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Verzettelt. Alexander Gauland sortiert schon zum Start seine Fraktion neu – und zeigt sich menschlich enttäuscht.

© dpa

Brandenburg: Whistleblower gegen AfD-Rechtsruck

Er hatte Interna ausgeplaudert und muss nun die AfD-Fraktion verlassen. Das Pikante: Der Potsdamer Stefan Hein ist der Sohn der Freundin von Parteichef Alexander Gauland

Potsdam - Kurz nach ihrem Einzug in den Brandenburger Landtag wird die rechtspopulistische AfD schon durch eine Affäre erschüttert, in der die Grenzen zwischen  Politikbetrieb und dem Privatleben des AfD-Spitzenmanns Alexander Gauland verwischen.

Am Donnerstagmittag teilte die Partei mit, dass der Potsdamer Stefan Hein sein gerade errungenes Landtagsmandat nicht annehmen wird und sich aus dem Landesparteivorstand zurückzieht – aus „persönlichen Gründen“, wie es in der Erklärung heißt. Auslöser ist ein Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ vom Wochenende, wonach AfD-Landeschef Alexander Gauland nach Angaben eines namentlich nicht genannten „engsten Getreuen“ zu rechtslastige Abgeordnete loswerden wolle und belastendes Material sammle. Gauland hatte dies am Sonntag energisch dementiert und wurde zugleich zum Chef der neuen elfköpfigen Fraktion gewählt. Zudem hatte er angekündigt, rechtliche Schritte gegen den „Spiegel“ einleiten zu wollen.

Dazu kommt es nun doch nicht. Denn Hein, von Beruf Kommunikationsberater, hat eingeräumt, den belastenden Bericht lanciert und den „Spiegel“ in Mails, Telefonaten und SMS mit Informationen versorgt zu haben. Pikant an der Affäre sind die familiären Bande zwischen Gauland und dem 30-jährigen Hein: Dessen Mutter, Carola Hein, ist die Lebensgefährtin von AfD-Landes- und Fraktionschef Gauland. Sie erledigt abends daheim die Partei-E-Mails, tagsüber arbeitet sie als Lokalredakteurin bei der Märkischen Allgemeinen Zeitung, deren Herausgeber wiederum Gauland 14 Jahre lang war.

Stefan Hein hatte kompromittierendes Material über vier Fraktionsmitglieder, die früher in den vom Verfassungsschutz beobachteten Rechtsaußen-Parteien „Freiheit“, „Bund Freier Bürger“ und „Pro Deutschland“ aktiv waren, gesammelt und wollte sie davon abhalten, ihr Mandat anzunehmen – offenbar aus Sorge um den Ruf der AfD, die bei der Wahl 12,2 Prozent der Stimmen geholt hatte und mit elf Abgeordenten in den Landtag einzieht.

Der 73-jährige Gauland selbst sprach von einem schweren Fehlverhalten Heins, das in keiner Weise entschuldbar sei. Den PNN sagte er, er habe am Dienstag ernsthafte Hinweise aus den eigenen Reihen auf die Quelle für den Bericht erhalten und dann Hein damit konfrontiert. „Er wollte mir auf verquere Weise nutzen“, sagte er. „Man kann nicht den Versuch machen – hinter dem Rücken der Kollegen und über ein Medium –, die Partei zu säubern und Menschen, die einem persönlich unliebsam sind, hinauszudrängen. Wenn er Bedenken gehabt hätte, hätte er sich offenbaren müssen, was bei unserer Nähe nicht unmöglich gewesen wäre.“ Hein habe sich „charakterlich defizitär“ verhalten. So könne man in der Politik nicht denken und nicht handeln. Auch menschlich sei er von Hein schwer enttäuscht.

Für Gauland hat die Affäre auch etwas Gutes: Er hat Führungsstärke bewiesen. „Ich wollte es nicht aussitzen und davon abhängig sein, dass es irgendwann herauskommt“, sagte er. Zudem ließ Gauland erklären, dass die vier Abgeordneten mit Rechtsaußen-Vergangenheit „das uneingeschränkte Vertrauen der Fraktionsspitze und aller Mitglieder der Fraktion“ genießen. Und die Fraktion sprach Gauland im Gegenzug auf einer Sondersitzung am Morgen das Vertrauen aus.

Der hat jedenfalls keine Bedenken wegen der vier Abgeordneten, die nach Ansichts Heins hätten gefährlich werden können. Zumal bekannt ist, dass er auf rechtsextreme Grenzüberschreitungen aus AfD-Reihen hart reagiert. Auch wenn SPD-Fraktionschef Klaus Ness der AfD vorwirft, „rechtsaußen nicht ganz dicht“ zu sein. Gauland spricht vielmehr von einer zweiten Chance, jeder könne sich mal irren – so wie bei den Linken, die bisher in der Regierung waren und nun erneut Rot-Rot mit der SPD aushandeln. Er habe bei keinem der vier Abgeordneten erlebt, dass dieser frühere Positionen vertrete.

Nachrücker für Hein in der AfD-Landtagsfraktion ist Jan-Ulrich Weiß, Landwirt, 39 Jahre alt, siebenfacher Vater aus Templin, der mit Holz und Wild handelt und nach eigenen Angaben Forst- und Landwirtschaftliche Dienstleistungen anbietet. Einfacher wird es damit für die AfD und für Gaulands Kampf um den Ruf der Partei nicht. Weiß verstärkt sogar das Image der AfD als Rechtspartei, gegen das Stefan Hein mit seiner Aktion angehen wollte.

Auf seinem öffentlichen Facebook-Profil verbreitet Weiß antisemitische Verschwörungstheorien und Hetze. Außerdem hat er einen Link zu einem Bericht über den Prozess um die Morde des Neonazi-Terrortrios NSU geteilt mit der Überschrift: „Ex-V-Mann schmäht NSU-Verfahren als Schauprozess“. Der kurze Kommentar von Weiß dazu: „Mehr ist es auch nicht.“Alexander Fröhlich

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