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Wirtschaft: Was die Tesla-Ansiedlung für Brandenburg bedeutet

An dem Areal in Grünheide, auf dem Tesla-Chef Elon Musk seine Gigafactory bauen will, war schon einmal ein Autobauer interessiert. Doch damals ging Brandenburg leer aus und verpasste eine große Industrieansiedlung. 

Potsdam - Die Ankündigung von Tesla-Chef Elon Musk,   seine europäische Fabrik in Brandenburg zu bauen, ist die Nachricht des Jahres für die Wirtschaftsregion. Die PNN beantworten die wichtigsten Fragen rund um die Ansiedlungspläne.

Was bedeuten die Pläne für den Wirtschaftsstandort Brandenburg? 

Der Jubel in Brandenburg ist groß nach der Ankündigung von Elon Musk, seine Gigafactory in Brandenburg bauen zu wollen. 7000 Arbeitsplätze will er schaffen – eine Ansage, die gerade durch den Wegfall von Stellen nach dem Braunkohleausstieg Hoffnungen weckt. „Diese großartige Nachricht ist für die Hauptstadtregion wie ein vorgezogenes Weihnachtsfest“, sagt Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). „Ein neuer Produktionsstandort mit mehreren tausend Arbeitsplätzen wäre für die Region ein Quantensprung.“ Brandenburg und Berlin könnten als dynamische Metropolregion punkten, als Industrie- ebenso wie als Wissenschafts- und Hightech-Standort, so Amsinck. Brandenburg und Berlin müssten nun die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Investition von Tesla zügig umgesetzt werden kann. 

Tesla setze damit ein deutliches Zeichen für den Innovations- und Industriestandort Brandenburg, sagt der Präsident der Industrie- und Handelskammer Potsdam, Peter Heydenbluth. Nun wachse  nochmals der Druck auf die Fertigstellung des Flughafens BER mit zusätzlichen Langstreckenverbindungen und besserer Erreichbarkeit. 

„Der Bau der Gigafabrik bringt Aufträge, gute Arbeitsplätze und neue Perspektiven für viele Menschen und Unternehmen hierzulande“, sagt auch Helmut Barthel, Wirtschaftsexperte der SPD-Landtagsfraktion.  Aber: Schon mehrere Großansiedlungen hat Brandenburg in den märkischen Sand gesetzt. Ursprünglich wollte Cargolifter in Brand (Dahme-Spreewald) Luftschiffe zum Transport von Schwerlasten bauen, hatte wegen Finanzproblemen diese Pläne aber wiederholt verschoben und im Sommer 2002 Insolvenz beantragt. 500 Arbeitsplätze sollten dort entstehen. In die Halle, in der Luftschiffe gebaut werden sollten, baden heute Familien im Tropical Islands. Ebenfalls ein Flopp: die Chipfabrik Frankfurt (Oder) (Communicant Semiconductor Technologies AG), ein Großprojekt der damals rot-schwarzen Landesregierung, das im Herbst  2003 endgültig scheiterte. Ursprünglich wollte die Landesregierung eine im Frankfurter Institut für Halbleiterphysik (IHP) entwickelte Technologie verwerten und auf diese Weise Arbeitsplätze in der Region schaffen. 

Gibt es auch kritische Stimmen? 

Zumindest mahnende. Die Brandenburger Grünen begrüßten die Ansiedlung von Tesla, betont Landesparteichef  Clemens Rostock. Aber: „Als Bündnisgrüne schauen wir aber natürlich nicht nur auf den Antrieb, sondern wünschen uns auch energiesparsame Karosserien.“ Es wäre erfreulich,  wenn in Brandenburg sparsame Modelle für den Alltagsverkehr und keine energiefressenden SUVs produziert würden, so Rostock. „Auch erwarten wir, dass Tesla nicht nur geografisch, sondern auch bei den tariflichen Arbeitsbedingungen in Brandenburg ankommt. Wir werden darauf achten, dass der mit der Ansiedlung in einem Industriegebiet unzweifelhaft verbundene Eingriff in Natur und Landschaft vorbildlich ausgeglichen wird“, so Rostock. 

Auch der Linksfraktionschef im Brandenburger Landtag, Sebastian Walter, ist trotz Freude über die Ansiedlung skeptisch: "Leider ist Herr Musk in den USA nicht nur durch positive Visionen aufgefallen, sondern auch durch schlechte Arbeitsbedingungen und Gewerkschaftsfeindlichkeit", so Walter. "Deshalb fordere ich die Landesregierung auf, bei aller Freude über die Ansiedlung die Augen offen zu halten", sagte Walter. Auch Tesla müsse sich an die Regeln der Guten Arbeit, an das Betriebsverfassungsrecht und an die Tarifbindung halten.  

Was ist das für ein Standort in Grünheide? 

Das Areal in Grünheide, auf dem die Tesla-Fabrik gebaut werden soll, war schon einmal im Gespräch für eine Großansiedlung.  2001 hoffte der kleine Ort Grünheide mit rund 8600 Einwohnern im Landkreis Oder-Spree darauf, dass der Autokonzern BMW sein neues Werk dort errichtet. Eine Milliarde D-Mark wollten die bayerischen Autobauer im Osten investieren, 2500 Arbeitsplätze schaffen. BMW stellte hohen Anforderungen an die Standort-Qualität für das Zweigwerk: Erwartet wurden eine gute Infrastruktur und  Flughafennähe. Außerdem ging es um Förderbedingungen vor Ort und auch die Möglichkeit, genügend qualifizierte Mitarbeiter zu finden.  

Bedingungen, die Grünheide theoretisch hätte erfüllen können. Der östliche Berliner Autobahnring führt nahezu in Sichtweite an dem vorgesehenen Bauplatz vorbei. Grünheide schaffte es in die Endauswahl, zehn Standorte waren zum Schluss noch im Rennen. Aber: BMW baute seine Fabrik in Leipzig. Denn in Grünheide regte sich bei Anwohner Widerstand gegen die Ansiedlung, ähnlich wie beim Bau des Chip-Werkes in Frankfurt (Oder). 

Grünheide liegt östlich von Berlin in der Nähe des Autobahnrings A 10. Der Flughafen BER  ist in etwa 25 Minuten zu erreichen, das Stadtzentrum von Berlin in rund 50 Minuten. Die Gemeinde  ist mit dem Güterverkehrszentrum Freienbrink – mit Anschluss an die Bahn – einer der wichtigsten Logistikstandorte im Berliner Umland.  Insgesamt gibt es im Gemeindegebiet rund 900 Gewerbetreibende. Grünheide hat sich mit anderen Kommunen in der Region zusammengeschlossen, um den Wirtschaftsstandort „@see“ zu vermarkten. 

Koordinatorin Nadine Gebauer von der Stadtverwaltung Fürstenwalde sprach nach der Tesla-Stadtortentscheidung von einem „großartigen Impuls“ für die Region. Die Verwaltungen der Gemeinden würden nun auf Hochtouren daran arbeiten, die nötigen Vorbereitungen für die Ansiedlung zu treffen. In Grünheide sollen zuziehende Arbeitskräfte durch attraktive Angebote in den Bereichen Lebens- und Wohnqualität an die Region gebunden werden. „Wir haben in den vergangenen Jahren viel in den Bau von Kitas, Schulen und in die medizinische Versorgung investiert“, sagte Grünheides Bürgermeister Arne Christiani (parteilos) am Mittwoch. 

Teslas CEO Elon Musk.
Teslas CEO Elon Musk.

© Jae C. Hong/AP/dpa

Was ist mit der Lausitz? 

Die Lausitz hatte um einen möglichen Tesla-Standort geworben. Mit der Aktion #WelcomeTesla wurde versucht, den Lausitzring als Standort für Tesla ins Spiel zu bringen. Denn durch den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung fallen in der Kohleregion viele Arbeitsplätze weg, werden Wege gesucht, der Strukturwandel sozialverträglich zu gestalten und der Lausitz wirtschaftlich eine neue Perspektive zu verschaffen. 

Die Initiative aus der Lausitz, die nach eigenen Angaben mehr als 125000 Unterstützer hatte, zeigte sich am Mittwoch dennoch erfreut über die Pläne Elon Musks. „Die Errichtung der Gigafactory im Südosten Brandenburgs weist klar den Weg in die Lausitz für eine potenzielle Zulieferindustrie, sie sorgt für die zunehmende Bedeutung Europas größten Zentrum für autonomes Fahren auf dem Lausitzring und für eine Zukunftsregion mit Potenzial für Innovation und Investition“, sagte Ralf Henkel vom Mittelstandsverband BVMW, einer der Initiatoren. Nun müssten Land und Bund die Anbindung der Lausitz an den BER „auf die Überholspur bringen“. 

„Wohnen im grünen Campus Lausitz mit bester Anbindung und arbeiten an der grünen Mobilität der Zukunft nebenan in der Gigafactory – so kann aus Tesla und der Lausitz eine gemeinsame Erfolgsgeschichte werden“, sagt auch Jens Taschenberger, Ideengeber und Mitinitiator von #WelcomeTesla. Die Entfernung Grünheide – Cottbus beträgt knapp 130 Kilometer. Über die A13 ist die Entfernung aber zu bewältigen – auch mit einem Elektroauto. Insgesamt sind die Deutschen der Elektromobilität gegenüber aufgeschlossen, wie eine am Mittwoch veröffentliche Umfrage des Energiekonzerns Eon zeigt:  Für 68 Prozent der Befragten kommt die Anschaffung eines reinen Elektro-Autos prinzipiell in Frage. 

Wie steht Brandenburg bei der E-Mobilität da? 

Brandenburg hat im Vergleich der neuen Länder bei Kraftfahrzeugen den höchsten Anteil an Elektro- und Hybridautos, liegt aber weit unter Bundesdurchschnitt. Wie aus den neuesten Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) hervorgeht, hatten in Brandenburg Anfang des Jahres pro 1000 Fahrzeuge rechnerisch 2,08 einen umweltfreundlichen Antrieb. Bei den anderen ostdeutschen Ländern lagen die vergleichbaren Angaben zwischen 1,89 in Sachsen und 1,36 in Mecklenburg-Vorpommern. Die bundesweit höchste Quote an Autos ohne Verbrennungsmotor hat Berlin mit 4,09 von 1000 Fahrzeugen. Schlusslicht ist das Saarland mit 1,99. In allen anderen westdeutschen Flächenländern gibt es eine höhere Quote an Fahrzeugen mit Elektro- oder Hybridantrieb als in den neuen Bundesländern.

Anfang dieses Jahres waren in Brandenburg laut KBA rund 1700 Elektrofahrzeuge und knapp 1300 Pkw mit Hybridantrieb registriert. Das waren 730 E-Autos und knapp 500 Hybrid-Pkw mehr als ein Jahr zuvor. Wie das Brandenburger Wirtschaftsministerium auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-Fraktion mitteilte, liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor, ob die Fahrzeuge privaten Haltern, der öffentlichen Hand, Energieunternehmen oder Automobilherstellern gehören. Nach Angaben der Bundesnetzagentur gab es Anfang dieses Jahres in Brandenburg 236 öffentliche Ladepunkte. Das waren 20 mehr als ein Jahr zuvor und 148 mehr als Anfang 2017. (mit dpa)

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