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Lieber in eigener Hand. Bei der Hauptversammlung des Brandenburger Bauernbundes wurde kritisiert, dass schon zu viel Fläche im Land auswärtigen Betrieben gehört. Doch auch märkische Bauern fühlen sich unverstanden.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Wieder Land gewinnen

Brandenburgs Bauernbund kämpft, gegen Finanzhaie, Wölfe, Ahnungslose So war es auch bei der Jubiläumsversammlung in Schönwalde. Und die Politik?

Potsdam - Er zieht vom Leder, im Stakkato. Das Mikrofon in der Hand steht Reinhard Jung, Landwirt aus Lennewitz und Geschäftsführer des Brandenburger Bauernbundes, vorn im vollen Saal des Gasthofs „Schwanenkrug“ zu Schönwalde/Glien bei Falkensee. Gerade nimmt er Naturschützer aufs Korn, weil die etwa gegen den Abschuss von Wölfen sind, die Schafe und Kühe reißen. „Wir haben es geschafft, Monsanto aus dem Land zu jagen“, ruft Jung. „Mit dem Nabu werden wir auch noch fertig!“ Es ist kurz nach zehn. Da brandet der Beifall auf bei den rund 150 Bauern, die sich vor der Versammlung erst einmal gestärkt hatten, zünftig, die Bockwurst besonders beliebt, vereinzelt schon mal ein Bier dazu. Zur Einstimmung spielte das Ketziner Blasorchester auf, natürlich die Brandenburg-Hymne, wobei der Politikertisch neben dem Rednerpult – etwa mit SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke und CDU-Oppositionsführer Ingo Senftleben – textsicherer war als viele im Saal.

Der Bauernbund – laut Mitgliederrundbrief „christlich, konservativ, heimatverbunden“ – hatte zur diesjährigen Hauptversammlung gerufen, mit der auch sein 25-jähriges Jubiläum begangen wurde. Der Lobbyverband vertritt rund 450 bäuerliche Familienbetriebe der Mark und ist nach der Wende entstanden, auch als Gegenentwurf zu den aus den DDR-LPGs hervorgegangenen Groß-Agrargenossenschaften, die die Strukturen dominieren. Jung hatte in der Einladung angekündigt: „Von mir dürfen Sie einen großen agrarpolitischen Rundumschlag erwarten!“ Einen Rundumschlag liefert er. Danach geht es den Bauern nicht gut, kämpfen sie einen ziemlich einsamen Kampf in einem „Umfeld zwischen Wachstumswahn und Ökoterroristen“, einem „Umfeld von Andersdenkenden, um nicht zu sagen, Andersartigen“. Sagt er. Man kann sich auch selbst isolieren. Er beklagt eine Gesellschaft, in der es „immer mehr Ahnungslose in Stadt und inzwischen auch auf dem Land“ gebe, die glauben, dass die Landwirtschaft schuld an allem Übel sei. Eine Gesellschaft, „die uns fremd geworden ist, der wir fremd geworden sind“. Es gebe ein „riesiges Kommunikationsproblem, das ratlos macht“. Seine Antwort? Er habe keine, außer die: „Es ist schon viel gewonnen, wenn wir als Minderheit uns nicht einen Minderheitskomplex aufzwingen lassen.“ Konkret prangert er etwa den Ausverkauf der Äcker an, verweist auf die Studie des Thünen-Institutes, wonach bereits ein Fünftel der Flächen in der Mark von Betrieben bewirtschaftet werden, die nicht Brandenburgern gehören. „Eine Katastrophe“, sagt er. „Deshalb ist jeder bäuerliche Familienbetrieb ein Stachel im Fleisch des internationalen Finanzkapitals!“ Seine Kernbotschaft ist genauso absolut: „Brandenburgs Agrarpolitik braucht keine Vielfalt. Sie braucht ein Leitbild. Und das kann nur der bäuerliche Familienbetrieb sein.“ Der sei ökologisch und ökonomisch die leistungsfähigste Agrarstruktur.

Und die Politik? CDU-Partei- und Landtagsfraktionschef Ingo Senftleben – CDU und Bauernbund sind sich nahe – sichert Unterstützung zu, etwa beim Wolf, aber auch bei der EU-Agrarreform und ihren Auswirkungen auf das Land. Da es „mit Sicherheit nicht mehr Geld aus Brüssel“ gebe, müssten kleinere Betriebe besser unterstützt, „die ersten Hektar stärker gefördert werden“. Diese vom Bauernbund geforderte sogenannte Degression ist auch die Grünen-Position, die Fraktionschef Axel Vogel vorbringt. Er fordert eine Agrarwende, die der bäuerlich orientierten und naturverträglichen Landwirtschaft zugutekomme. Es gebe zwar Differenzen mit dem Bauernbund, etwa zum Umgang mit Bibern und Wölfen. Aber es gebe eben auch viele Gemeinsamkeiten, wie beim nötigen Ausstieg aus der Braunkohle oder der Ablehnung von Gentechnik. Und Woidke, der selbst mal Agrarminister war?

„Agrarböden dürfen nicht zu Spekulationsobjekten werden“, sagt Woidke. Beifall. Er spricht von der entscheidenden „Bodenfrage“, an der man arbeiten müsse, etwa an der geforderten „Höfeordnung“, die die Nachfolge für Betriebe erleichtern soll. Und der Regierungschef zeigt sich erleichtert, dass der Landwirtschaft Jamaika-Experimente erspart geblieben seien. Er verzichte gern auf eine agrarpolitische Führung im Bund, „die in der Landwirtschaft alles für verdächtig erklärt, was nicht nach einer Almwiese im Neckermann-Prospekt aussieht“. Woidke hatte als Agrarminister im „roten“ Brandenburg die vorherige Eiszeit zum Bauernbund gebrochen. Er nimmt den Verband ernst, gratuliert, insbesondere Jung, der aus Schleswig-Holstein her kam, „und zwar aus Wacken“, bekannt durch das Rockfestival, und hier „auf rockende Art“ für die Landwirtschaft streitet. Und er verweist darauf, dass man im Extremfall bei nachgewiesenen Bedrohungen für Herden inzwischen Wölfe abschießen dürfe.

Aber er tritt auch dem Absolutheitsanspruch des Bauernbundes entgegen, plädiert für Vielfalt. Agrarpolitik müsse so aussehen: „Initiieren und Investieren statt Bevormunden und Verbieten.“ Ein wirklicher Erfolgsweg gebe „keine ideologisch engen Planken vor, sondern erlaubt es jedem Betrieb, seinen eigenen Weg zu gehen, ob Familienbetrieb, ob Genossenschaft, ob Bio oder konventionell, ob Direktvermarkter in der Region oder für den Großhandel in Europa!“ Wer, wenn nicht der Landwirt selbst, könne das am besten beurteilen? Und Woidke sagt auch, dass weniger Geld für Großbetriebe nach einer EU-Agrarreform dem ländlichen Raum insgesamt schaden würde. „Der Blick auf das eigene kleine Gehöft greift da zu kurz.“ Auch das war deutlich. Man versteht sich. Thorsten Metzner

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