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Brandenburg: Zum Baden kommen nur noch die Berliner Der Rangsdorfer See, Berlins kleine Badewanne, verlandet zusehens. Im Sommer fängt das Gewässer an zu stinken. Helfen könnten vielleicht die Zander

Rangsdorf - Auf den ersten Blick sieht der Rangsdorfer See aus wie ein perfektes Naturidyll. Im Sommer stürzen sich nach wie vor Berliner scharenweise in das scheinbar intakte Gewässer, das seit Jahrzehnten als Berlins kleine Badewanne gilt.

Von Matthias Matern

Rangsdorf - Auf den ersten Blick sieht der Rangsdorfer See aus wie ein perfektes Naturidyll. Im Sommer stürzen sich nach wie vor Berliner scharenweise in das scheinbar intakte Gewässer, das seit Jahrzehnten als Berlins kleine Badewanne gilt. Nur die Einheimischen gehen lieber an den benachbarten Kiessee baden, weiß Rangsdorfs Bürgermeister Klaus Rocher (FDP). „Da ist die Wasserqualität einfach besser.“ Schon seit Jahren gilt der rund 272 Hektar große See rund zehn Kilometer Luftlinie von der Berliner Stadtgrenze entfernt als Sorgenkind. Erst 2010 kam es zu einem Fischsterben von besonders großem Ausmaß. Danach war es kurze Zeit etwas besser. Mittlerweile aber ähnelt der Zustand wieder dem von früher: Gerade mal noch 30 Zentimeter beträgt die Sichttiefe, vor allem im Sommer fängt der See an zu stinken und irgendwann könnte es ganz mit dem Badespaß vorbei sein, denn – der See verlandet zusehens.

Für Roy Riedel, CDU-Gemeindevertreter und Vorsitzender des örtlichen Anglervereins, steht fest: Es muss endlich was passieren. „Das ist unser wichtigstes Naherholungsgebiet. Deswegen muss der See erhalten werden“, fordert der Lokalpolitiker und Anglerlobbyist. Doch was genau zu tun ist, darüber herrscht kollektive Unklarheit in Rangsdorf. Riedel und der Umweltbeauftragte des Anglervereins Jürgen Enderlein sind der Meinung, der im Schnitt nur noch zwei Meter tiefe See müsse dringend ausgebaggert werden, wie früher zu DDR-Zeiten. „Bohrungen haben ergeben, dass erst in 32 Metern Tiefe eine harte Gesteinsschicht beginnt. Acht bis neun Meter ausbaggern wäre schon ganz gut“, findet Enderlein. Was das am Ende kosten könnte, weiß weder Enderlein noch Riedel.

Solange das Kernproblem des Sees nicht gelöst sei, bringe das Ausbaggern gar nichts, meint Matthias Freude, Präsident des brandenburgischen Landesamtes für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV). „Die Belastung mit Phosphor ist im Rangsdorfer See fünfmal so hoch wie bei einem vergleichbaren Gewässer im Land.“ Entsprechend stark sei eben die Bildung von Algen, die sich später mit anderem organischen Material am Boden des Sees ablagern. „Die Schlammauflage ist bereits bis zu 15 Meter dick. Das ist richtig viel.“ Mit einer Sichttiefe von nur noch 30 Zentimetern sei der Rangsdorfer See der zweittrübste im ganzen Land, nach dem Gehronsee bei Gransee.

Eingebracht wird das Phosphor Freude zufolge über den Glasowbach, den einzigen größeren Zufluss in den Rangsdorfer See. Vermutlich stammen die Verunreinigungen vor allem aus der Landwirtschaft, so der LUGV-Präsident. Immerhin würden 57 Prozent der Flächen im Einzugsgebiet landwirtschaftlich genutzt.

Ein gesunder See ist nicht nur für die Lebensqualität der Rangsdorfer wichtig, sondern auch für den örtlichen Tourismus. Das Hotel Seebad-Casino etwa, ein Vier-Sterne-Traditionshaus, wirbt auf seiner Internetseite mit zahlreichen romantischen Aufnahmen des eigentlich kränkelnden Gewässers und der glanzvollen Vergangenheit von Rangsdorf als kleine Badewanne der nahen Großstadt. In den 1930er-Jahren wurde die Gemeinde sogar das „Lido südlich von Berlin“ genannt. Erst vor knapp drei Jahren haben die Gemeindevertreter einen Entwurf für eine umfangreiche Aufwertung des Strandbades in Auftrag gegeben. Vorgesehen ist unter anderem die Instandsetzung des alten Seebad-Gebäudes mit Kegelbahn, neue Grünflächen, Imbissbude, ein Eiscafé und der Neubau einer Bühne. Gesamtkosten laut Entwurf: 1,2 Millionen Euro. Als erstes soll jetzt das alte Seebad-Gebäude in Angriff genommen werden, die Baugenehmigung ist bereits erteilt.

Erst Mitte Mai wurde der schlechte Zustand des Sees auch von externen Experten bestätigt. Eine Geologin des Landschaftsplanungsbüros Terra Urbana mit Sitz in Zossen und Premnitz kam zum Schluss, dass es bereits mehrere „tote Zonen“ im See gibt, in denen es keinen Sauerstoff mehr gebe, Leben deshalb dort nicht mehr möglich sei.

Absurderweise erwies sich gerade fehlender Sauerstoff vor gut vier Jahren als Segen für die Wasserqualität des See. Wegen anhaltend langer Niedrigtemperaturen war das Gewässer im Winter 2009/2010 lange zugefroren. Das führte zu einer extremen Sauerstoffarmut im gesamten See. Die Folge: ein großes Fischsterben. Mehr als 300 Tonnen tote Fische, vor allem asiatische Silberkarpfen, die in der DDR eingesetzt worden waren, mussten aus dem See geborgen werden. Kostenaufwand: rund 40 000 Euro. Danach allerdings wurde das Wasser wieder klar. „Die kleinen Algen, die das Wasser trüben, haben klassische Feinde: Wasserflöhe und ihre Verwandten. Die vielen Silberkarpfen im See hatten aber alle Filtrierer gefressen“, erläutert LUGV-Präsident Freude. „Mittlerweile aber haben Plötzen, Rotfedern und andere Weißfische die Arbeit der Karpfen übernommen. Eine Möglichkeit wäre es, große Zander in den See einzusetzen, die die Weißfische fressen“, rät er. Der Impuls für eine wie auch immer geartete Lösung müsse aber von der Kommune ausgehen, dann könne man auch über eine Förderung reden, so Freude.

Bürgermeister Rocher wiederum verweist auf die Stadtverordneten wie zum Beispiel Anglerfreund Riedel – und auf die knappe Gemeindekasse. Schließlich müsse Rangsdorf wegen des enormen Zuzugs jährlich rund 20 neue Kitaplätze schaffen, zudem seien von insgesamt 80 Kilometern Straße in der Gemeinde 35 Kilometer noch immer Sandpisten. „Machen kann man viel, dann muss man aber auf andere Dinge verzichten“, sagt Rocher. Zumindest alle Fakten zum Zustand des Sees will der Rathauschef jetzt zusammentragen lassen und eine Diskussion in Rangsdorf anschieben. „Entscheiden aber müssen die Gemeindevertreter.“

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