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Umstritten. Der Landesvorsitzende und Fraktionschef der Brandenburger AfD, Andreas Kalbitz, 2017 bei einer Kundgebung seiner Partei in Frankfurt (Oder).

© M. Gambarini/dpa

Zu Besuch im HDJ-Pfingstlager: Die Verstrickungen des Andreas Kalbitz

Die Verbindung des AfD-Landeschefs zur verbotenen Nazi-Organisation HDJ ist offenbar enger als er zugibt.

Potsdam - Andreas Kalbitz, der Chef der Brandenburger AfD und der Landtagsfraktion, brachte nur mit Mühe einen geraden Satz vor der Kamera des rbb heraus. Die Journalistin Andrea Röpke hatte für den Sender und die Zeitschrift „Blick nach rechts“ (BNR) herausgefunden, dass Kalbitz im Jahr 2007 bei einem Pfingstlager der Nazi-Organisation „Heimattreue Deutsche Jugend“ – kurz HDJ – war, die in der Tradition der Hitler-Jugend steht. Es ist ein neues Detail, wieder einmal, über seine Verbindungen zur rechtsextremistischen Szene.

Kalbitz also erklärt sich, als er mit Fotos von damals konfrontiert wird, die ihn mit Lederhose und militär-grünem T-Shirt in dem HDJ-Lager zeigen. „Der Kontext war, dass man weiß, dass man erfahren hat, es gibt da eine Organisation, die sich für Jugendarbeit interessiert und da was macht in die Richtung. Das hat mich mal generell interessiert, wie ich mich bei vielen anderen Gelegenheiten auch informiert habe. Das habe ich da auch getan.“

Auf dem Hof eines NPD-Mannes

Nur informiert? Bei der HDJ? Wie kann das sein? Die HDJ war eine verschworene Gemeinschaft, zahlreiche Führungskader waren in Brandenburg aktiv. Und das Pfingstlager galt als Höhepunkt des Jahres für die HDJ. 200 Teilnehmer, ganze Familien mit Kindern, waren es damals in Eschede auf dem Hof eines NPD-Mannes. Es war eine verschworene Gemeinschaft, die sich als paramilitärische Elite verstand, als „politische Soldaten“ mit Drill und ideologischer Schulung für die Jüngsten - Rassenkunde, Hitler-Verehrung, Antisemitismus, Blut- und Boden-Ideologie und NS-Brauchtum.

Die HDJ gilt als extremistisch 

Damals wurde das Lager laut BNR kurzfristig aus Hessen nach Eschede verlegt. Die Polizei untersagte das Tragen der HDJ-Uniformen. Schon damals hatten die Behörden die Gruppe als höchst gefährlich und extremistisch eingestuft. Eine maßgebliche Rolle spielte damals Brandenburgs Verfassungsschutz. Und die HDJ war streng nach dem Vorbild der Hitler-Jugend ausgerichtet. Die Vorgängerorganisation der HDJ, die Wiking Jugend, war 1994 verboten worden. Die Mitglieder waren mit der NPD eng verbandelt, viele machten in militanten Kameradschaften mit.

Davon aber will Kalbitz, einst Fallschirmjäger der Bundeswehr, nichts gewusst haben. Obwohl die HDJ selbst in ihrer Vereinspostille später davon berichtete. Obwohl Nachrichten nur in geheimen Chats ausgetauscht wurden. Obwohl die HDJ-ler ihr Lager selbst streng bewachten – auch vor Journalisten. Er sei Gast gewesen auf Informationsbesuch und habe das Lager aber eher als uninteressant empfunden, sei deshalb nicht bei der HDJ aktiv geworden. Ihm sei damals nicht klar gewesen, dass der Verein vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft war. Zugleich bekräftigte er, dass der Besuch nichts an seinem Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung ändere.

Die HDJ steht auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD

Der Satz ist wichtig. Schließlich wurde die HDJ 2009 vom Bundesinnenministerium verboten wegen ihrer „dem Nationalsozialismus wesensverwandten Ideologie“ und einer „aktiv-kämpferischen, aggressiven Grundhaltung“ gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, auch weil sie Jugendliche zu „fanatischen nationalistischen Freiheitskämpfern“ erziehen wollte. Zudem steht die HDJ auf der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der AfD-Bundespartei: Darauf steht auch die HDJ. Wer dort Mitglied war, darf nicht bei der AfD mitmachen. Einerseits.

Andererseits ist das längst nicht mehr haltbar, Kalbitz Äußerung nicht mehr als eine Ausrede. Tatsächlich sind die Dämme längst gebrochen, die AfD komplett offen gegenüber Neonazis. Bis Oktober war für die AfD-Fraktion im Landtag auch ein ehemaliges HDJ-Mitglied tätig. Bei der HDJ war er 2004 zuständig für die Abteilungen Beschaffung und Technischer Dienst.

Mit Holocaust-Leugerin auf der Liste

Auch zu Kalbitz gibt es weitere Details. Bekannt ist, dass er Autor für rechtsextreme Publikationen wie das Vereinsblatt der „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ war. Und er leitete einen von Nazis, SS-Offizieren und NPD-Funktionären gegründeten Kulturverein. Erst als das 2015 publik wurde, gab er den Vorsitz auf. Neu ist: Laut BNR taucht Kalbitz auf einer jetzt gefundenen Mitgliederliste der „Aktionsgemeinschaft der Deutschland Liebenden“ (ADL) aus dem Jahr 2002 auf. Daneben stehen auch die Namen anderer Rechtsextremisten und Holocaust-Leugner wie Ursula Haverbeck.

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