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Brandenburg: Zum Essen und Liegen gezwungen

Schwere Vorwürfe gegen Kita-Leiterin in Cottbus

Von Sandra Dassler

Cottbus/Potsdam - „An einen solchen krassen Fall kann sich hier niemand erinnern“, sagt Ralph Kotsch. Und dann zählt der Sprecher des brandenburgischen Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport auf, was der Leiterin einer Cottbuser Kindertagesstätte alles vorgeworfen wird: Sie soll die ihr anvertrauten Kinder im Alter zwischen zwei und fünf Jahren immer wieder zum Essen gezwungen haben. Wenn die Kleinen den Mund nicht öffneten, wurde ihnen in die Wangen gekniffen und der Löffel brutal reingezwängt. Wenn Kinder die Nahrung nicht bei sich behielten, soll die Leiterin sie sogar zum Essen des zuvor Ausgespuckten genötigt haben. So, wie es auch in den Kitas in der DDR gemacht worden war.

Die Staatsanwaltschaft Cottbus hat 22 Handlungen gegen zehn Kinder vor dem Amtsgericht Cottbus angeklagt – davon 19 wegen Nötigung, aber auch drei wegen Körperverletzung: Dabei soll die Leiterin Kinder an den Zöpfen beziehungsweise Haaren gezogen und sie beim Mittagsschlaf fixiert haben. Die Kleinen seien in Schlafsäcke so eingeschnürt worden, dass sie sich nicht mehr bewegen konnten. Die Vorfälle sollen sich zwischen Frühjahr 2013 und Sommer 2015 zugetragen haben.

Ab März muss sich die Kita-Leiterin vor Gericht verantworten. Sie hat sich zu den Vorwürfen bislang nicht geäußert, ihr Anwalt wollte auf Anfrage dieser Zeitung zunächst keine Auskunft geben. Er verwies aber darauf, dass Presseberichte, wonach seiner Mandantin vorgeworfen wird, Kinder an Stühle gefesselt zu haben, nicht zutreffen würden.

Angesetzt sind zunächst zwei Verhandlungstage, an denen viele Zeugen gehört werden sollen. Darunter sind auch zwei ehemalige Praktikantinnen, die in der Kita arbeiteten und sich über die Methoden wunderten. Sie erzählten in ihrer Schule davon, die Schule informierte Staatsanwaltschaft und Jugendamt.

Dort war die Kita-Leiterin keine Unbekannte. „Bereits 2008 wurden uns durch ehemalige Mitarbeiter wiederholt Fälle von körperlichen Misshandlungen bekannt“, sagt Ministeriumssprecher Kotsch. Man habe mit verschiedenen Maßnahmen reagiert. So seien vorübergehende Beschäftigungsverbote ausgesprochen worden, alle Mitarbeiter zu Fortbildung in Kleinkindpädagogik verpflichtet und weitere Auflagen erhoben worden.

Dazu gehörte, dass die Kita-Leiterin nicht gleichzeitig Vorsitzende des entsprechenden Trägervereins sein sollte und dass ihre privaten Wohnräume eindeutig von den Unterbringungsräumen der Kinder – die Kita war in ihrem Haus – getrennt sein sollten. Das alles sei immer wieder versprochen, aber nicht eingehalten worden, sagte der Sprecher. Daraufhin sei die Betriebserlaubnis für die Kita widerrufen worden, woraufhin wiederum Besserung gelobt wurde.

Bei einem nicht angemeldeten Überraschungsbesuch am 27. Oktober 2016 durch Mitarbeiter des Ministeriums und Jugendamts habe man festgestellt, dass keine der Auflagen erfüllt worden sei. Daraufhin sei der Kita sofort die Betriebserlaubnis entzogen worden. Nachdem dieser Tage die Widerspruchsfrist abgelaufen war, hatte das Jugendamt die Öffentlichkeit informiert. Sandra Dassler

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