zum Hauptinhalt
Made in „Orgelland“. Hat Schwestern in Berlin, Treuenbrietzen, Wusterhausen an der Dosse und Pritzerbe im Havelland: Die restaurierte Orgel des märkischen Orgelbauers Joachim Wagner (1690-1749) im Dom St. Peter und Paul in Brandenburg an der Havel.

© Bernd Settnik/dpa

Brandenburg: Würdigung für deutsche „Königinnen“

Die Unesco erklärte den Orgelbau und die Orgelmusik zum Weltkulturerbe: In Brandenburg hat beides eine lange Tradition

Potsdam - Erst vor wenigen Wochen wurde in der Landeshauptstadt eine neue Orgel geweiht. In der St. Nikolaikirche in Potsdams historischer Mitte erklang erstmals ein dem großen Raum angemessenes Instrument. Die Orgelmanufaktur Kreienbrink, die in Osnabrück ansässig ist, hat das klangvolle Werk geschaffen, das mit seinem Prospekt einen großen Schauwert besitzt. Die ohnehin schon reiche Orgellandschaft Potsdams ist nun reicher geworden. Besonders nach 1989 konnten Kirchengemeinden in der Landeshauptstadt sowie im Land Brandenburg dank großzügiger Spender und Förderer neue Instrumente bauen beziehungsweise restaurierungsbedürftige Orgeln instand setzen lassen.

Die Orgel wird als das Instrument der Instrumente oder auch als die Königin der Instrumente bezeichnet. Sie ist nicht nur das größte Musikinstrument, sondern sie hat auch einen komplizierten Bau, weist die größte Tonskala und den farbenreichsten Klang auf. Alle anderen Instrumente verhalten sich zur Orgel – der Vergleich sei erlaubt – wie ein einzelner Baum zu einem Wald. Und dennoch stammt sie aus einer einfachen Familie, denn ihre Vorfahren waren die Hirtenflöte und ... der Dudelsack. Aus dem kleinen Blasebalg entwickelte sich seit gut 2000 Jahren die Orgel, deren machtvoller Klang die Dome und Kirchen, aber auch so manche Konzertsäle durchhallt. In Deutschland befassten sich im Mittelalter zunächst hauptsächlich die Benediktiner mit dem Orgelbau. Seit dieser Zeit haben die Bemühungen um Vervollkommnung des Instruments und um Vergrößerung ihrer Ton- und Klangskala nicht mehr aufgehört, bis heute.

Am 7. Dezember hat die Unesco die deutsche Orgelmusik und den Orgelbau zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt. Welch eine großartige Würdigung. Nach Angaben der deutschen Unesco-Kommission prägen 400 handwerkliche Orgelbaubetriebe mit etwa 2800 Mitarbeitern, 180 Auszubildenden sowie 3500 hauptamtlichen und zehntausenden ehrenamtlichen Organisten das Handwerk und die Kunst des Orgelbaus und der Orgelmusik in Deutschland. Mehr als 50 000 Orgeln seien derzeit hierzulande im Einsatz. Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch (SPD) zeigte sich über die Unesco-Auszeichnung hoch erfreut: „Die reiche und lebendige Kultur des Orgelbaus und der Orgelmusik zeigt sich auch in Brandenburg: Wir haben einzigartige Orgeln und eine facettenreiche Konzerttradition.“ Beispielsweise findet man in der Uckermark etwa 200 Instrumente aus dem 17. bis 20. Jahrhundert. Eine der schönsten und klangvollsten befindet sich in dem Landstrich in der St. Marienkirche in Angermünde. Sie ist das Werk des märkischen Orgelbauers Joachim Wagner (1690-1749), der auch Orgeln für die Marienkirche in Berlin, Treuenbrietzen, Wusterhausen an der Dosse oder Pritzerbe im Havelland schuf. Im Brandenburger Dom hat ebenfalls eine „Königin“ aus der Wagner-Werkstatt Platz genommen. Im Vertrag, den der Orgelbaumeister vom Domstift ausgehändigt bekam, heißt es, dass er das Instrument „bey Verpfändung seines sämtlichen Vermögens noch vor Michaelis dem künftigen 1723. Jahres ohne alle Einwendung, außer wenn ihn Gott über alles Verhoffen mit sehr schwerer Krankheit belegen sollte, in gantz fertigem und vollkommenem Stande“ zu liefern habe. Er hielt den Termin ein. Die Orgel im Dom zu Brandenburg gehört ohne Frage zu Wagners kostbarsten „Königinnen“. „Die Prinzipale singen mit Inbrunst, ihre Gedackte und Rohrflöten, gebieten Stille, und selbst im dichtesten Gewebe der Stimmen herrscht Klarheit und Zucht, kraftvoll steht das Pleno mit beiden Beinen auf der Erde“, urteilte der ehemalige Brandenburger Domorganist Wolfgang Fischer. Auch Potsdam konnte sich einst rühmen, vier Wagner-Orgeln in ihren Mauern zu haben: in der Alten Garnisonkirche (Fachwerkbau in der Breiten Straße), in der Hof- und Garnisonkirche, in der Heiligengeistkirche sowie in der Waisenhauskirche. Alle Kirchen haben durch Abriss oder Zerstörung die Zeitläufte nicht überstanden, auch so manche Orgel nicht, andere bekamen einen neuen Standort.

Auch Wagners Schüler eröffneten eigene Werkstätten. In der Tradition seines Lehrers baute Johann Wilhelm Grüneberg (1751-1808), der in Brandenburg an der Havel lebte und arbeitete. In Mittenwalde, Magdeburg, Genthin, Spandau fand er Möglichkeiten, seine Kunst zu beweisen. Auch in der Französischen Kirche in Potsdam befindet sich ein Grüneberg-Instrument. Obwohl es für die Kirche in Bärenklau bei Oranienburg angefertigt wurde, erfreut man sich heute an dem hellen barocken Klang in Potsdam. Sie wurde im Jahre 2000 von Bärenklau in die Französische Kirche umgesetzt und von der Orgelbaufirma Schuke umfassend restauriert. Die Schukes gehören als Orgelbau-Familienunternehmen seit 1894 zu Potsdam und waren in der Stadt ununterbrochen tätig. Heute sind sie in Werder (Havel) ansässig. Schon vor der Schuke-Firma wurden in der Residenzstadt Orgeln gebaut, von Gottlieb Heise und Carl Ludwig Gesell.

Matthias Schuke hat mit seinen Mitarbeitern Instrumente für Kirchen und Konzertsäle in aller Welt gebaut. Doch sie freuen sich, wenn sie in Potsdam und in der Region ihr Handwerk und ihre Kunst im Dienst der Orgelmusik und ungezählten Zuhörer stellen können. Die Konkurrenz ist jedoch groß. In Potsdam haben nach 1989 mehrere deutsche Orgelbaufirmen neue Instrumente gebaut, auf denen Organisten die kompositorische Vielfalt zwischen Bach, Mendelssohn, Liszt und Reger lebendig werden lassen.

Zur Startseite