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Brandenburg: Wieder Flüchtlinge in Cottbus attackiert

Wachschutz in Unterkunft nach einem Übergriff in der Kritik. Der Staatsschutz ermittelt gegen sechs Verdächtige

Cottbus - Erneut ist es im Süden Brandenburgs zu einer offenbar fremdenfeindlich motivierten Attacke auf Asylsuchende gekommen. Am Neujahrsmorgen habe eine zehnköpfige Gruppe drei Flüchtlinge aus Afghanistan schwer verletzt, die sich auf dem Heimweg zu ihrer Unterkunft im Cottbuser Ortsteil Sachsendorf befanden, wie die Initiative „Cottbus schaut hin“ nun mitteilte. Zehn junge Deutsche hätten die Afghanen als „Scheiß Ausländer“ beschimpft, sie anschließend verfolgt und auf dem Weg zu ihren Wohnungen mit Schlagringen und Bierflaschen malträtiert. Den größten Schock hätten die Opfer aber erlebt, als sie in ihrer Unterkunft angekommen seien: Zwei Wachschützer hätten ihnen nicht geholfen.

Die Initiative, die im Internet Nachforschungen zu der Sicherheitsfirma angestellt hat, fragt nun: „Ist der Sicherheitsdienst von Rechtsextremen unterwandert?“ Es sei völlig indiskutabel, dass das Unternehmen – die Firma Distelkam aus Chemnitz, die dort auch das Landgericht bewacht – weiter Aufträge von der Stadt erhalte, so die Sprecherin der Initiative, Maria Koch.

Die Polizei in Cottbus bestätigte auf PNN-Anfrage zwar den Vorfall am Neujahrsmorgen, kann derzeit aber kein Fehlverhalten der beiden Wachmänner erkennen. Auch über eine rechtsextremistische Gesinnung der Security-Leute sei nichts bekannt. Die Namen der beiden seien überprüft worden, so Polizeisprecherin Ines Filohn. „Sie spielen keine Rolle in der rechten Szene in Cottbus.“ Aus Sicht der Wachschützer, die als Zeugen vernommen wurden, habe sich der Vorfall wie folgt abgespielt: Am Hauseingang sei geklingelt worden, worauf der Wachdienst den Türöffner betätigt habe. Als niemand ins Haus gekommen sei, hätten die Wachschützer nachgeschaut und die Tür von Hand geöffnet, worauf die drei Flüchtlinge ins Heim gelangt seien – und mit ihnen vier Männer und zwei Frauen. „Als es den Wachmännern nicht gelungen ist, die Auseinandersetzung zu schlichten, haben sie die Polizei alarmiert“, sagte Polizeisprecherin Filohn. Der Staatsschutz habe von Amts wegen die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung gegen insgesamt sechs Personen übernommen, weil ein rechtsextremer Hintergrund der Tat nicht ausgeschlossen werden könne. Gegen die Wachschützer werde nicht ermittelt.

Dafür prüft die Stadt Cottbus verwaltungsintern, „ob das Wachschutz-Unternehmen seinen vertraglichen Pflichten nachgekommen ist“, wie Stadtsprecher Jan Gloßmann auf PNN-Anfrage mitteilte. Der Wachschutz habe unter anderem dafür zu sorgen, dass nur Befugte bestimmte Bereiche der Unterkunft betreten. Bei dieser handle es sich um einen Wohnungsverbund, in dem sowohl Flüchtlinge (derzeit 62) als auch deutsche Mieter leben. Betreiber ist das Diakonische Werk Elbe-Elster. „Die Stadtverwaltung und namens der Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) verurteilen jede Form von Gewalt“, so Gloßmann. Die Sicherheitsfirma sei Vertragspartner der Stadt, nachdem sie bei einer Ausschreibung den Zuschlag erhalten habe. Die Prüfung der Firma obliege den zuständigen Behörden am Hauptsitz der Firma. „Diese Überprüfung ist nach unserem derzeitigen Kenntnisstand erfolgt“, so Gloßmann. Die Stadt werde die Behörde nun aber nochmals kontaktieren, um zu klären, ob es neue Erkenntnisse gebe.

Nach Angaben der Anti-Rechtsextremismus-Initiative „Cottbus schaut hin“ finden sich unter dem Facebook-Auftritt des Sicherheitsfirmenchefs mehrere „Gefällt-mir“-Angaben für Seiten, die auf eine rechtspopulistische bis rechtsextreme Gesinnung schließen ließen, darunter die Seite des Liedermachers Frank Rennicke, von dem Textzeilen wie „Mit Rudolf Hess ist uns ein Held geboren“ stammen. Cottbus ist nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden ein Hotspot der rechtsextremistischen Szene im Land. „Sie bündelt Neonationalsozialisten, Rocker, Angehörige des Bewachungsgewerbes, Kampfsportler, Hass-Musiker sowie Hooligans“, sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) unlängst.

Die beiden Wachmänner seien bis auf Weiteres versetzt worden – „zum eigenen Schutz vor Übergriffen der Täter“, wie Firmenchef Kai Distelkam den PNN am gestrigen Montag mitteilte. Am Donnerstag sei zudem ein Objektkontrolleur zu dem Wohnverbund geschickt worden. Die „teils massiven Unterstellungen“ durch die Cottbuser Initiative weise er zurück. Mitarbeiter würden grundsätzlich durch die zuständigen Behörden sowie die jeweiligen Auftraggeber überprüft. „Sollten wir bei Mitarbeitern feststellen, dass diese eine radikale Einstellung haben, trennen wir uns von diesen“, versicherte Distelkam. „Natürlich können wir nicht bei jedem Menschen in den Kopf schauen.“

In Potsdam war wie berichtet erst kürzlich ein bekannter Neonazi vom Dienst suspendiert worden, der für die Bewachung des Flüchtlingsheims im Staudenhof zuständig war.

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