zum Hauptinhalt

WIRTSCHAFTSKRIMINALITÄT: Fördermittelbetrüger halten Brandenburgs Justiz auf Trab

Das Potsdams Landgericht hat genügend zu tun – nicht nur mit den Verfahren „Hilpert“ und „Schelter“.

Potsdam - Es geht fast immer um Steuergelder. Brandenburgs Justiz kommt mit Wirtschaftsstrafverfahren kaum hinterher, besonders am Landgericht Potsdam halten sie Richter, Verteidiger und Staatsanwälte zu Zeit gehörig in Atem. Dort laufen derzeit nicht allein die Betrugsprozesse gegen Schwielowsee-Hotelier Axel Hilpert und Ex-Justizminister Kurt Schelter (CDU), der sich 100 000 Euro Ruhegeld erschlichen haben soll. Ankläger ist in beiden Verfahren Staatsanwalt Ivo Maier, der sich bei Terminüberschneidungen im anderen Gerichtssaal schon einmal vertreten lassen muss, wie erst am Montag wieder. Doch am Potsdamer Landgericht läuft parallel noch ein weiterer brisanter Millionen-Prozess, der in den Hintergrund geraten ist, nicht so im Rampenlicht steht: Wegen Untreue und Betruges ist dort bereits seit Mai 2011 ein Mann angeklagt, der einst in Deutschland als „Papst der Meinungsforschung“ galt: Klaus Liepelt, heute 80 Jahre, Mitbegründer des Instituts Infas, das von 1967 bis 1996 für die ARD bei jeder Wahl die Hochrechnungen und die Auswertungen der Wählerwanderungen lieferte. Nun steht er wegen „diverser Betrugs- und Untreuedelikte“ vor Gericht, wie es in der Presserolle des Landgerichtes heißt.

Liepelt und anderen Angeklagten wird vorgeworfen, mit dem Institut für empirische Sozialforschung (Ifes AG) mit Sitz in Potsdam zwischen 1999 und 2004 Kapitalanleger betrogen und zudem versucht zu haben, mit einer fingierten Firmenkonstruktion Fördermittel der Investitionsbank Brandenburgs (ILB) in Millionenhöhe zu ertricksen. Ermittlungen gegen ein Dutzend Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums und der ILB waren zwischenzeitlich eingestellt worden, wie Helmut Lange, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam auf Anfrage sagte.

Es ist ein Mammutverfahren, das sich in die Länge zieht. 20 Verhandlungstage gab es bereits. Zuständig ist wie im Fall des Ex-Justizministers die 5. Große Strafkammer, die am letzten Montag vormittags zu Schelter verhandelte, nachmittags - und der Hilpert–Prozess bei der 4.Kammer lief da in einem anderen Saal - im Fall Liepelt. Und die Vorsitzende, Richterin Ulrike Phieler-Morbach, kündigte in der Sitzung an, dass sie im Ifes-Verfahren am 5. Juni möglichst ein Urteil verkünden will.

Es wäre ein Schlusspunkt unter ein ehrgeiziges, in den Sand gesetztes Prestige-Projekt, das einst von Brandenburgs Landesregierung unterstützt wurde. Von den Roten Kasernen im Norden Potsdams aus wollte Liepelt, der dazu noch über eine Stiftung ein Gründerzentrum vorantrieb, um die Jahrtausendwende mit der Ifes AG die Marktforschung revolutionieren. 30 000 Haushalte in Deutschland sollten Daten über Konsumverhalten liefern, unentgeltlich mit Kleinstcomputern (Panelboxen) ausgestattet und mit der Ifes-Zentrale vernetzt. Man wollte dafür von der Investitionsbank (ILB) rund acht Millionen Euro Fördermittel, operierte laut Anklage mit einer Briefkastenfirma im Ausland. So sollen überhöhte Investitionskosten vorgetäuscht worden sein.

Diese internationale Dimension führte mittlerweile sogar dazu, dass die Richter der Strafkammer des Landgerichtes – zusammen mit Staatsanwälten und Angeklagten – im November 2011 nach Zürich reiste, um an der Zeugenvernehmung von Vertretern eines involvierten Schweizer Finanzhauses durch einen Züricher Untersuchungsrichter teilzunehmen. Eine Ladung an das Landgericht Potsdam hatten Zeugen verweigert, so dass die Schweiz über ein deutsches Rechtshilfeersuchen eingeschaltet wurde. So hatten die Gäste aus Brandenburg einen Fragekatalog eingereicht, durften aber vor Ort in Zürich auch eigene Fragen stellen. Die Aussagen werden derzeit, so auch in der Sitzung am Montag, derzeit aufwendig im Verfahren verlesen und damit formal eingeführt.

Abgeschlossen wurde dafür kürzlich ein weiterer Fördermittel-Prozess, bei dem ebenfalls die ILB eine Rolle spielt. Das Potsdamer Landgericht verurteilte Ende März zwei Lausitzer Unternehmer wegen Betrug zu Bewährungsstrafen von zwei Jahren und 22 Monaten, weil sie bei einem Wohnpark auf einer früheren russischen Kaserne in Welzow die Investitionsbank (ILB) „über die tatsächlichen Kosten getäuscht“ und dadurch „überhöhte Fördermittel“ kassiert haben sollen. Die Formulierungen könnten auch aus der Anklage im Hilpert-Prozess um das Luxushotel am Schwielowsee stammen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false