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Minister im Zeugenstand. Justizminister Stefan Ludwig (Die Linke) wurde auf Antrag der CDU im NSU-Untersuchungsausschuss gehört. Der ebenfalls geladene ehemalige Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) erschien wegen einer Erkrankung nicht.

© Bernd Settnik/dpa

Brandenburg: Zeuge Bumerang

Enttarnte Justizminister Stefan Ludwig damals V-Mann „Piatto“? Er sagt Nein – und hat selbst Fragen

Potsdam - Und dann drehte Stefan Ludwig, Justizminister in Brandenburg, Linke-Parteibuch, den Spieß plötzlich um. Er sei  „unangenehm berührt“ gewesen, was in den Akten des Verfassungsschutzes über ihn zu lesen war, sagte Ludwig, der im Kreuzverhör durch den CDU-Obmann Jan Redmann ruhig geblieben war. „Ich bin überrascht, was sich über mich als PDS-Landtagsabgeordneten und stellvertretenden Landesvorsitzenden der PDS – die nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wurde – in den Unterlagen fand.“ Er sei damals schließlich auch Vize-Mitglied der G10-Kommission des Landtages gewesen, die Abhörmaßnahmen des Nachrichtendienstes genehmigen muss. Er habe gedacht, „dass Abgeordnete den Verfassungsschutz kontrollieren und nicht umgekehrt.“

Tatsächlich ist der Vorgang brisant, der am Freitag bei der Vernehmung Ludwigs im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtages publik wurde. Denn danach hatte der Verfassungsschutz des Landes im Jahr 2000 – Innenminister war seit Oktober 1999 der Berliner Ex-Senator Jörg Schönbohm (CDU) – eine Informantin in der linken Szene von Königs Wusterhausen, und zwar nahe am PDS-Abgeordneten Ludwig, die dem Geheimdienst schon mal über eine parlamentarische Anfrage berichtete, die der Abgeordnete vorbereitete. Spätestens damit wurde die Vernehmung des Justizministers für die Union, die sie erzwungen hatte, zum Bumerang. Die CDU wollte nachweisen, dass er es angeblich gewesen sein soll, der im Jahr 2000 gegenüber dem „Spiegel“ den V-Mann „Piatto“ enttarnte. Also Carsten Szczepanski, dem wegen versuchten Mordes verurteilten Rechtsextremen, der von 1994 bis zur Abschaltung dem Verfassungsschutz Interna aus der rechtsextremen Szene lieferte, auch einen Hinweis auf das spätere NSU-Trio. Dass es Ludwig gewesen sein soll, hatten Neonazis schon damals versucht, in der Szene zu streuen, in einem Kampfblatt „Foiersturm“, auf das sich die CDU auch bezog. Zum anderen vertrat Redmann die Hypothese, dass Ludwig 2000 bei einem Kontakt mit dem Verfassungsschutz erfahren habe, dass Szczepanski V-Mann gewesen sei und es dem „Spiegel“ verraten habe. Würde es stimmen, dann hätte der Verfassungsschutz unter CDU-Politiker Schönbohm dem PDS-Oppositionsabgeordneten seine Top-Quelle verraten.

Und Ludwig? Wie jeder Zeuge über die Strafbarkeit von Falschaussagen belehrt, sagte er dazu aus: Dass Szczepanski V–Mann gewesen sei, habe er erst nach der Veröffentlichung des „Spiegel“ erfahren. Richtig sei, dass er mit dem „Spiegel“, wie auch mit dem Tagesspiegel und anderen Medien, mehrmals Kontakt gehabt habe, wegen der „bedrohlichen“ Lage in Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald). Seit 1990 war Ludwig Abgeordneter der PDS im Landtag, er war rechtspolitischer Sprecher. Er stand auf der Zielscheibe militanter Neonazis, die in den 90er Jahren seine Heimatstadt „KW“ dominierten. Die Glatzen seien dort die „Ordnungsmacht“ gewesen, schilderte Ludwig, der mit seiner Familie damals selbst unter Polizeischutz stand. Auslöser war eine Drohung per Postkarte aus Schweden, die Brandenburgs Sicherheitsbehörden ernst nahmen. Er wurde als „gefährdete Person“ eingestuft.

Ob er damals mit dem Verfassungsschutz sprach? Redmann hakte immer wieder nach. Wegen der Bedrohung von ihm und seiner Familie nicht, antwortete Ludwig. An die damalige Lage in Königs Wusterhausen könne er sich daran nicht erinnern, wolle es aber auch nicht ausschließen, sagte er. Er blieb vage. Tatsächlich zitierte Redmann aus einem Aktenvermerk, dass es ein Gespräch mit dem damaligen Verfassungsschutz-Referatsleiter Jörg Milbradt gegeben hatte. Es wurde noch ein  Zeuge gehört. Es war Eike Lancelle, damals CDU-Staatssekretär unter Schönbohm in der noch jungen SPD/CDU-Regierung, die seit 1999 nach dem Ende der SPD–Alleinherrschaft in Brandenburg regierte. Er habe die Abschaltung von „Piatto“ nach einer Anfrage des „Spiegel“ entschieden, sagte Lancelle, der sich sonst an wenig erinnerte. Damals hatte er nach einem Leck in den Sicherheitsbehörden suchen lassen. Von der Ludwig-Version seiner Parteifreunde hält Lancelle nichts, wie er deutlich machte: Dafür, dass Ludwig mit der Enttarnung von „Piatto“ zu tun haben könnte, habe er „keine Anhaltspunkte“. Und das Gespräch des damaligen PDS-Abgeordneten mit dem Verfassungsschutz über rechtsextreme Bedrohungen? „Wenn man sich den gleichen Werten verpflichtet fühlt, dann ist ein solches Gespräch doch ein Positivum.“

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