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ZZF-Chef Martin Sabrow.

© Sebastian Gabsch

ZZF-Chef Martin Sabrow zu den Hohenzollern: „Das Vorgehen greift die Freiheit der Wissenschaft an“

In einem offenen Brief kritisiert ZZF-Chef Martin Sabrow das Vorgehen der Hohenzollern gegen Historiker und Medien.

Potsdam - Sehr geehrter Herr von Preußen, die Auseinandersetzung um das Erbe des Hauses Hohenzollern hat zu einer Entwicklung geführt, die ich als Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit ansehe. 

Die historisch und rechtlich adäquate Scheidung von privatem und öffentlichem Eigentum ist bekanntlich kompliziert. Darüber befinden Sie sich seit einigen Jahren mit dem Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg in Verhandlungen, über die die Öffentlichkeit erst seit dem Sommer dieses Jahres durch eine Reihe von Presseartikeln und Medieninterviews Näheres erfuhr. 

Auf Anfrage nahm auch das von mir geleitete Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) zu den damit verbundenen Fragen Stellung. An ihm tätige Kollegen äußerten sich zu der öffentlich artikulierten Sorge vor einer geschichtspolitischen Einflussnahme des Hauses Hohenzollern, und sie kamen damit der Aufgabe des ZZF als einer führenden Forschungseinrichtung auf dem Gebiet der Zeitgeschichte nach.

Unterlassungserklärung gegen Sabrow und das ZZF

Sie haben daraufhin einen ungewöhnlichen Weg beschritten und neben anderen Fachkollegen und zahlreichen deutschen Medien einen Mitarbeiter des ZZF und mich selbst mit anwaltlicher Hilfe dazu verpflichten wollen, die Vermutung einer beabsichtigten geschichtspolitischen Einmischung des Hauses Hohenzollern nicht mehr öffentlich zu wiederholen. Mit Hilfe eines Unterlassungsbegehrens haben Sie auch die Weiterverbreitung meiner Auffassung zu verhindern versucht, dass die Auseinandersetzung um das Hohenzollernerbe den privatrechtlichen Rahmen sprenge und von Bedeutung für die öffentliche Geschichtskultur unseres Landes sei.

Ich hatte mich in meinen Äußerungen auf das im Berliner Tagesspiegel veröffentlichte Faksimile eines Verhandlungspapiers bezogen, das für das Haus Hohenzollern Mitsprache und Möglichkeit zur Einbringung eigener Vorstellungen fordert. Ihr Anwalt qualifizierte den Tagesspiegel jedoch als eine nicht privilegierte Quelle, der folglich keine fachlichen Kriterien standhaltende Recherche unterstellt werden könne. Meine eigenen Äußerungen bewertet das anwaltliche Unterlassungsbegehren als "unzulässige sogenannte falsche Eindruckserwägungen" und meine Berufung auf das in der Presse abgedruckte Papier als Verstoß gegen die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens: "Auch und gerade bei Ihnen als Historiker sollte doch Sorgfalt, valide Überprüfung von Quellen und daraus resultierend keine vorschnelle Beurteilung eines komplexen Sachverhalts durchaus ein Bestandteil seines Arbeitsethos sein." Das Schreiben Ihres Anwalts vergisst allerdings darauf hinzuweisen, dass das Haus Hohenzollern selbst die Unterlagen zurückhält, deren fehlenden Abgleich es rügt. Ist es übertrieben, eine solche Argumentation als zynisch zu bezeichnen?

Das Vorgehen greift Freiheit der Wissenschaft an

In den vergangenen Tagen haben Sie schließlich über Ihren Anwalt meinem ZZF-Kollegen Dr. Winfried Süß eine einstweilige Verfügung zustellen lassen, die ich nicht ohne öffentlichen Widerspruch hinnehmen kann. Sie bezieht sich auf eine Interviewäußerung, die viele der vom Haus Hohenzollern erhobenen Forderungen für hochproblematisch erklärt. Eine wörtliche Wiedergabe dieses Satzes ist mir verwehrt, da seine Weiterverbreitung mittlerweile mit einem Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten bedroht ist.

Aber ich darf doch meine Empörung zum Ausdruck bringen, dass das Unterlassungsbegehren behauptet, solche Äußerungen seien für den Antragsteller schädigend und würden die Öffentlichkeit mit nur angeblich seriöser Information regelrecht aufhetzen.

Das Schreiben Ihres Anwalts vergisst allerdings darauf hinzuweisen, dass das Haus Hohenzollern selbst die Unterlagen zurückhält, deren fehlenden Abgleich es rügt. Ist es übertrieben, eine solche Argumentation als zynisch zu bezeichnen?

Martin Sabrow

Dieses Vorgehen des Hauses Hohenzollern gegen missliebige Auslassungen von ZZF-Mitarbeitern greift die Freiheit der Wissenschaft an, und es ist geeignet, das Fach Zeitgeschichte einer Unkultur der Einschüchterung auszusetzen. Es droht insbesondere die nicht von universitären und außeruniversitären Institutionen abgesicherten Kolleginnen und Kollegen meines Faches mundtot zu machen, die sich teils seit Jahren auf dieselbe Weise bedrängt fühlen, wie es jetzt dem ZZF widerfährt. 
Ich erwarte von Ihnen, dass Sie die einstweilige Verfügung gegen einen Mitarbeiter des ZZF umgehend zurückziehen und fachhistorische Stellungnahmen zum Umgang mit dem Hohenzollernerbe nicht länger mit juristischen Mitteln angreifen. Mit dieser Feststellung verbinde ich die Hoffnung, dass wir zu einer sachlichen Auseinandersetzung zurückfinden, die vom gemeinsamen Bewusstsein um die historische Verantwortung für das Erbe der Vergangenheit getragen ist.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Martin Sabrow

Hintergrund

Im aktuellen Hohenzollern-Konflikt gehört der Potsdamer Historiker Martin Sabrow zu den Betroffenen, die nach öffentlichen Aussagen über die Rolle des früheren Königshauses im NS-Regime und dessen aktuelle Forderungen gegenüber der öffentlichen Hand – etwa nach Kunstwerken aus Schlossmuseen, einem unentgeltlichen Dauerwohnrecht im Schloss Cecilienhof oder Entschädigungen für frühere Immobilien – Post von deren Anwalt erhielten. Gegen mindestens 30 Medien, Journalisten, Historiker und Politiker aus der ganzen Bundesrepublik sind vom Haus Hohenzollern inzwischen Abmahnverfahren angestrengt worden, teilweise erfolgreich. 

Martin Sabrow

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