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Zu Besuch in der Flutungszentrale: Baden im Bergbauloch

Stillgelegte Lausitzer Kohlegruben sind schon zu rund 85 Prozent mit Wasser gefüllt. Sie sollen Touristen locken. Wie das gehen soll:

Senftenberg - Anne-Kathrin Dydymski blickt auf einen der vielen Bildschirme vor sich. In diesem Moment fließen – sorgsam überwacht – große Wassermengen in künstliche Seen in der Lausitz. Aus stillgelegten Braunkohle-Tagebauen in Sachsen und Brandenburg wird eine Seenlandschaft. Kanäle verbinden die Gewässer, eine ganze Region wandelt ihr äußeres Bild. Einige der riesigen Löcher sind schon gefüllt – und fertig ist der Badesee. Der Tourismus verspricht sich Effekte.

In der Flutungszentrale des staatlichen Bergbausanierers Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) im südbrandenburgischen Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz) wird der Flutungsvorgang geplant, überwacht – und wenn nötig wird auch eingegriffen. Anne-Kathrin Dydymski ist Teil dieses Teams. Die Bergbauingenieurin wertet Daten von Messstellen aus und stimmt sich mit den zuständigen Wasserbehörden ab. „Jede Woche wird eine aktuelle Steueranweisung erstellt“, sagt sie. Das sind modellgestützte Berechnungen, wie viel Flusswasser voraussichtlich in die Seen geleitet werden kann.

Weltweit ohne Vorbild

Die Flutung von früheren Tagebauen gibt es auch in anderen Bergbauregionen. Was an der Lausitz besonders ist? „Der schlagartige Rückgang der Rohkohlenförderung nach der Wende“, sagt LMBV-Technikleiter Eckhard Scholz. Die DDR hatte enorm auf Braunkohle als Energieträger gesetzt und deshalb gab es besonders viele aktive Gruben. Dutzende wurden nach der Wende innerhalb kurzer Zeit stillgelegt. „In dieser Größenordnung gab es das bislang in keiner anderen Region“, betont Scholz. Weltweit habe es kein Vorbild gegeben, auf das man bei der Entwicklung eines Flutungsmanagements hätte zurückgreifen können. Heute wird in der Lausitz noch in vier Gruben Braunkohle gefördert.

Seit dem Jahr 2000 gibt es die Flutungszentrale. Aus den Flüssen Neiße, Spree und Schwarze Elster wird vor allem auf sächsischem Gebiet Wasser entnommen. Ohne die Flutung bräuchte es 80 bis 100 Jahre, bis ein Tagebau allein durch Grundwasser und Regen gefüllt wäre, ergänzt Scholz. Geflutet wird allerdings nur, wenn die Voraussetzungen am jeweiligen Tag stimmen. Denn Schifffahrt, Braunkohlekraftwerke und die Fischereiwirtschaft etwa dürfen nicht beeinträchtigt werden, wie der Technik-Leiter beschreibt.

Weniger Flut in trockenen Jahren

Und das Wetter muss auch passen. Gibt es zum Beispiel ein sehr trockenes Jahr, wird weniger geflutet. Die Wasserarmut in der Lausitz machte laut LMBV die Bildung der Flutungszentrale erforderlich. Denn in der Lausitz sei es trockener und es gebe mehr Wasserarmut als etwa im Rheinland, sagt Scholz. Im Rheinland liegt Deutschlands größtes Braunkohlerevier.

Ende 2017 waren den Angaben zufolge rund 85 Prozent der benötigten Wassermengen bereits in den Lausitzer Seen. Dennoch wird es noch einige Jahre brauchen, bis die Flutung komplett abgeschlossen sein wird. Die gesamte Wasseroberfläche im Lausitzer Seenland beträgt bisher ungefähr 130 Quadratkilometer. Am Ende werden es 144 Quadratkilometer sein. Zum Vergleich: Der Bodensee in Süddeutschland hat eine Fläche von mehr als 500 Quadratkilometern.

Beinahe fertig befüllt

Im Jahre 2000 waren für die stillgelegten Tagebaue noch sieben Milliarden Kubikmeter Wasservolumen als Defizit für den aufzufüllenden Grundwassertrichter und die Tagebaurestlöcher aufgelistet. Die Zahl ist seither stark geschrumpft. Jetzt sind es noch rund 330 Millionen Kubikmeter. Auch das heißt: Das Lausitzer Seenland ist fast gefüllt.

Für 16 Seen ist die Flutung sogar schon abgeschlossen. In der Region begleitet die LMBV den Flutungsprozess von 30 künftigen Seen. Aktuell wird zum Beispiel der Großräschener See in Südbrandenburg geflutet. Dort hat sich längst Hotellerie angesiedelt und es gibt sogar Weinanbau an den Hängen des Sees. In diesem Jahr soll die Flutung abgeschlossen sein. Für den Altdöberner See in Südbrandenburg ist das Flutungsende aber zum Beispiel erst für 2026 geplant.

Lausitzer Seenland bei Touristen attraktiv

Der Tourismus verspricht sich viel vom Wandel. Der Tourismusverband Lausitzer Seenland, der 2012 gegründet wurde, verzeichnet jedes Jahr mehr Übernachtungszahlen – derzeit seien es jährlich 600.000 in beiden Bundesländern. Die Touristen kommen vor allem aus Sachsen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, zudem stammen inzwischen rund 10 Prozent der Gäste aus Tschechien, wie Verbands-Geschäftsführerin Kathrin Winkler sagt.

Der Verband vermarktet zahlreiche Bergbaufolgeseen in der Region als touristische Ziele. In zwölf Seen sei es mittlerweile möglich zu baden, ergänzt Winkler. Aber nicht nur damit wolle der Verein werben. Es gehe auch darum, Touristen anzuziehen, die sich für Landschaftswandel interessieren. Momentan sei es noch möglich, den Prozess mitzuverfolgen. (dpa)

Anna Ringle

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