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„Wunder von Mühlberg“: Jahrhundertflut ist noch allgegenwärtig

Ein kleines Denkmal wenige Meter vor dem Elbe-Deich erinnert in Mühlberg an die Jahrhundert-Flut vor zehn Jahren. „Wir sind verschont geblieben“, steht darauf in kleinen Buchstaben geschrieben.

Mühlberg - Im August 2002 waren Teile der südbrandenburgischen Kleinstadt von Wasser umgeben. Der Fluss stand bis zur Deichoberkante, die Dämme waren  aufgeweicht und die Stadt war bereits geräumt. Die Evakuierung ist in der Stadt auch zehn Jahre danach noch immer ein heiß diskutiertes Thema. Nicht alle waren der Aufforderung gefolgt.

„Wir haben unser Haus nicht im Stich gelassen“, erzählt ein Mann, der namentlich nicht genannt werden möchte. Die Räumung der Stadt erscheint ihm heute noch als übertrieben. Gudrun Hebert sieht das anders: „Ich wollte die Stadt auch nicht verlassen“, erinnert sie sich. Sie habe im zweiten Stock gewohnt und sich damals keine Gedanken über die Folgen gemacht. „Wir standen alle unter Schock.“ Ihre Tochter habe sie dann aber zum Gehen überredet: „Das war absolut notwendig.“

Bürgermeisterin Hannelore Brendel war schon während der Flutkatastrophe Stadtoberhaupt, damals noch ehrenamtlich. „Ich hatte große Angst, dass die Dämme nicht halten“, erinnert sich die 55-Jährige. „Die Situation war unglaublich angespannt.“ Der Ort sei tagelang ohne Wasser und Strom gewesen. Doch der Krisenstab mit all seinen Entscheidungsträgern habe sehr gut zusammengearbeitet. Rund 1.000 Soldaten halfen damals mit und riskierten teilweise Kopf und Kragen, um die Deiche zu sichern.

„Die Dämme waren so weich wie Pudding“, berichtet Brendel. „Die Stadt hatte einfach großes Glück“, sagt sie. Dass sie im Jahr 2002 trocken blieb, wird seither als „Wunder von  Mühlberg“ bezeichnet. Am Denkmal ist der höchste Pegelstand am 17. August 2002 mit 9,98 Metern festgehalten. Genau zehn Jahre danach am Freitag (17. August) will Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) die Stadt an der sächsischen Grenze besuchen.

Inzwischen wurde im Mühlberger Raum viel für den Hochwasserschutz getan. Rund 15 Millionen Euro werde das Land Brandenburg seit 2002 bis Ende dieses Jahres in Baumaßnahmen investiert haben, sagt Michael Cuno, Referent für Hochwasserschutz im Umweltministerium. „Die Brennpunkte wurden als erstes saniert“, erläutert Cuno das Vorgehen der Landesregierung. Auch wenn noch nicht alle Bereiche fertig seien, sei die Sicherheit wesentlich höher als 2002. „Sollte es jetzt erneut ein Hochwasser geben, müssten nur noch wenige Bereiche verteidigt werden“, erläutert er.

Bis Ende des Jahrzehnts würden die Arbeiten noch andauern. „Mittlerweile habe ich ein größeres Sicherheitsgefühl“, sagt Bürgermeisterin Brendel. Dennoch weiß sie aus Gesprächen, dass die Arbeiten nach Ansicht von Anwohnern zu lange dauern. „Im Prinzip hat sich noch nichts geändert, das Wasser kann schließlich von überall kommen“, sagt Gudrun Hebert. Auch wenn der Deich zu 90 Prozent fertig sei, bringe dies keinen größeren Schutz. Für Diskussionen sorgt vor allem die hohe Schutzmauer im Hafenbereich, die den Blick zur Elbe verwehrt. „Für unsere Stadtansicht ist die Betonmauer kein schöner Anblick“, kritisiert Anwohner Klaus-Peter Pettke. Die Höhe sei völlig überzogen, meint er.

Im Jahr 2006 gab es in Mühlberg wieder Hochwasser. Die Deiche waren auch diesmal stark aufgeweicht, hielten dem Druck aber stand. Zudem hatte es in der südbrandenburgischen Stadt am Pfingstmontag 2010 eine weitere Naturkatastrophe gegeben. Ein verheerender Tornado verwüstete die Altstadt und deckte von mehr als 100 Häusern die Ziegeldächer ab. 439 Grundstücke waren laut Polizeiangaben von Sturmschäden betroffen. Die Kirchturmspitze fehlt noch heute.

Die Elbeflut in Brandenburg in neun Daten

- nach starken Regenfällen im Einzugsgebiet der Elbe stiegen die Wassermassen im August 2002 auch in Brandenburg stark an

- in Mühlberg erreichte der Pegel in der Nacht zum 17. August 9,98 Meter, der Deich war völlig aufgeweicht

- Soldaten, Feuerwehrleute und Einsatzkräfte verhinderten eine Überflutung der bereits geräumten Stadt

- später wurde dies als „Wunder von Mühlberg“ bezeichnet

- in der Prignitz wurden rund 3000 Menschen aus 37 Orten vorsorglich aufgefordert, ihre Dörfer zu verlassen

- zur Entlastung der dortigen Deiche wurden die Havelpolder geflutet, wodurch der Wasserspiegel auf der unteren Elbe sank

- auch der besonders gefährdete Deich am „Bösen Ort“ in der Prignitz wurde durch die Einsatzkräfte erfolgreich verteidigt

- die Brandenburger Landwirtschaft musste durch die Flutfolgen Schäden in zweistelliger Millionenhöhe hinnehmen

- bis Ende 2002 wurden aus einem Soforthilfeprogramm von Bund und Land 7,3 Millionen Euro für Agrarbetriebe bewilligt

Lars Hartfelder

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