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Offen ist, wie die Nutzergruppen mit der neue App umgehen.

© Michael Kappeler/dpa

Update

Corona-App Herunterladen: Die Warn-App des Bundes ist verfügbar – offene Fragen bleiben

Die Corona-Warn-App des Bundes steht jetzt zum Herunterladen bereit. Doch zum tatsächlichen Gebrauch und den hohen Entwicklungskosten gibt es noch Klärungsbedarf.

Die offizielle Corona-Warn-App des Bundes ist am frühen Dienstag zum Download bereitgestellt worden. Im App-Store von Google konnte sie bereits um kurz nach 2 Uhr morgens heruntergeladen werden, bei Apple war sie etwas später auch verfügbar. Nutzer klagten in sozialen Medien über Verzögerungen bei der Verfügbarkeit der App sowie über Probleme beim Herunterladen. In weniger als einer Stunde schienen die Startschwierigkeiten dann überwunden.

Download-Links für die Corona-Warn-App

Die volle Funktionalität der Anwendung soll am Dienstagvormittag nach einer Pressekonferenz der Bundesregierung freigeschaltet werden. Die App soll die Kontaktverfolgung von Infizierten ermöglichen und dadurch die Infektionsketten verkürzen.

Die offizielle deutsche Warn-App für den Kampf gegen das Coronavirus geht damit nach wochenlangen Vorbereitungen an den Start. Das Herunterladen der App soll für alle Bürger freiwillig sein, um mit Hilfe von Smartphones das Nachverfolgen von Infektionen zu erleichtern. Die Regierung wirbt für eine breite Nutzung und verspricht hohen Datenschutz. Forderungen nach einem Gesetz lehnte sie ab. Die Ärzte unterstützen die neue App.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das ist ein sehr sinnvolles Instrument.“ Die App sorge auf einfache Weise dafür, Infektionsketten zu erkennen. „Sie ermöglicht aber auch, persönliche Vorsorge zu treffen - indem man sich bei einer entsprechenden Warn-Meldung testen lassen kann.“ Die App wirke natürlich nur dann, wenn man möglichst viele Menschen fürs Mitmachen gewinne. „Sie würde noch besser wirken, wenn man das System grenzüberschreitend in Europa gangbar machen könnte.“

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Die App soll am Vormittag von Kanzleramtschef Helge Braun (CDU), mehreren Ministern, dem Robert Koch-Institut und den beauftragten Unternehmen SAP und Telekom vorgestellt werden. Sie kann messen, ob sich Handynutzer über eine längere Zeit näher als etwa zwei Meter gekommen sind. Ist ein Nutzer positiv getestet worden und hat dies in der App geteilt, meldet sie anderen Anwendern, dass sie in der Nähe eines Infizierten waren. Kontaktdaten werden nicht - wie zunächst vorgesehen - zentral gespeichert, sondern nur auf den Smartphones. Die Entwicklungskosten betragen rund 20 Millionen Euro.

„Wir reden hier über Grundrechte“

Doch während die Corona-Warn-App endlich genutzt werden kann, rätseln Ärzte und Gesundheitsämter noch, wie sie mit den Ergebnissen umgehen sollen und welcher Beratungs- und Klärungsbedarf eigentlich besteht. „Ich kann mir im Leben nicht vorstellen, dass Gesundheitsämter nur auf Basis der App beispielsweise einen Test anordnen“, sagt Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes. „Eine App kann auch nicht in Quarantäne schicken oder eine Schul- oder Betriebsschließung rechtfertigen – wir reden hier über Grundrechte.“

Vielmehr müssten die Ämter die App-User wie sonst auch genau befragen, etwa, wo sie sich aufgehalten und ob sie einen Mundschutz getragen haben. Da die Software lediglich ein vermutetes individuelles Risiko angibt, aber aus Datenschutzgründen nicht erlaubt, die eigentlichen Kontaktpersonen und Infektionsketten nachzuvollziehen, „werden wir in vielen Fällen mit der Recherche bei null anfangen müssen“. „Durch die Meldungen in der App könnte einiges an zusätzlicher Arbeit auf uns zukommen“, sagt auch der Virologe und Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts, René Gottschalk.

Offen ist auch noch, wie verschiedene Nutzergruppen im Alltag mit der Anwendung umgehen werden, ob sie der App etwa blind vertrauen und möglicherweise andere Schutzmaßnahmen vernachlässigen – oder sich durch ein fortgesetztes Smartphone-Screening belastet fühlen. „Mein Eindruck ist, dass die App beispielsweise psychisch labilen Menschen durchaus ihre Ängste nehmen kann, weil sie Sicherheit verspricht“, sagt der Berliner Psychiater und Sozialmediziner Daniel Ketteler von der Medical School Berlin, der die Anwendung ausdrücklich begrüßt. Allerdings sei klar, dass es sich teils um eine trügerische Sicherheit handele und die App allein noch nicht vor Ansteckung schützt.

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Gesundheit-Apps nutzen Höhergebildete

Generell bekannt ist, dass Gesundheits-Apps eher von besser gebildeten, digital versierten Menschen genutzt werden, die mit der Software auch keinerlei Probleme haben dürften. Anders liege der Fall bei sozial benachteiligten Gruppen, etwa Geflüchteten, „die ohnehin schon Schwierigkeiten haben, das Geschehen zu verstehen und aus Angst vor Stigmatisierung die App möglicherweise nicht nutzen oder eine Warnmeldung ignorieren“, sagt Ketteler.

Dabei erfordert die App – die zunächst nur auf Deutsch und Englisch und erst später in anderen Sprachen wie Türkisch veröffentlicht werden soll – zumindest eine grundlegende Digital-Kompetenz. Wer das Resultat eines Corona-Tests in der App freigeben will, muss den QR-Code des Laborscheins mit dem Smartphone scannen oder sich über eine Hotline der Deutschen Telekom einen Freischaltcode per SMS zuschicken lassen. Dies soll verhindern, dass Trolle nur aus Jux die App mit positiven Ergebnissen füttern.

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Neben solchen praktischen Details gibt es allerdings auch grundsätzliche ethische Fragen: Müssen sich Menschen demnächst rechtfertigen, wenn sie die App nicht nutzen? Was ist, wenn Kinder ohne Wissen der Eltern die Anwendung installieren?

„Ich bin überrascht, dass wir in der Vorbereitung der App zu all diesen Punkten wenig gehört haben“, bemerkt Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen. „Man muss auf die Schwächen und Grenzen der Warn-App hinweisen, wir werden Begleitforschung, ein gutes Beratungsangebot für Nutzer und eine breite Kommunikation über viele Kanäle benötigen“, sagt Zeeb.

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Möglicherweise lässt sich ein App-Effekt angesichts der stark gesunkenen Infektionszahlen gar nicht mehr nachweisen. „Die App kommt etwas spät“, bemerkt Gottschalk. Welche Wirkung sie bei einem erneuten Anwachsen der Epidemie haben könnte, sei schwer zu sagen. Zwar legt eine viel zitierte Modellierungsstudie der Universität Oxford nahe, dass sich eine neue Corona-Welle ausbremsen ließe, wenn 50 bis 60 Prozent der Bevölkerung eine Warn-App nutzen. Auch niedrigere Raten hätten zumindest einen dämpfenden Effekt.

Doch basiert das Modell auf vereinfachten Annahmen – etwa, dass sich alle User bei Warnmeldungen sofort selbst isolieren und nicht auf Erfahrungen mit einer echten App in der Alltagsrealität. Ins Gewicht fällt dabei auch, dass die besonders gefährdeten über 70-Jährigen deutlich seltener ein Smartphone nutzen als der Schnitt. Auf älteren Handys läuft die Corona-Warn-App aus technischen Gründen nicht.

In der Schweiz kostete ähnliche App 1,7 Millionen

Diskussionen könnte es auch weiterhin noch über die Kosten der App geben. Für die Entwicklung der App werden rund 20 Millionen Euro fällig, heißt es aus Regierungskreisen in Berlin. Dazu kommen Betriebskosten in Höhe von 2,5 bis 3,5 Millionen Euro monatlich. Der Großteil davon entfällt auf den Betrieb von zwei Hotlines bei der Deutschen Telekom.

Die Regierung ist damit durchaus zufrieden: Die Kosten für die Software-Entwicklung der Corona-Warn-App des Robert Koch-Instituts bewegen sich damit am unteren Ende der am Anfang prognostizierten Größenordnung in Höhe eines „zweistelligen Millionenbetrags“. Ein Regierungssprecher wollte am Montag jedoch nicht sagen, wie sich die 20 Millionen auf SAP und Telekom aufteilen.

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Nach dem Streit darum, nach welchem Konzept die App entwickelt wird, hatten SAP und Telekom nur noch etwa sechs Wochen Zeit. Um die Abstandsschätzung via Bluetooth zu entwickeln, sind viele Tests nötig. Teuer dürften nach Experteneinschätzungen auch umfangreiche Sicherheitstests gewesen sein. Dass es günstiger geht, zeigt das Beispiel der technisch ähnlichen App in der Schweiz: Dort hatte ein Dienstleister 1,8 Millionen Franken (1,7 Millionen Euro) erhalten, dazu kommt aber noch die Arbeit der federführend beteiligten Hochschulen in Lausanne und Zürich. Hierzulande hatte das Fraunhofer-Institut allein für eine erste Machbarkeitsstudie 600.000 Euro erhalten.

Gegen die hohen Kosten für die Warn-App regt sich in der Opposition Kritik: „Die Bundesregierung ist aufgefordert, die genaue Kostenstruktur detailliert offenzulegen“, sagt der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Frank Sitta gegenüber dem Tagesspiegel. Die Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg (Linke) spricht gar von einer „Hotline zum Gelddrucken“ und „Abzocke“: eine 24-Stunden-Hotline sei unnötig, „niemand muss sich nachts um vier Uhr infiziert melden können“. Schon am Mittwoch dürften diese Fragen im Bundestagsausschuss Digitale Agenda gestellt werden.

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