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Fußball und Politik. Brandenburgs Landtagsabgeordnete ließen sich das letzte WM-Gruppenspiel der deutschen Mannschaft auch während der Debatte nicht entgehen und fieberten dank Handy mit. Die CDU zeigte sogar Flagge.

© Marion Kaufmann

WM-Fieber im Landtag: „Machen Sie ihn rein!“

Deutschland spielte gegen Südkorea, das Brandenburger Parlament diskutierte. Ein Spielbericht aus dem Potsdamer Landtag.

Potsdam - 16 Uhr. Anpfiff. Jung trippelt zum Rednerpult. Es geht um die die Änderung der Kommunalverfassung. Korea beginnt die Partie gegen Deutschland forsch, setzt die deutsche Mannschaft gleich unter Druck. Sami Khedira leistet sich einen Ballverlust im Mittelfeld.

CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben schiebt sich ein Gummibärchen in den Mund, bietet seinen Teamkollegen auch was an. Public No-Viewing. Die CDU hatte angeregt, die Plenarsitzung für die Zeit des WM-Spiels der Jogi-Elf zu unterbrechen. Die anderen Fraktionen lehnten das pflichtbewusst ab. Senftleben hat eine Deutschlandflagge vor sich auf dem Tisch stehen. Er begibt sich in den gegnerischen Strafraum, setzt sich in der SPD-Reihe neben Sören Kosanke und Günter Baaske, früher mal Sportminister. Manndeckung. Senftleben hatte angekündigt, genau zu beobachten, ob die Abgeordneten, die eine Unterbrechung ablehnten, auch aufmerksam der Debatte folgen oder heimlich aufs Handy schmulen.

Gelbe Karte für Jung

Aber sie verpassen nichts. Deutschland kommt nicht ins Spiel. Nun betritt der Mannschaftskapitän die Arena. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ist da. Im Spiel in Kasan gibt es die erste vielversprechende Situation. Marie Luise von Halem, grün wie die Trikots der deutschen Mannschaft, wagt auch einen Vorstoß. „Das ist heute ein großer Tag“, sagt sie. Sie meint den Antrag zu Jugendbeteiligung. Applaus.

Gelbe Karte für Jung. Nicht den von der AfD, sondern den Südkoreaner.

Baaske hat den Blick nach unten gesenkt. Schielt er aufs Handy? Nun stürmt Klara Geywitz (SPD) in den gegnerischen Strafraum, setzt sich neben Sven Petke von der CDU. Elfte Spielminute. Auch die Löw-Elf schiebt das Spiel in die gegnerische Hälfte.

Péter Vida von den Freien Wählern hat sein Handy vorne ans Pult gelehnt. Das Display ist grün wie ein Fußballrasen. Verräterisch. Dann legt er ein Blatt Papier über das Telefon, geht zum Rednerpult. Bloß nicht den Anschluss verlieren.

Deutschland erhöht den Druck

16. Minute. Deutschland erhöht den Druck. Der SPD-Abgeordnete Kurth gähnt. Woidke schwatzt mit Wirtschaftsminister Gerber. Nicht torgefährlich, dieses Team.

Kann Schröter was reißen? Der SPD-Innenminister schaut gerne Fußball. Jetzt darf er nicht, sondern muss reden, zur Kreisumlage. Linksaußen steigt die Aufmerksamkeit.

21. Spielminute. Es kommt zur Abstimmung. Vize-Landtagspräsident Dieter Dombrowski ist abgelenkt. Wurde der Änderungsantrag nun angenommen oder abgelehnt? Eine Mitarbeiterin klärt. Zumindest das wäre im Kasten.

Es geht weiter mit dem Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes. „Lieber Gast“, beginnt Rainer van Raemdonck (AfD) seine Rede mit Blick auf die Zuschauertribüne. Leere. Nur ein einziger Besucher beobachtet das Parlamentsgeschehen. Aber was macht denn jetzt Wichmann? Wichmann! Wo läuft er denn hin? Herr Wichmann von der CDU läuft vom Feld, Handy in der Hand. Dann kommt Sozialministerin Diana Golze (Linke) ins Spiel, nimmt den Ball auf, bittet um Zustimmung für das Heilberufsgesetz. „Ich bitte Sie, machen Sie ihn rein!“

Nun folgt die zweite Lesung zum Landesbeamtengesetz. Wichmann ist wieder da. Wohl doch nicht in die Kneipe zum Public Viewing geschlichen. Fairplay!

Vogelsänger auswechseln

Aber Vogelsänger! Wo ist der denn jetzt der SPD-Agrarminister wieder? Tigert hinter der Regierungsbank auf und ab. Auswechseln! Fordern manche. Es gibt Nachspielzeit. Dann: Halbzeit.

In Potsdam läuft die Debatte weiter. Tagesordnungspunkt neun. Drittes Gesetz zur Änderung des brandenburgischen Ausbildungsförderungsgesetzes. Özil flankt ins Toraus. „Ah“, stöhnt Kosanke beim Blick auf sein Handy, hält sich die Handflächen an die Wangen. Plötzlich brandet Applaus auf der Bank auf. Gordon Hoffmann (CDU) spricht zum Schüler- Bafög, greift SPD-Fraktionschef Bischoff an. Noch zehn Minuten.

Bildungs- und Sportministerin Britta Ernst (SPD) tritt ans Mikrofon. Sagt, es sei mühsam. Hummels köpft über den Kasten. Ernst pariert einen Einwurf von Hoffmann. Sechs Minuten Nachspielzeit.

Korea erzielt das 1:0! Ernst versucht noch einmal alles, greift die CDU an.

2:0 für Südkorea. Aus, aus, das Spiel ist aus. Deutschland ist raus. Im Landtag geht es weiter mit Tagesordnungspunkt zehn: Höfeordnung.

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