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Journalisten warten im Hafen von Yokohama.

© REUTERS/Kim Kyung-Hoon

Gefangen auf dem Corona-Schiff: So schildert ein Deutscher die Lage auf der „Diamond Princess“

Wegen des Coronavirus darf seit acht Tagen niemand das Kreuzfahrtschiff „Diamond Princess“ in Japan verlassen. Martin Lutterjohann ist einer von ihnen.

Martin Lutterjohanns Kabine hat keine Fenster, dafür aber ein großes Bett und einen kleinen Schminktisch, der ihm und seiner Frau nun bereits seit acht Tagen als Esstisch dient. An den Wänden hängen Spiegel. „Damit der Raum größer wirkt“, erzhält der Rentner, der gelegentlich als Autor arbeitet, über Skype.

Der 76-Jährige steht ebenso wie 3600 andere Passagiere und Crewmitglieder an Bord der Diamond Princess unter Quarantäne. Inzwischen wurde bei 174 Menschen an Bord das gefährliche Coronavirus festgestellt – sie sind die einzigen, die das Schiff verlassen durften.

Martin Lutterjohann fotografiert sich in seiner Kabine.
Martin Lutterjohann fotografiert sich in seiner Kabine.

© Martin Lutterjohann

Das Kreuzfahrtschiff im Hafen von Yokohama ist der Ort mit den meisten Coronafällen außerhalb von Festlandchina. Weltweit sind mittlerweile mehr als 45.000 Menschen infiziert und über 1.100 Menschen an dem Virus gestorben. Der Trip nach Japan, der für die Passagiere als Traumreise auf einem Luxusliner begann, gleicht mittlerweile eher einem Gefängnisaufenthalt.

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Am 20. Januar waren Lutterjohann und seine Frau in Yokohama an Bord gegangen, es folgte eine zweiwöchige Rundreise in den Süden Japans, nach Hongkong, Vietnam und Taiwan. Was zu diesem Zeitpunkt niemand ahnte: Ein Chinese, der das Coronavirus in sich trug, hatte sich fünf Tage lang an Bord des Schiffs aufgehalten. Die Krankheitssymptome traten bei ihm erst nach seinem Urlaub auf der Diamond Princess auf.

„Alle mussten auf ihre Kabinen“

Am 3. Februar sollten die Gäste dann eigentlich das Kreuzfahrtschiff verlassen, sie hatten ihre Koffer bereits gepackt, wollten ihre gebuchten Flüge nach Hause erwischen und zurück in den Alltag. Lutterjohann plante eine weitere Woche Urlaub in Tokio, der Heimat seiner Frau.

Doch das Hotel mussten sie stornieren: „Am dritten Februar hieß es zunächst, dass sich unser Landgang um weitere 24 Stunden verschieben würde.“ Dann wurde bei den Passagieren Fieber gemessen, erste Coronavirusfälle wurden bei den Schiffsgästen nachgewiesen. Am Morgen des 5.Februar änderte sich die Ansage. „Alle mussten auf ihre Kabinen“, berichtet Lutterjohann. Seitdem darf niemand das Schiff verlassen – es sei denn, er oder sie ist infiziert.

Die Bordkabine ohne Fenster.
Die Bordkabine ohne Fenster.

© Martin Lutterjohann

„Die ersten Tage waren noch ganz witzig“, sagt Lutterjohann. „Unser Steward hat darüber gescherzt, dass er von jetzt an unser Gefängniswärter ist.“

Anfangs durften Lutterjohann und die anderen Passagiere ihre Kabinen überhaupt nicht verlassen. Nach drei Tagen verbesserte sich die Situation. „Eine Stunde konnten wir dann in kleinen Gruppen auf das Sonnendeck“, erzählt Lutterjohann, „da läuft man dann auf einem Kunstrasen hin und her.“ Leider vergehe die Zeit dabei sehr schnell.

Sicherheitsabstand von zwei Metern bei Gesprächen

Seit Mittwoch dürfen sie sich täglich eine Stunde auf Deck aufhalten. „Heute ist also ein Festtag“, sagt er ironisch. Obwohl eigentlich ein Sicherheitsabstand von mindestens zwei Metern bei Unterhaltungen gewahrt werden soll, würden sich die Schiffsgäste kaum daran halten, berichtet Lutterjohann. „Es gibt auch niemanden, der mit dem Metermaß da steht und das überprüft.“

[Im Liveblog: Die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus]

Insgesamt sei die Stimmung an Bord sehr locker: Das Internet sei zu Beginn der Quarantäne kostenlos geworden, für eine größere Auswahl an Serien und Filmen auf den Kabinen-Fernsehern wurde gesorgt. Die Eingeschlossenen hätten eine WhatsApp-Gruppe gegründet, in der sie sich Informationen und lustige Fotos zusenden.

Einige hätten sich bereits Bücher oder Farben zum Malen über einen Online-Versandhandel liefern lassen. Einem Bericht der „New York Post“ zufolge hat sich ein australisches Ehepaar per Flugdrohne sogar zwei Weinflaschen bringen lassen.

Die Diamond Princess liegt im Terminal des Hafens von Yokohama.
Die Diamond Princess liegt im Terminal des Hafens von Yokohama.

© Kazuhiro NOGI / AFP

Während die Schiffsgäste in ihren Kabinen von Langeweile geplagt werden, muss das Personal ununterbrochen weiterarbeiten. Drei Mahlzeiten am Tag müssen zubereitet und zu jeder einzelnen Kabine gebracht werden.

[Mehr zum Thema: Dramatischer Appell von Crewmitgliedern der „Diamond Princess“]

Ellenbogen an Ellenbogen muss die Crew in der Küche arbeiten und sich zu viert die sanitären Anlagen teilen. Die Möglichkeit einer Ansteckung sei unter dem Personal sehr hoch, berichtet die „New York Times“.

„Keine Angst, aber mulmiges Gefühl“

Jedem Passagier wurde ein Fieberthermometer ausgehändigt, um täglich zu messen. Falls die Körpertemperatur über 37,5 Grad beträgt, müsse das gemeldet werden, sagt Lutterjohann. Er und seine Frau wurden am Mittwoch auf das Virus getestet und warten nun auf die Ergebnisse.

„Eigentlich haben wir keine Angst, aber irgendwie bekommt man dann doch ein mulmiges Gefühl, wenn man den Test macht“, sagt er, „meine Frau fängt schon an sich Symptome einzubilden.“ Trotzdem, viel mehr Angst habe er davor an Bord zuzunehmen. Immerhin sei das Essen sehr reichhaltig und er hätte kaum eine Möglichkeit sich in seiner kleinen Kabine zu bewegen.

Wenn der Test negativ ausfällt, dürfen er und seine Frau das Schiff aller Voraussicht nach am 19.Februar verlassen. Dann wollen sie ihre Reise nach Tokio nachholen. Ob Lutterjohann ein Buch über seine Erfahrungen an Bord schreiben wird? Wohl eher nicht. Er führe zwar ein Tagebuch, aber so dramatisch sei das schließlich alles nicht. „Es passiert ja eigentlich gar nichts.“

Joana Nietfeld

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