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Zwischen Deutschland und Polen: Brücke ohne Bindung

Es war der erste neu gebaute Brücken-Grenzübergang zwischen Brandenburg und Polen seit Jahrzehnten: die „Neißewelle“. Nach drei Jahren wird sie immer noch recht wenig genutzt– oder von den Falschen.

Coschen/Zytowan - „Wir sind kein Sackgassen-Dorf mehr“, sagt Edmund Henze nicht ohne Stolz. Der Ortsvorsteher von Coschen (Oder-Spree) zeigt auf die weiße Brückenkonstruktion, die sich seit drei Jahren wellenförmig über die Neiße schlängelt. Wer dem Weg neugierig folgt, ist jedoch schnell ernüchtert: Auf der östlichen Seite des idyllischen Grenzflusses liegt das polnische Dörfchen Zytowan, noch kleiner und verschlafener als Coschen selbst.

An dem Grenzübergang abseits großer Verbindungsstraßen herrscht bei grobem Hinsehen kaum Verkehr. Henze und die Bäckerfrau Marga Lehmann, deren Geschäft nahe der „Neißewelle“ genannten Brücke liegt, versuchen, das Bild zu korrigieren: „Also morgens und abends ist hier schon was los“, erzählen beide. So stiegen viele im deutschen Grenzgebiet arbeitende Polen am Coschener Bahnhof in den Zug – ebenso wie polnische Schüler, die das Gymnasium im nur 15 Kilometer entfernten Neuzelle besuchen.

Auf einer Strecke von 40 Kilometern der einzige Grenzübergang zwischen Deutschland und Polen

„In der wärmeren Jahreszeit nutzen auch viele Radtouristen den Grenzübergang, um etwa nach Gubin zu fahren und dort erneut die Neiße gen Deutschland zu überqueren“, erzählt Lehmann, die inzwischen sogar polnische Stammkunden hat. Vier Kilometer weiter östlich liege der Borak-See mit tollen Bademöglichkeiten, einem Hotel und einem Restaurant – inzwischen auch Ausflugsziel vieler Deutscher. Zudem ist am Ortseingang von Zytowan, das bis 1945 Seitwann hieß, eine kleine Bungalowsiedlung mit Angelteich entstanden. Lehmann: „Bei schönem Wetter haben die immer Gäste.“

In unmittelbarer Nähe wird an einer neuen Tankstelle gewerkelt, die demnächst fertig werden und dann verstärkt deutsche Kundschaft anziehen soll. Denn Benzin ist im Nachbarland nach wie vor deutlich billiger. „Sicher werden dann ein paar mehr Fahrzeuge kommen, aber was soll’s“, meint der Ortsvorsteher. Er sei von Anfang an für das Brückenprojekt gewesen.

Die Stahl-Beton-Konstruktion war mit großzügiger EU-Förderung an jener Stelle errichtet worden, wo bis 1945 eine Holzbrücke beide Neißeufer verband. Im Landkreis Oder-Spree mit immerhin 40 Kilometern deutsch-polnischer Grenze ist sie die erste und bisher einzige Verbindung Richtung Osten und damit ein Prestigobjekt. Der Verkehr hat sich nach Angaben aus dem Landkreis Oder-Spree stetig entwickelt: Rund 220 Fahrzeuge pro Tag nutzten die schnelle Verbindung über die Grenze, heißt es aus dem Landkreis Oder-Spree.

Vor Kurzem sollen ein Bagger und ein Traktor von der Baustelle verschwunden sein

„Unser polnischer Partner-Kreis Krosno spricht von einer Verbesserung der Lebensqualität seiner Bürger durch die grenzüberschreitende Verbindung“, erzählt der Sprecher der Kreisverwaltung, Mario Behnke. Die Brücke sei Ausgangspunkt für eine gemeinsame wirtschaftliche und touristische Entwicklung.

Coschens Ortsvorsteher hatte sich hingegen mehr versprochen, nämlich einen echten Aufschwung für das Dorf. Stattdessen überwiege der Ärger, meint er. Was ihm und vielen anderen Bewohnern des 350-Einwohner-Ortes nicht gefällt, sind mutmaßlich aus dem Osten kommende Diebe, die die kurze Verbindung über die „Neißewelle“ verstärkt nutzten.

„Einbrüche haben deutlich zugenommen“, stellt Henze fest, ohne Zahlen zu nennen. Erst kürzlich sei ein Bagger von einer Baustelle in Coschen verschwunden, vor Wochen ein Traktor. „Der fuhr eindeutig über die Brücke. Reifenspuren zeigten, dass die Diebe damit sogar einen Grenzpfeiler umgefahren hatten.“

Was den Ortsvorsteher noch mehr auf die Palme bringt: Schon mehrfach habe er sich an die Polizei gewandt, damit die auch nachts verstärkt Streife fährt. „Die Einbrüche betreffen nicht nur uns, sondern auch die Nachbarorte.“ Doch die Ordnungshüter hätten zu wenig Personal, er und seine Amtskollegen würden immer wieder hingehalten. Ohne etwas Kontrolle funktioniere so eine offene Grenze nicht, meint Henze.

„Die Sprachbarriere ist da schon ein echtes Problem“

Vergeblich hatte er beim Bau der Brücke zwei Scheinwerfer beantragt, um sie auf der „Neißewelle“ zu installieren und so zwielichtige Gestalten abzuschrecken. „Was wir inzwischen alles verriegeln und verrammeln, ist Wahnsinn“, ergänzt die Bäckerfrau. Sachen, die nur einen kurzen Moment unbeaufsichtigt wären, seien im Handumdrehen weg.

Echte, freundschaftliche Verbindungen zwischen Coschen und Zytowan gibt es nach Angaben des Ortsvorstehers bislang nicht. „Die Sprachbarriere ist da schon ein echtes Problem“, räumt der 76-Jährige ein. Sein polnischer Amtskollege Kazimierz Nowicki ist Inhaber des einzigen Ladens in Zytowan. Die beiden Männer kennen sich zwar, sprechen allerdings nicht die Sprache des jeweiligen Nachbarn. Bei Begegnungen bleibt es daher nur bei einem gegenseitigen Schulterklopfen, gepaart mit einem freundlichen Lächeln. (dpa)

Jeanette Bederke

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