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Ob die Wasserreserven unter den Feldern einen weiteren trockenen Sommer überstehen, ist fraglich. 

© Sebastian Gabsch

Wetter in Brandenburg: Ein verregneter Frühling wäre perfekt

Wird es diesmal wieder so heiß und trocken wie im Vorjahr, bekommt die Natur arge Probleme. Höchste Zeit für einen ersten Ausblick.

Diesmal hat es der April extrem eilig. Noch steht der launenhafteste aller Monate nicht im Kalender, aber der erste sprunghafte Wetterwechsel naht bereits. Heiter und frühlingshaft warm war es am Samstag dank Hoch „Hannelore“, doch in der Nacht zum Montag kam der Absturz: Ein Schwall Polarluft brachte 3 Grad nachts und maximal 8 Grad tagsüber nach Brandenburg und Berlin – inklusive Schnee- und Graupelschauern.

Hat die Natur den Dürre-Schock 2018 schon verkraftet?

War der allererste Frühling also nur eine kurze Freude? Kündigen sich schon wieder extreme Wetterlagen an, womöglich langfristig, wie die dramatische Dürreperiode im vergangenen Jahr? Und wie steht es um die Natur – haben die Wälder und Straßenbäume, die Feldfrüchte sowie die Pflanzen in Parks und Gärten und die Tierwelt den Schock der Trockenheit überhaupt schon verkraftet? Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen – und für einen Blick voraus.

Gruselig ist für alle Experten die Vorstellung, dass im Sommer 2019 erneut so lange kein Regen fallen könnte wie im vergangenen Jahr. „Das wäre eine Katastrophe“, bringt Michael Kopka von der brandenburgischen Forstverwaltung die Stimmung auf den Punkt. Dann würden kaum mehr aufzuholende Schäden drohen. Wie sich das Wetter langfristrig entwickelt, will aber derzeit kein Meteorologe voraussagen. Es gibt zwar seriöse Studien, die im Zuge des Klimawandels weitere Hitzesommer prophezeien, aber konkret für 2019 legt sich auch Carsten Raymund vom Wetterdienst Meteogroup nicht fest. „Das wäre ein Blick in die Glaskugel“, betont er. „Das Klimageschehen ist zu komplex.“ Langfristprognosen seien wissenschaftlich nicht haltbar.

Winter war zu sonnig und vier Grad zu warm

Beim Blick auf die Messwerte seit Dezember 2018 sieht er aber in punkto Sonne, Temperatur und Regen zumindest keinen Anlass zu sofortiger Sorge. Das Winterwetter war ja bislang durchwachsen. Unterm Strich war es im Vergleich zum jeweiligen Durchschnittswert kontinuierlich zu sonnig und etwa vier Grad zu warm. Im Februar fehlte zudem ein knappes Drittel des normalen Niederschlages. Aber dafür regnete es im Dezember, Januar und März etwa 35 Prozent mehr als üblich.

Das Regendefizit aus dem Vorjahr sei damit aber noch längst nicht ausgeglichen, betonen unisono Forst- und Umweltbehörden. Die Situation kurz vor Frühlingsbeginn sei keineswegs luxuriös, zumal das Wasser in den Sandböden der Region rasch in untere Erdschichten versickert, an die selbst tiefwurzelnde Bäume nicht herankommen. „Wir brauchen dringend besser gefüllte Reservoire“, sagt Forstmann Michael Kopka. Und Derk Ehlert, Experte für Berlins Flora und Fauna in der Senatsverwaltung für Umweltschutz, wünscht sich „einen guten Wasserpuffer“. Beide hoffen nun auf ein eher regenreiches Frühjahr.

Zustand der Wälder

Die starken Regenfälle 2017 retteten die Wälder in Brandenburg und Berlin über die Dürrezeit im vergangenen Jahr hinweg. „Es waren Gott sei Dank noch Wasserreserven vorhanden“, sagt Forstwirt Michael Kopka. Bei den Laubbäumen könne man aktuell noch nicht sagen, inwieweit sie dennoch langfristig Schäden erlitten. Das zeige sich erst, „wenn der Blattaustrieb beginnt“, wenn Knospen und Triebe eventuell zu dürftig ausgebildet werden oder Äste kahl bleiben.

„Erschreckend sichtbar“, so Kopka, „sind aber bereits die extremen Schäden an den märkischen Kiefern.“ Schädlinge wie die Schmetterlinge Nonne, Kiefernspinner und Forleule konnten sich 2018 dank der Trockenheit perfekt entwickeln. Ihre Raupen fraßen die Kiefern kahl. „Die haben kaum noch Nadeln“, sagt Kopka. Und nun drohe schon die nächste Invasion, weil im April eine weitere Raupengeneration ausschlüpft. Es bleibe nur noch eine Chance, um die Kiefern zu retten: „Wir müssen großflächig aus der Luft Schädlingsbekämpfungsmittel versprühen.“

Kaum besser sieht es bei den märkischen Fichten aus. Sie werden vom Borkenkäfer heimgesucht, der gleichfalls von der Hitze profitierte und dadurch erstmals seit Langem drei Generationen in einem Jahr ausbilden konnte. „Die Situation ist so schlimm, dass wir uns von den Fichten total verabschieden müssen“, sagt Kopka. Im Gegensatz zur Kiefer sei die Fichte aber kein landestypischer Baum. Deshalb fällt ihm der Verzicht hier leichter. Das hat auch mit dem angestrebten offiziellen „Umbau“ des Waldes zu tun. Brandenburg fördert langfristig Forste, die Hitze- und Schädlingsattacken besser überstehen können. „Das sind gesunde Mischwälder aus Eichen, Buchen, Kiefern und Birken“, erläutert Michael Kopka.

Dass dieser Mix tatsächlich robuster ist, erweist sich beim Blick auf Berlins Wälder. „Wir haben hier schon weitgehend das Mischwald-Ideal der Brandenburger und entsprechend viel geringere Probleme mit Borkenkäfern und Kiefernschädlingen“, sagt der Sprecher der Berliner Forsten, Marc Franusch. Heftige Trockenheitsverluste habe es aber bei vielen Neuanpflanzungen gegeben, die im Herbst 2017 beispielsweise im Berliner Grunewald in die Erde gebracht worden waren. „Drei Viertel der jungen Bäumchen wurden Opfer der Dürre.“ Und angesichts des durchwachsenen Winters 2018/19 sagt Franusch: „Wir hätten uns eine knackig kalte Winterpause gewünscht.“ Das sei zur Regeneration der Bäume das Allerbeste.

Landwirtschaft und Obstplantagen

Einen Winter, der seinem Namen Ehre macht, hatten sich auch Brandenburgs Landwirte ersehnt. „Vor allem einen mit viel Schnee“, sagt Ulrich Böhm vom Landesbauernverband. Für die Wintersaat sei eine dicke Schneedecke, die langsam auftaut, der nachhaltigste Wassergarant. Man starte derzeit also „nicht mit den besten Bedingungen“, meint Böhm. Dennoch habe sich die im Herbst ausgebrachte Wintersaat gut entwickelt. „Es war ja zumindest recht feucht und mild“ – eine gleichfalls wachstumsfördernde Kombination. Auf keinen Fall dürfe aber noch ein Frosteinbruch kommen. Das würde die Jungpflanzen stark gefährden.

Ähnlich kritisch ist derzeit die Situation der Obstbauern. Erste Triebe zeigen sich in den Plantagen, beschleunigt durch milde Temperaturen, Sonne und ein bisschen Regen. Ein Kältesturz könnte sie rasch zerstören.

Stadtgrün und Straßenbäume

Vertrocknete, kahle Äste an Nadel- und Laubgehölzen, hässliche braune Flecken an immergrünen Sträuchern – Derk Ehlert von der Berliner Senatsverwaltung für Umweltschutz beschreibt drastisch die erst jetzt sichtbaren Hitzeschäden in Parks und Gärten. Sein Rat: „Die abgestorbenen Stellen rasch ab- und ausschneiden.“ Das helfe den Pflanzen, sich zu erholen. Auch an manchen Straßenbäumen seien schon erste Spätfolgen der Hitze wie Wipfeldürre oder mickrige Austriebe zu erkennen. Das tatsächliche Ausmaß der Schäden könne man aber erst beurteilen, wenn der Austrieb stärker fortgeschritten ist. Als erste Reaktion auf die Hitze hatten Straßenbäume im vergangenen Spätsommer weitaus früher als sonst ihr Laub abgeworfen. Dadurch reduzierten sie die Verdunstung.

Insekten und Vögel

Achtung, die Zecken sind los! Ab 7 Grad erwachen sie aus ihrer Winterruhe. Man sollte sich im Wald schon vor ihnen schützen, raten Insektenkenner. Auch die Mücken werden bereits rege. Sie sind zwar geschwächt durch den Winter gekommen, weil ihnen klirrende Kälte fehlte, ohne die sie nicht so recht in Tiefschlaf verfallen. Aber andererseits treiben sie die milden März-Temperaturen nun an, sich ungewöhnlich frühzeitig zu vermehren. Droht eine baldige Mückenplage? „Das ist noch nicht absehbar“, sagt Derk Ehlert. Es hängt vom künftigen Wetter ab. Wird es noch mal frostig, geht den Mücken eventuell die Energie verloren.

Für die Vögel jedenfalls ist der Insektentisch offenbar schon halbwegs gedeckt. Die Tage sind auch schon länger geworden, die zunehmende Helligkeit schürt ihr Temperament und animiert sie zum Zwitschern.

Beim Naturschutzbund Nabu weiß man, dass Amseln und Ringeltauben schon auf ihren Nestern sitzen. Doch viele Singvögel sind noch gar nicht aus ihren südlichen Refugien zurückgekommen. Mönchgrasmücken und Laubsänger landen vermutlich in den nächsten Tagen an der Spree, sie reisen aus Südeuropa oder Marokko an. Nachtigallen werden hingegen erst Ende April erwartet. Die „Königin der Nacht“ überwintert in Zentral- und Südafrika. Vermutlich hätte sie auch mit einer Hitzewelle 2019 kaum Probleme.

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