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Plötzlich verstorben. Eisbär Fritz erholte sich von einer überraschenden Lebererkrankung nicht mehr.

© Tierpark Berlin

Brandenburg: „Wir stehen vor einem Rätsel“

Am Wochenende sollte Berlins kleiner Eisbär erstmals ins Freie. Jetzt ist er tot – noch weiß keiner, warum. Und die Trauer ist groß

Von Sandra Dassler

Berlin - „Berlin hat einfach kein Glück mit Eisbären“, sagt Waltraud L. aus Wilmersdorf, die sich an diesem Dienstagmittag mit ihrer Freundin Erna K. trifft. Im Berliner Zoo natürlich, wo sich beide vor Jahren vor dem Gehege von Eisbär Knut kennenlernten. Knut ist lange tot, die Freundschaft der beiden älteren Damen hat seitdem Bestand. Am Wochenende wollten sie gemeinsam in den Tierpark, das neue Berliner Eisbärbaby Fritz anschauen, wie sie erzählen. Nun ist auch Fritz gestorben, die zwei sind fassungslos.

Das beschreibt exakt den Gemütszustand von Andreas Knieriem und seinem Team. „Wir sind fassungslos, sehr traurig und deprimiert“, sagte der Zoo- und Tierparkdirektor in einer Pressekonferenz am Dienstagmittag. Er sei am Sonntag zufällig mit seiner Frau im Tierpark gewesen und habe bei Fritz vorbeigeschaut. Da sei der Bär schon ruhiger als sonst gewesen.

Nach einer kurzen Besserung sei der Krankheitsverlauf am Montag rapide vorangeschritten, sagte Knieriem. Pfleger hatten Fritz am Morgen teilnahmslos im Stall bei seiner Mutter Tonja gefunden. Später habe er wohl starke Schmerzen verspürt, auf der Seite gelegen und geschrien. Untersuchungen mit Ultraschall, CT und Röntgen am benachbarten Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung brachten keinen konkreten Befund, abgesehen von einer massiven Leberentzündung. Gegen die schlechten Leberwerte bekam Fritz ein Antibiotikum und Schmerzmittel. Doch nichts half. Weil die Krankheit rapide und aggressiv voranschritt, habe er sich bereits große Sorgen gemacht, sagte Knieriem, selbst Tierarzt. Am Montagabend gegen 19.30 Uhr sei der Atem des Bären unregelmäßig geworden. Fritz bekam eine Atemstimulans. Eine Herzdruckmassage half nicht mehr, wenig später starb der kleine Eisbär.

„Wir stehen vor einem Rätsel, wodurch die Krankheit ausgelöst wurde“, sagte der Tierparkdirektor. Fest stehe, dass die Enzymwerte der Leber extrem erhöht gewesen seien. Ob das auf eine Virusinfektion oder eine Vergiftung zurückzuführen sei, könne man noch nicht sagen. Am Ende hätten auch alle anderen Organe versagt. Das hat auch die Obduktion ergeben. Was die Ursache der Erkrankung war, sollen weitere mikrobiologische, virologische sowie toxikologische Untersuchungen zeigen. Mit den Ergebnissen ist möglicherweise erst in einigen Wochen zu rechnen.

Zugang zu der kleinen Eisbärenfamilie hatten bislang nur Pfleger, Tierärzte und andere Angestellte des Zoos. Das Gehege war mit zwei Schlössern gesichert, zudem war ein Wachschutzunternehmen eingeschaltet. Natürlich werde man die Höhle untersuchen, sagte Knieriem. Bei Mutter Tonja gebe es aber keine Anzeichen für eine Krankheit. „Die Eisbärmutter Tonja hat am Montag intensiv nach ihrem Fritz gesucht und war sehr nervös“, sagte Bärenkurator Florian Sicks: „Am heutigen Dienstag war sie schon deutlich gelassener.“

Auch wenn die Trauer um das Eisbärjunge noch ganz frisch ist, machen sich einige schon Gedanken, wie es weitergehen soll. „In Kürze beginnt die Paarungszeit“, sagt Waltraud L. aus Wilmersdorf: „Vielleicht lassen sie Wolodja, den Vater von Fritz, der jetzt hier im Zoo ist, wieder zu Tonja in den Tierpark.“

Vor der Presse antwortete Knieriem auf eine entsprechende Frage: „Unser vorderstes Ziel ist es, schnellstmöglich die Ursache für den plötzlichen Tod von Fritz herauszufinden.“ Erst dann werde man entscheiden, wie es mit der Eisbärenzucht in Berlin weitergeht. Knieriem wies aber Kritik von Tierschützern zurück, die fordern, überhaupt keine Eisbären in Zoos zu halten, weil das Risiko zu hoch sei.

„In der Natur ist das Risiko noch viel höher“, so Knieriem. Er erhielt Unterstützung von Dag Encke, dem Direktor des Tiergartens Nürnberg. Der lieferte sich einst mit seinem Handaufzucht-Eisbären „Flocke“ ein Marketing-Wettrennen mit Berlins Stareisbär Knut. „Die Überlebensrate von Eisbären in Zoos ist weit höher ist als in der freien Natur“, sagte er dieser Zeitung. „Für mich klingt es so, als habe Berlin auch viel Pech gehabt.“

Zoodirektor Knieriem schloss bereits aus, dass Fritz wie etwa der 2011 verstorbene Eisbär Knut präpariert werden soll. „Viel, viel wichtiger ist, die Ursache der Krankheit zu finden“, sagte er. „Damit hat keiner mehr gerechnet. Wir waren darauf eingerichtet, dass Fritz noch Ende der Woche ins Freie kommen sollte und haben das Gehege darauf vorbereitet.“

Im Shop des Zoos, wo sich immer noch viele Knut-Souvenirs finden, hat Fritz bislang keine Spuren hinterlassen. Dafür haben viele Berliner Kinder ihr Stoffkuscheltier gerade nach Fritz benannt. Auch sie sind sehr traurig darüber, dass Berlin offenbar einfach kein Glück mit Eisbären hat. Sandra Dassler, Annette Kögel

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