zum Hauptinhalt

Brandenburg: Zukunft ungewiss

Bis zu 6000 Prostituierte arbeiten im Grenzgebiet / Ein EU-Projekt zur Aids-Prävention geht jetzt zu Ende

Frankfurt (Oder) - Viele kommen mit dem Touristenvisum und bleiben nur wenige Wochen. Ihr Arbeitsplatz: Die Wälder um Slubice, Lkw-Parkplätze, einfache Wohnungen in Frankfurt an der Oder, auf polnischer Seite auch Bordelle. Zwischen 5000 und 6000 Frauen arbeiten nach Schätzung des Streetworkprojekts Bella Donna e.V. aus Frankfurt (Oder) als Prostituierte im Grenzgebiet zwischen Brandenburg und Polen. Sie stammen aus der Ukraine, Weißrussland, Russland, Moldawien, Bulgarien, Rumänien oder Polen. Ihre Freier sind überwiegend deutsche Männer.

Seit 1990 helfen Waclawa Haake und ihre sieben Kolleginnen von Bella Donna den Sexarbeiterinnen im Grenzgebiet: Dreimal pro Woche gehen sie auf die Straße und sprechen mit den Frauen. Sie begleiten die Frauen zu Ämtern, organisieren Dolmetscher, besuchen sie in Haftanstalten, stärken Netzwerke zwischen Frauen gleicher Nationalität und betreiben Aids-Prävention. „Durch die ständige gesundheitliche Aufklärungs- und Präventionsarbeit hat sich das Gesundheitsverhalten der Prostituierten deutlich verbessert“, sagt Haake.

Ob die Arbeit in der Form weitergeführt werden kann, ist momentan allerdings unklar. Denn unterstützt wurde Bella Donna in den vergangenen drei Jahren auch durch EU-Mittel: Die Region Brandenburg/Lubuskie, in der Bella Donna arbeitet, ist eine von vier Modellregionen des EU-Projektes „Bordernet“. Das Gemeinschaftsprojekt von Deutschland, Italien, Österreich, Polen, der Slowakei und Slowenien wird jetzt nach drei Jahren Laufzeit beendet. Heute und in den kommenden Tagen treffen sich die Projektteilnehmer zur Abschlusskonferenz im polnischen Zielona Góra. Eine weitere EU-Finanzierung der Präventionsarbeit im Grenzgebiet wurde bereits abgelehnt, erklärt Sabine Kaschubowski vom Potsdamer Aids-Hilfe e.V., die Bordernet in Brandenburg koordiniert hat.

„Es wäre total idiotisch, jetzt aufzuhören“, sagt sie. Denn das Bordernet-Projekt unterstützte nicht nur Bella Donna. Auch polnische Ärzte konnten für die Aids-Prävention gewonnen werden. Keine leichte Arbeit, wie Kaschubowski erzählt: Im zentralistischen Gesundheitssystem sind die Zuständigkeiten genau geregelt. Einzelne Ärzte trotzdem für die Mitarbeit zu bewegen, war nicht einfach. Und auch wenn der geplante Testpunkt in Slubice gescheitert ist: Die kontinuierliche Datenerfassung sexuell übertragbarer Krankheiten wurde angestoßen.

Als großen Erfolg wertet Kaschubowski die Einrichtung eines Testpunktes im Frankfurter Gesundheitsamt zusammen mit Bella Donna: Dort können sich die Frauen kostenlos, anonym und „arbeitsnah“ testen lassen, erklärt sie. Bisher war das kaum möglich: Denn in der Region Lubuskie gibt es nur zwei Teststellen, erklärt sie. Ein auf Aids spezialisiertes Krankenhaus gibt es erst in Szczecin/Stettin. Seit Bordernet will nun das Krankenhaus in Zielona Góra eine HIV-Station aufbauen. „Der Zugang zu den Tests und Ärzten ist für die Frauen sehr schlecht“, sagt Kaschubowski.

Das liegt aber auch daran, dass viele Prostituierte als „Arbeitslose“ oder „Touristinnen“ aus dem polnischen Krankenversicherungssystem fallen. Im Fall einer Erkrankung müssen sie ihre Medikamente selbst bezahlen: Eine Investition, die sich die Frauen oft gar nicht leisten können. „Der Wissensstand zu sexuell übertragbaren Krankheiten ist da“, sagt Sabine Kaschubowski. Das hat auch eine Umfrage unter 90 Frauen ergeben. Aber Wissen und Tun sind zwei Dinge: Die finanzielle Notlage mache viele Frauen erpressbar. Für zehn Euro mehr verzichten sie auf das schützende Kondom.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false