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Drogendealer auf freiem Fuß: Freilassung aus U-Haft wirft weiter Fragen auf

In Brandenburg wurde ein Drogendealer aus der Untersuchungshaft entlassen, weil die Zeit bis zum Prozess zu lang sei, urteilte das OLG. Personalmangel sei Schuld, hieß es. Das stimmt nicht, sagt dagegen Justizminister Ludwig.

Potsdam - Im Land Brandenburg gerät im Fall eines aus der Untersuchungshaft entlassenen mutmaßlichen Drogendealers nun auch das Oberlandesgericht (OLG) selbst in Erklärungsnot. Auf einer Sondersitzung des Rechtsausschusses im Landtag präsentierte Justizminister Stefan Ludwig (Linke) am Montag in Potsdam Personalzahlen, nach denen von einer Überlastung des Frankfurter Landgerichtes keine Rede sein kann. Damit hatte aber das OLG in seinem Urteil die Freilassung des dringend tatverdächtigen Drogendealers trotz Fluchtgefahr begründet. Und auch an den drei Landgerichten gebe es 141 besetzte Stellen, bei einem Bedarf von 137 Stellen.

Alle Richterstellen besetzt

Anders als Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) letzte Woche, der dafür vom Brandenburger Richterbund scharf kritisiert worden war, griff Ludwig das OLG nicht offen an. „Es gibt jährlich 30.000 Strafverfahren im Land Brandenburg“, sagte Ludwig.  Wenn das OLG in einer Haftsache anders entscheide, „müssen wir das hinnehmen.“ Nach den Zahlen sind am Landgericht Frankfurt (Oder) exakt so viele Richter tätig, nämlich 34, wie es auch der Bedarf nach dem für die Gerichtsbarkeit der gesamten Bundesrepublik geltenden System vorsehe. Die Quote liege bei 100 Prozent, sagte Ludwig. Wie das OLG zu der Begründung einer lange bekannten Belastung am Frankfurter Landgericht für die Freilassung des mutmaßlichen Drogenhändlers komme, könne er nicht nachvollziehen. Mit dem Fall sei eine der beiden neuen Strafkammern befasst gewesen, die am Gericht zum 1. Januar 2019 extra eingerichtet worden seien, um es zu entlasten. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) hatte nach internationaler Amtshilfe gegen den Mann schon fünf Monate nach der Verhaftung am 11. Juni Anklage erhoben, wegen schweren Drogenhandels in zehn Fällen. Bei dem Mann waren 60 Kilogramm Heroin mit einem Marktwert in Millionenhöhe gefunden worden.

Zum Aufenthaltsort des Mannes konnte Ludwig keine Angaben machen. Er wies darauf hin, dass das OLG im Urteil keine Meldeauflagen verhängt habe. Der vom OLG gekippte Fahrplan des Landgerichts Frankfurt (Oder) hatte vorgesehen, dass die Hauptverhandlung am 12.November beginnen, ein Urteil noch im November gesprochen werden sollte. Ein früherer Termin sei diesem Senat nicht möglich gewesen, da er ausschließlich für vorrangig zu bearbeitende Haft- und Unterbringungsfälle zuständig ist, so Ludwig. Die Rechtslage ist so, dass die Untersuchungshaft nicht länger als sechs Monate dauern darf, aber Ausnahmen möglich sind.

Über Gerichtsentscheidungen kann diskutiert werden

OLG-Präsident Klaus Christoph Clavee wollte das Urteil der 2. Strafkammer seines Gerichtes nicht bewerten oder kommentieren. „Es ist eine Selbstverständlichkeit und gerechtfertigt, dass über Gerichtsentscheidungen diskutiert werden kann.“ Gleichwohl, so fügte er mit Blick auf die Aussagen Woidkes hinzu, sollten sich Vertreter der 1. und 2. Gewalt zurückhalten, „damit gar nicht erst der Eindruck entstehen kann, Entscheidungen der unabhängigen Justiz beeinflussen zu wollen.“

Die CDU-Opposition machte auch nach der Sitzung die angebliche Überlastung des Frankfurter Landgerichtes für die Freilassung des Straftäters verantwortlich. „Die Regierung Woidke ist ein Sicherheitsrisiko", erklärte die CDU-Abgeordnete Laura Lazarus. Nicht einmal eine Entlastungskammer sei in der Lage, „ein fristgerechtes Verfahren zu gewährleisten“, sagte Danny Eichelbaum, der justizpolitische Sprecher. Es sei nicht der erste Fall dieser Art, sondern „eine Serie.“ Aktuell sitzen nach Angaben des Justizministeriums 25 Verdächtige, die noch nicht in erster Instanz verurteilt sind, länger als sechs Monate in U-Haft. Laut Ludwig könne man daraus nicht folgern, „dass nur einer davon entlassen wird.“

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