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Brandenburg: Wer den Schaden hat

Händler, Firmen und Arbeitnehmer sind enttäuscht. Es wird keinen finanziellen Ausgleich geben Viele wollen nun die von Politikern versprochenen direkten Hilfen beim Flughafen einklagen

Von Sandra Dassler

Schönefeld - Beatrice Posch sagt nicht: „Sie haben uns wieder belogen.“ Sie versteckt ihre Enttäuschung in einem vorbereiteten Satz: „Anders als von den Politikern verkündet, gibt es keine direkten finanziellen Hilfen für die von der Verschiebung der Flughafen-Eröffnung Betroffenen.“ Die Traurigkeit in ihrer Stimme verwandelt sich in Trotz: „Nun müssen wir doch – und viele andere werden das auch tun – einen Anwalt einschalten, um die rechtlichen Grundlagen für Schadenersatzforderungen zu prüfen.“

Beatrice Posch betreibt in Berlin zwei Spielzeugläden, die sie „Die kleine Gesellschaft“ nennt. Am Großflughafen BER hat die 40-Jährige den Zuschlag für einen 60 Quadratmeter großen Laden erhalten und sich gefreut. „Für mich ist das eine neue Dimension“, sagt sie: „Deshalb habe ich sorgfältig fünf Verkäuferinnen ausgewählt. Die muss ich nun entlassen, was doppelt bitter ist. Sie stehen auf der Straße und werden nicht auf mich und die Flughafeneröffnung warten, wenn sie anderswo einen Job bekommen.“

Bis Mittwochabend hatte Beatrice Posch noch gehofft. Schließlich war sie ja wie alle anderen Mieter am BER von der Flughafengesellschaft angemailt und um ein Gespräch gebeten worden. „Dass die nicht die Personalkosten für fünf Verkäuferinnen übernehmen, hab’ ich mir schon gedacht“, sagt sie: „Aber wenigstens die Stornierungskosten für das bereits bestellte Spielzeug hätte man mir ja ersetzen können.“

Doch die Vermieterfirma der Flughafengesellschaft unterbreitete Beatrice Posch keine Angebote. Auch bei den Krediten, die ja abgezahlt werden müssen, obwohl noch keine Gewinne erzielt werden können, wolle man nicht helfen, hieß es. „Die haben klar gesagt, dass sie davon ausgehen, dass sie nichts zahlen müssen“, ärgert sich Beatrice Posch: „Sie berufen sich auf die Klausel, die alle Mieter unterschreiben mussten, wonach bei einer Verschiebung des Eröffnungstermins um bis zu 18 Monate keine Entschädigung eingefordert werden kann.“

Ein Flughafensprecher sagte den PNN: „Es stimmt, dass wir keinen finanziellen Schadenersatz zahlen. Allerdings werden wir das Gespräch mit Frau Posch fortsetzen und ihr vielleicht anderweitig entgegenkommen, beispielsweise, was die Dauer oder Optimierung ihres Mietvertrages anbelangt oder auch bei der Bereitstellung von Verkaufsflächen an den beiden aktiven Flughäfen.“

Bruno Pellegrini, Inhaber des italienischen Restaurants „Ana e Bruno“ in Charlottenburg hoffte wie Beatrice Posch auf eine finanzielle Unterstützung für die wartenden Mieter der Ladenflächen. Er hat ein Bistro mit 300 Quadratmetern Fläche am zukünftigen Großflughafen eröffnen wollen und dafür neun neue Mitarbeiter eingestellt. Montagabend hatte er sein Gespräch mit der Flughafengesellschaft. Und auch da hieß es: Keinen Pfennig.

Durch den verschobenen Eröffnungstermin geschädigt ist auch die Firma Haru-Reisen aus Spandau. Sie hatte für mehr als 800 000 Euro drei spezielle Busse gekauft, um die Schnellbuslinie vom Steglitzer Kreisel zum neuen Großflughafen zu betreiben. Nun stehen die Fahrzeuge ungenutzt herum.

„Ramona Popp war da, immerhin“, sagt Hans-Jörg Schulze, einer der geschäftsführenden Haru-Gesellschafter. Die grüne Fraktionsvorsitzende habe sich auch erkundigt, ob es für bereits avisierte Mitarbeiter – Haru-Reisen hatte sieben Kollegen für die Schnellbuslinie angestellt – Hilfen geben könnte. „Vielleicht können sich die Parlamentarier für ein spezielles Kurzarbeitergeld starkmachen“, hofft Hans-Jörg Schulze.

Ein solches Kurzarbeitergeld könnte vielen Menschen helfen, deren Arbeitsverträge jetzt gekündigt werden, sagt Clarissa Schmidt von der für BER zuständigen Arbeitsagentur in Potsdam. Ihre Mitarbeiter haben mehr als die Hälfte der betroffenen Unternehmen befragt und gehen davon aus, dass mindestens 400 Menschen in diesen Tagen entlassen werden.

Nicht alle Entlassenen werden eine Beschäftigung finden, viele sehen einer ungewissen Zeit entgegen. Das gilt nach wie vor auch für Jasmin K. (Name geändert). Sie hat, wie berichtet, gerade ihre Ausbildung zur Flugbegleiterin beendet, sollte mit weiteren 140 Frauen und Männern bei der Lufthansa-Tochter AviatonPower eingestellt werden. Zwar hatte Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber am Montag dieser Zeitung gesagt: „Der Bedarf an Flugbegleitern ist da, weil wir die zusätzlichen Flüge von Tegel aus durchführen“, aber noch hat Jasmin K. keinen Arbeitsvertrag. „Vielleicht bekommen wir ja am Wochenende Informationen“, sagt die 22-Jährige: „Da sollen wir unsere Zertifikate als Flugbegleiter erhalten.“

Vor allem für viele Kollegen, die nicht aus Berlin sind, sei die Ungewissheit schrecklich, erzählt die junge Stewardess. Manche hätten ihre Jobs und Wohnungen anderswo gekündigt. „Besonders leid tut es mir um jene, die aus Spanien kommen, wo die Fluggesellschaft Spanair Anfang des Jahres pleiteging“, sagt Jasmin K. Und spricht aus, was auch Beatrice Posch, Bruno Pellegrini und viele andere Betroffene sich fragen: „Ob jene, die für das Desaster verantwortlich sind, wissen, wie viele Schicksale daran hängen?“

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