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Werbung für Abtreibungen: Brandenburgs Landesregierung will Paragraf 219a streichen

CDU und SPD im Bund finden bislang keine Einigung zum Paragrafen 219a, der Ärzten Werbung für Abtreibungen verbietet. Nun wächst auch aus Brandenburg der Druck.

Potsdam - Der Fall Kristina Hänel schlug bundesweit hohe Wellen. Auch in Brandenburg wird seitdem wieder viel über Abtreibungen diskutiert. Die Gießener Ärztin war 2017 wegen eines Verstoßes gegen Paragraf 219a zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie auf ihrer Homepage darauf hingewiesen hatte, auch Schwangerschaftsabbrüche anzubieten.

Die Bundesregierung hatte sich darauf verständigt, dass das Justizministerium im Herbst 2018 einen Änderungsvorschlag vorlegen soll. Die SPD ist für die Streichung des Paragrafen, die Union dagegen, ebenso die katholische Kirche. Doch bislang gab es in der Groko keine Einigung.

Vor einem Schlichtungsgespräch zwischen SPD und CDU kommenden Donnerstag steigt nun der Druck auf SPD-Chefin Andrea Nahles. Eine Gruppe von zwölf jungen SPD-Bundestagsabgeordneten erklärt, dass Nahles in der Verhandlung nicht einknicken dürfe, es gehe um die Glaubwürdigkeit der Partei.

Unter ihnen ist die Potsdamerin Manja Schüle, die eine Streichung des Werbeverbotsparagrafen gerade für Flächenländer wie Brandenburg für zwingend notwendig hält. Frauen in ländlichen Regionen, die keinen Arzt vor der Haustür haben, müssten sich schnell und unbürokratisch informieren können, wo sie einen solchen Eingriff vornehmen lassen können, sagt sie. Die vorgeschriebene Aufklärung durch eine Beratungsstelle ersetze das ohnehin nicht.

SPD für Gesetzesänderung

„Es müssen möglichst schnell gesetzliche Änderungen verabschiedet werden, auf deren Grundlage Ärztinnen und Ärzte objektiv und straffrei über Schwangerschaftsabbrüche informieren können. Dabei muss das Informationsrecht für schwangere Frauen gewährleistet sein“, heißt es in der Beschlussvorlage der jungen Abgeordneten an die SPD-Bundestagsfraktion.

Paragraf 219a im Strafgesetzbuch untersagt „das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen“ von Abtreibungen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in „grob anstößiger Weise“ geschieht. Er soll verhindern, einen Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit als normale ärztliche Leistung darzustellen und zu kommerzialisieren. Die niedersächsische SPD-Landtagsfraktion pocht auf eine ersatzlose Streichung des Paragrafen. Führende SPD-Bundestagsabgeordnete fordern, die Abstimmung über eine Änderung des Paragrafen freizugeben und zur Gewissensfrage zu erklären.

SPD fordert ersatzlose Streichung

In Brandenburg haben die Fraktionen von SPD, Linken und Grünen die rot-rote Landesregierung bereits im Dezember 2017 aufgefordert, sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative für die ersatzlose Streichung des Paragrafen 219a einzusetzen. Ärzte hätten laut Berufsordnung das Recht, über ihr Leistungsangebot sachlich und berufsbezogen zu informieren. Das müsse auch für Schwangerschaftsabbrüche gelten, heißt es in der Begründung. So sieht es auch der Berufsverband der Frauenärzte in Brandenburg.

Durch den Paragrafen würde suggeriert, Ärzten ginge es nur darum, mit Schwangerschaftsabbrüchen Geld machen zu wollen, so der Vorsitzende Thomas Döbler. Dabei gehe es um schlichte Patienteninformation und nicht um Werbung.

Ihre Position legt die Landesregierung in einer aktuellen Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-Fraktion dar: „Die Landesregierung hält die geltende Regelung jedenfalls insoweit für inakzeptabel, als von der Strafvorschrift auch Handlungen erfasst werden, die lediglich sachliche Informationen über die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen beinhalten.“

Anhaltspunkte für aktuell bestehende Versorgungslücken für Schwangerschaftsabbrüche sehe man nicht, so das Gesundheitsministerium. Allerdings trage die gegenwärtige Rechtslage dazu bei, Ärzte, die entsprechende Eingriffe durchführen, zu stigmatisieren. „Dies bringt die Gefahr mit sich, dass sich zunehmend Ärztinnen und Ärzte aus dem Versorgungsgebiet zurückziehen. Daraus könnten sich Versorgungslücken entwickeln“, warnt das Ressort von Ministerin Susanna Karawanskij (Linke).

CDU ist gegen Werbung für Abtreibungen

Die Brandenburger CDU tut sich nicht ganz leicht mit dem Thema. Nach Angaben des statistischen Landesamtes entschieden sich im Vorjahr 3287 Brandenburgerinnen für einen Schwangerschaftsabbruch. Das waren zwar 56 Abtreibungen weniger als ein Jahr zuvor, aber die Zahl sei dennoch erschreckend hoch, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Raik Nowka. Abtreibungen womöglich zu befördern, in dem man Werbung dafür zulässt, sei der falsche Weg. Er halte die momentane Gesetzeslage für „fein austariert“, eine Abschaffung des Paragrafen für 219a für nicht nötig. Aber: „Den Paragrafen so zu formulieren, dass klar ist, was Information ist und was Werbung, wäre ein möglicher Kompromiss“, sagt er. Ärzte dürften nicht kriminalisiert werden, findet auch der CDU-Politiker. Wichtiger als den Paragrafenstreit findet er die Frage, was man tun kann, damit Frauen gar nicht erst in die Situation kommen, über einen Abbruch nachdenken zu müssen. „Wenn bei Verhütungsmitteln für manche Geld das Problem ist, dann muss man dafür eine Lösung finden“, sagt Nowka.

Das sieht auch die Landesregierung so. Für Frauen mit geringem Einkommen sollten die Kosten für Verhütungsmittel übernommen werden, heißt es in der Ministeriumsantwort. Brandenburg habe sich deshalb am Antrag mehrerer Länder auf Entschließung des Bundesrates beteiligt. Mit dem Bundesratsbeschluss vom Dezember 2017 wurde die Bundesregierung aufgefordert, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass allen Frauen ein gleichberechtigter Zugang zu Verhütungsmitteln ermöglicht wird und die Kosten für einkommensschwache Frauen oder Frauen, die Sozialleistungen beziehen, unbürokratisch übernommen werden. Das gilt auch für die rückwirkende Erstattung von Kosten für Notfallkontrazeptiva, also die „Pille danach“.

Diese wurde laut Ministerium 2016 und 2017 insgesamt 1.565.000 mal in deutschen Apotheken abgegeben. Trotzdem sei die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland wieder gestiegen, stellt die CDU-Fraktion in ihrer Anfrage fest. 2017 entschieden sich laut Statistischem Bundesamt 101.209 Frauen dagegen, ihr Kind zur Welt zu bringen. Ein Jahr zuvor waren es 98.721. Die Landesregierung sieht aber die Langzeitentwicklung: Postkoitale Verhütung sei seit dem Frühjahr 2015 in Deutschland rezeptfrei erhältlich und schon seit 2000 zugelassen. Seit dem Jahr 2000 sei die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bundesweit um mehr als 30 Prozent gesunken.

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