerken. Die Importeure können diesen Lieferpflichten nur gerecht werden, indem sie die ausgefallenen Mengen aus Russland durch den Kauf deutlich teurerer Mengen am Kurzfristmarkt ersetzen. Bisher können diese Mehrkosten nicht weitergegeben werden. Die Folge: Bei Importeuren sind erhebliche Verluste entstanden, der Fortbestand der Unternehmen kann gefährdet werden. Gingen große Gas-Einkäufer deshalb pleite, wäre die ganze Energieversorgung Deutschlands gefährdet. Deswegen hat der Bund mit dem Versorger Uniper ein milliardenschweres Rettungspaket vereinbart.

Zugleich beschloss die Bundesregierung auch, die Umlage auf alle Gaskunden anzuwenden. Die Alternative wäre gewesen, den finanziellen Ausgleich für die Importeure über den Staatshaushalt zu finanzieren. Dies wäre aber mit „erheblichen Belastungen“ des Etats verbunden, heißt es in der Verordnung. Politisch setzt die Bundesregierung außerdem ein Preissignal: Gassparen lohnt auch finanziell.

Wie funktioniert die Umlage?

Kern sind Ausgleichszahlungen an die Gasimporteure. Sie sollen ausreichen, um Insolvenzen zu verhindern, wie es heißt. Mit der Umlage sollen „weitere massive Preissteigerungen durch den insolvenzbedingten Ausfall für den Markt wichtiger Gasimporteure“ verhindert werden.

Es wird noch teurer: Zusätzlich zu den steigenden Preisen kommt ab Oktober noch die Gasumlage auf die Rechnung.
Es wird noch teurer: Zusätzlich zu den steigenden Preisen kommt ab Oktober noch die Gasumlage auf die Rechnung.

© dpa

Der finanzielle Ausgleich für betroffene Gasimporteure ist zeitlich beschränkt auf die Erfüllung von vertraglichen Lieferverpflichtungen vom 1. Oktober 2022 bis zum 1. April 2024. Bis Oktober tragen laut Ministerium die betroffenen Gasimporteure alle Kosten für die Ersatzbeschaffung allein. Danach tragen sie 10 Prozent der Kosten dauerhaft selbst.

Für die Berechnung der Umlage gibt es eine komplexe Formel, die unter anderem den Unterschied zwischen dem vertraglich vereinbarten und dem aktuellen Einkaufspreis berücksichtigt. Die Höhe der Mehrkosten muss von Wirtschaftsprüfern testiert werden. Der Ausgleich erfolgt laut Ministerium über die Gaslieferanten, die die Kosten in aller Regel an ihre Kunden weitergeben werden.

Welche offenen Fragen gibt es?

Ein Problem ist, wie mit Kunden mit Festverträgen umgegangen wird. Aus dem Ministerium hieß es bisher nur, dies werde geprüft. In einem Brief an Habeck warnten der BDEW und der Verband kommunaler Unternehmen, eine Preisanpassung gegenüber Kunden mit Verträgen ohne Anpassungsmöglichkeit könne bis zum 1. Oktober nicht durchgesetzt werden. Das betreffe durchschnittlich rund 25 Prozent der Haushaltskunden und des Kleingewerbes, bei einigen Versorgern sogar deutlich mehr.

„Die Folge wäre, dass die Unternehmen zwar die Umlage an den Marktgebietsverantwortlichen zahlen müssen, diese aber nicht sofort von den Letztverbrauchern erstattet bekommt“, heißt es in dem Brief. Bei Festpreisverträgen und in der aus Gas erzeugten Strom- und Fernwärmeversorgung drohe ein Totalausfall, wenn die Umlage vertraglich nicht weitergegeben werden könne. „Dadurch entstehen erhebliche Liquiditätsprobleme bei den Energieversorgern, die wegen der ohnehin angespannten Finanzsituation auch zur Insolvenz führen können.“

Doch auch Verbraucherschützer machen Kunden wenig Hoffnung. Verbraucher, die eine Preisgarantie in ihren Verträgen haben und hoffen, deshalb verschont zu werden, liegen falsch, warnt etwa Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Denn diese Garantie schützt nicht vor staatlichen Umlagen oder Abgaben. „Jeder muss zahlen“, sagt der Verbraucherschützer.

Wie ist es mit der Mehrwertsteuer?

Stand jetzt wird auf die staatliche Gasumlage die Mehrwertsteuer fällig - der Staat verdient also mit. Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Habeck wollen das verhindern, es ist rechtlich aber nicht einfach. Laut Finanzministerium sind solche Ausnahmen im Europarecht nicht vorgesehen. Lindner hatte versprochen, er werde alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Mehrbelastung abzuwenden. Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger schlug vor, Mehrwertsteuereinnahmen aus der Gasumlage an ärmere Haushalte weiterzugeben.

Welche staatliche Umlage kommt noch?

Neben der Beschaffungsumlage kommt im Herbst noch eine Gasspeicherumlage. Diese soll der Trading Hub Europe die Kosten ersetzen, die ihr zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit entstehen, also für den Einkauf von Gas. Das Wirtschaftsministerium geht aber nicht davon aus, dass diese Umlage eine „relevante Größe“ erreichen wird.

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Ihre Höhe muss spätestens am 20. August bekanntgegeben werden. Auch sie soll ab dem 1. Oktober in Rechnung gestellt werden. Das Beratungsunternehmen Enervis in Berlin geht von einer Mindesthöhe von 1,65 Euro pro Megawattstunde (0,165 Cent pro kWh) aus. „Je nach Marktlage könnte sich dieser Wert aber auch vervielfachen“, sagte Enervis-Gasmarktexperte Sebastian Gulbis dem Tagesspiegel.

Wird es an anderer Stelle Entlastungen geben?

Kanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte am Donnerstag, die Regierung werde die Bürgerinnen und Bürger nicht alleine lassen. So soll es zu Beginn des kommenden Jahres eine deutliche Ausweitung des Wohngelds geben, auch ein dauerhafter Heizkostenzuschuss für einkommensschwache Haushalte ist geplant.

Finanzminister Lindner plant steuerliche Entlastungen, sein Konzept aber ist in der Koalition umstritten. Teile der SPD und der Grüne nennen sie sozial unausgewogen. Sie fordern die Schuldenbremse mit einem Nachtragshaushalt zu umgehen, um so Spielraum für Entlastungen zu erhalten. Bislang zeigt sich Lindner aber als Verteidiger der Schuldenbremse. (mit dpa)

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