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Welch majestätischer Anblick - doch gesehen hat die Wölfe in Potsdam bisher noch niemand.

© Patrick Pleul/dpa

Wildtiere in Brandenburg: Agrarminister Schmidt fordert eine Abschussquote für Wölfe

Für seine Abschussquote erntet der Minister neben Lob auch Tadel. Wölfe stehen nach EU-Recht auf der Liste der besonders zu schützenden Arten.

Von Sandra Dassler

Für die einen ist es unqualifiziertes „Wahlkampfgetöse“ und ein „Spiel mit uralten Ängsten“. Für die anderen ist es ein Hoffnungszeichen, dass wenigstens einer ihre durchaus gegenwärtigen Nöte ernst nimmt: Die Forderung von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) nach einer Abschussquote für Wölfe in Deutschland polarisiert – vor allem natürlich in Brandenburg, wo bundesweit die meisten Wölfe leben.

„Wir kommen an den Punkt, wo wir im Rahmen der Bestandskontrolle über eine begrenzte Abschussfreigabe für Wölfe reden müssen“, sagte Schmidt der „Bild“-Zeitung: „Die Grenze für die Ausbreitung des Wolfes liegt dort, wo sein Bestand die Tierhaltung stark beeinträchtigt. Schafe, Ziegen, Rinder und Pferde müssen (…) geschützt werden.“

Bauernbund begrüßt die Abschussquote

Vielleicht hatte der Minister auch einen Vorfall im Blick, der sich erst vor einigen Tagen in Klein Wasserburg im Landkreis Dahme-Spreewald zugetragen hat. In einer Nacht wurden dort 18 Schafe von Wölfen gerissen. Die Bilder von vier Muttertieren und 14 Lämmern, die mit zerfetzten Leibern und herausgerissenen Eingeweiden auf der Weide lagen, sind drastisch. Den Elektrozaun hatten die Wölfe überwunden.

Weil sich solche Vorfälle häufen, finde man es gut, dass sich der Bundesminister für die Interessen der Tierhalter einsetze, heißt es beim brandenburgischen Bauernbund. Vertreter des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) sehen das anders. „Eine generelle Abschussquote für Wölfe macht keinen Sinn“, sagt die brandenburgische Nabu-Geschäftsführerin Christiane Schröder: „Insbesondere hilft es den betroffenen Weidetierhaltern nicht, weil man damit nicht jene Wölfe erwischt, die Probleme bereiten. Und ob nun 200 oder 400 Wölfe im Land leben – die Schutzmaßnahmen bleiben quantitativ und qualitativ dieselben.“

Fehlt der nötige Sachverstand?

Besonders kritisch findet Christiane Schröder die Ausführungen des Bundeslandwirtschaftsministers zur angeblichen Gefährdung des Menschen.

Schmidt hatte gesagt: „Dort, wo der Wolf – wie in der Lausitz – in großen Rudeln zu Hause ist, würde ich Spaziergängern nicht unbedingt dazu raten, allein in den Wald zu gehen. Gerade Kinder sollten sich den niedlichen Wolfswelpen nicht nähern.“

Sie sei oft allein im Wald unterwegs, erzählt Christiane Schröder, noch nie habe sie dabei ein dramatisches Erlebnis mit einem Wolf gehabt. „Die Wahrscheinlichkeit, dass kleine Kinder über niedliche Wolfswelpen stolpern, geht gegen null“, sagt sie: „Die Tiere sind extrem scheu und die Wolfsbauten tief im Wald versteckt. Die Gefahr durch Wildschweine ist wesentlich größer.“

Auch die Forderung des Bundesministers nach Maßnahmen, um „wie bei anderen Wildtieren – wie etwa Rehen – die Größe der Population und den Bestand zu regulieren“, zeuge nicht gerade von Sachverstand, sagt Schröder. Man könne Wölfe nicht mit Rehen vergleichen. Von letzteren gebe es so viele, dass der Mensch eingreifen müsse – auch um zu verhindern, dass ganze Wälder kahl gefressen würden. Die Populationsdichte von Wölfen reguliere sich aber durch das Angebot der Beutetiere. Außerdem seien etwa 500 Wölfe in ganz Deutschland noch nicht sehr viel.

Der Wolf steht unter besonderem Schutz

Uwe Tichelmann vom Freundeskreis frei lebender Wölfe sagt. „Die Forderung des Bundesagrarministers ist nicht neu, zum Glück hat er damit keine Chance, denn hier herrscht EU-Recht und der Wolf steht nun mal auf der Liste der besonders zu schützenden Arten.“

Darauf verweist auch ein Sprecher von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD): „Die Forderung von Agrarminister Schmidt kann man unter dem Stichwort Wahlkampfgetöse abhaken. Er spielt mit uralten Ängsten vorm bösen Wolf.“ Sogenannte Problemwölfe könnten auch jetzt schon geschossen werden, sagte der Sprecher. Dafür und für den Ausgleich der Schäden bei den Nutztierhaltern gebe es ja das Wolfsmanagement in den Bundesländern: „Und inzwischen können betroffene Landwirte auch finanzielle Hilfen vom Bund wie beispielsweise für Hunde erhalten.“

Die Grenzen der Gastfreundschaft

Von diesen Hilfen vom Bund hat Frank Michelchen aus Leibsch im Spreewald noch nichts gehört. Und mit dem finanziellen Ausgleich durch das Land sei es auch nicht so einfach, sagt er. Michelchen ist Bio-Rinderzüchter und hat deshalb seine 45 Mutterkühe nebst Kälbern ganzjährig draußen auf der Weide stehen. „Um sie zu schützen, brauche ich einen Zaun von 7,7 Kilometern Länge. Der kostet allein vom Material her etwa 10 000 Euro. Hinzu kommen noch mal etwa 5000 Euro für Aufbau und Werterhaltung. Zuschüsse erhalte ich aber nur 60 Euro pro Mutterkuh, also 2700 Euro.“

Außerdem würden Wolfsrisse oftmals nicht als solche anerkannt und entschädigt, sagt Michelchen. Das Land bemühe sich um Lösungen, man arbeite an einer neuen Wolfsverordnung, aber die starre Haltung im Bundesumweltministerium und bei einigen Naturschutzverbänden führe dazu, dass die Akzeptanz für die Rückkehr der Wölfe in der Bevölkerung immer geringer werde.

„Wenn die Schäden bei den Nutztieren im gleichen Maße wie die Wolfspopulationen wachsen, kann die niemand mehr bezahlen“, sagt Michelchen: „Und da werden hier auch bald keine Nutztiere mehr auf der Weide stehen.“

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