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Wegen der Schließungen von Schlachtgroßbetrieben bleibt das Vieh nun länger in den Ställen. 

© Patrick Pleul/dpa-Zentralbild

Züchter in der Coronakrise: Brandenburg wird seine Schweine nicht los

Auf Brandenburgs Schweinezüchter könnte mit der Tönnies-Krise ein Problem zukommen: ein Ferkelstau, der viel Geld kostet.

Von Sandra Dassler

Brandenburg - Brandenburgs Schweinezüchter kommen aus dem Krisenmodus nicht mehr heraus. Schon seit Monaten fürchten sie, dass die hoch infektiöse und für Schweine tödlich verlaufende Afrikanische Schweinepest (ASP) zu ihnen eingeschleppt wird. Genauer gesagt: von Wildschweinen aus Westpolen über die Grenze getragen oder von Fernfahrern aus Südosteuropa mitgebracht wird, die ihre kontaminierten Wurstbrote an den Autobahnraststätten (zu) achtlos entsorgen. Die Gefahr sei durch die Grenzöffnungen weiter gestiegen, befürchten Experten.

Nun kommt allerdings noch ein weiteres Problem hinzu: Durch den Corona-Ausbruch bei Deutschlands größtem Fleischverarbeiter Tönnies in Gütersloh entsteht nach Aussagen des Vorsitzenden des Landesbauernverbands (LBV), Henrik Wendorff, ein Absatzstau, besonders bei Schweinen.

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„In Brandenburg werden ja vor allen Ferkel auch für die Mast in anderen Bundesländern produziert“, sagte LBV-Sprecher Tino Erstling am Donnerstag: „Wenn die Halter dort ihre schlachtreifen Schweine nicht loswerden, können sie auch keine neuen Ferkel aufnehmen und unsere Bauern bleiben auf ihren Tieren sitzen.“ Allein im vergangenen Jahr wurden in Brandenburg etwa eine Million Ferkel geboren, schätzt der Landesbauernverband.

Die Tiere werden schlichtweg zu fett

Aber auch die schlachtreifen Schweine aus Brandenburg werden oft nicht im eigenen Bundesland, sondern anderswo wie etwa in Gütersloh verarbeitet. Können sie wegen mangelnder Kapazitäten dort nicht wie geplant abgenommen werden, kostet das mehr Futter und verschlechtert den Preis. Denn der ideale Zeitpunkt für die Schlachtung eines Schweins stehe fest, sagt Tierhalter Robert Hagemann aus der Prignitz: „Es sollte 190 Tage alt sein und etwa 120 Kilo wiegen. Wenn es nur eine Woche länger im Stall bleibt, legt es mehrere Kilo zu, was der Fleisch-Qualität schaden kann.“ Die Tiere werden schlichtweg zu fett.

Für Hagemann, der seit einem Vierteljahrhundert Schweine mästet, ist der Corona-Ausbruch bei Tönnies keine Überraschung. „Da arbeiten sehr viele Menschen dicht an dicht“, sagt er: „Da hätte auch die Politik längst Vorgaben machen müssen, wie man das Risiko minimieren und die Aufrechterhaltung des Betriebs garantieren kann.“ 

Halbierte Schweine hängen im Schlachthof.
Halbierte Schweine hängen im Schlachthof.

© Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Versagen der Politik

Das Versagen der Politik in Sachen Schlachthöfe habe allerdings schon viel früher begonnen, klagt der Bio-Landwirt und Geschäftsführer des Bauernbundes Brandenburg, Reinhard Jung: „Jetzt rächt sich, dass die Bundesregierung und das Bundeskartellamt weggesehen haben, als deutschlandweit immer mehr kleine Schlachthöfe schließen mussten und dafür riesige Monopolbetriebe entstanden. Deshalb setzt sich der Bauernbund seit Jahren für eine mittelständische, regionale Schlachthofstruktur ein.“ Der größere Landesbauernverband will ebenfalls mehr Schlachthöfe, allerdings sollten es Medienberichten zufolge „Großschlachtwerke“ sein. Die kleinen Betriebe reichten nicht aus, um die Menschen in Brandenburg und den riesigen Markt Berlin zu versorgen. 

Dass die Landesregierung weiteren „Großschlachtwerken“ zustimmt, ist allerdings nicht zu erwarten. Im Gegenteil: „Wir haben ja sogar im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass wir mehr Schlachthöfe brauchen, aber das sollten kleinere, regionale sein“, sagt Sprecher Dominik Lenz vom brandenburgischen Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz. Das hat nach den Corona-Ausbrüchen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen bereits unangekündigte Kontrollen der Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften unter den Bedingungen der Corona-Pandemie in der Fleischverarbeitung begonnen. In Brandenburg gibt es insgesamt 138 zugelassene Schlachtbetriebe, davon haben 47 mehr als 20 Beschäftigte, aber nur drei zwischen 250 und 499.

"Die töten da 20.000 Schweine am Tag – das ist Wahnsinn“

Auch Brandenburgs Umweltministerium setzt auf kleinere, regionale Schlachtkapazitäten. Damit könnten „Lieferketten besser verfolgt und regionale Herkünfte von Fleischerzeugnissen gewährleistet werden“, sagte Sprecherin Frauke Zelt: „Hier besteht die Chance, die Arbeitsbedingungen für die Menschen zu verbessern, aber auch Tiertransporte und damit Tierleid zu vermeiden.“ Bio-und Ökolandwirt Bernd Schulz aus Gömnigk bei Brück findet das richtig. „Riesenschlachthöfe sind keine Alternative. Die töten da 20.000 Schweine am Tag – das ist Wahnsinn“, sagt er. Schulz hat seine Tiere immer im Freiland gehalten, seine Nachfolgerin macht das auch heute noch so – trotz der Afrikanischen Schweinepest. „Angeblich haben Freilandschweine ein höheres Risiko, sich von Wildschweinen anzustecken, aber das glaube ich nicht“, sagt Schulz: „Erstens haben wir das Gelände gut gesichert und zweitens haben unsere Schweine durch den Aufenthalt im Freien ein sehr gutes Immunsystem.“

Letzteres scheint auch auf die brandenburgischen Wildschweine zuzutreffen. Selbst Experten ist es nämlich ein Rätsel, warum das ASP-Virus zwar immer wieder bei verendeten Keilern und Bachen in Westpolen nachgewiesen wird, aber bisher noch nicht im nur wenige Kilometer entfernten Deutschland.

„Vielleicht haben wir tatsächlich bislang auch ein Quentchen Glück gehabt“, sagt die Sprecherin des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tierseuchen, Elke Reinking: „Möglicherweise hat auch der mobile Elektrozaun, den Brandenburg an der Grenze zu Polen als Barriere für die Wildschweine errichten ließ, geholfen.“ Die Gefahr eines Übergreifens der Tierseuche sei allerdings weiterhin sehr hoch. „In den vergangenen zwei Monaten gab es allein in Westpolen einen Ausbruch in einem Hausschweinbestand und 149 nachgewiesene Infektionen bei Wildschweinen, davon 33 in den letzten beiden Wochen.“ Deshalb will Brandenburg nun den mobilen Zaun zumindest im Landkreis Spree-Neiße durch einen „festen Zaun“ ersetzen.

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