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Weniger Schüler: Neue Welle von Schulschließungen droht

UPDATE. Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) sucht nach Auswegen aus einem Dilemma. „Wir wollen keine Schulen schließen, aber ich kann nicht ausschließen, dass es so kommen wird“, sagte sie am Donnerstag in Potsdam.

Potsdam - Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) sucht nach Auswegen aus einem Dilemma. „Wir wollen keine Schulen schließen, aber ich kann nicht ausschließen, dass es so kommen wird“, sagte sie am Donnerstag in Potsdam. Ende September will Münch eine Demografie-Kommission ins Leben rufen, die bis 2013 Modelle für ein stabiles Schulnetz erarbeiten soll. Noch vermeidet es Münch, Horrorszenarien an die Wand zu malen. Tatsächlich aber wird die Lage dramatisch. Es ist nicht absehbar, wie gerade in den Berlin-fernen Regionen Schule überhaupt noch funktionieren soll.

Dabei klagen Eltern schon jetzt über stundenlange Schulwege. Und die Lage wird noch schlimmer – Brandenburg erlebt ein demografisches Echo. Durch den Geburtenknick nach der Wende mussten bereits bis 2003 ganze 149 Grundschulen schließen, das waren 25 Prozent des damaligen Bestandes. Erst 2008 ebbte die Welle der Schulschließungen ab, die Zahl der Geburten und Schüler stabilisierte sich. Doch in wenigen Jahren erfasst Brandenburg eine zweite Welle. Denn ab 2017 sinkt die Zahl der Grundschüler rapide. Bis 2030 halbiert sich die Zahl der Geburten landesweit von 19 000 auf 9 900, in abgelegenen Regionen beträgt der Rückgang sogar bis zu zwei Drittel.

Münch will sich bislang nicht festlegen, wie die Schulversorgung in Zukunft aussehen soll. Sie setzt alles auf die Kommission. Schulwege müssten zumutbar sein, Mindestklassengrößen und Filiallösungen für Schulstandorte seien denkbar. Schon jetzt gebe es kleine jahrgangsübergreifende Grundschulen mit je nur zehn Schülern pro Klasse. „Bei einer noch geringeren Zahl ist das nicht mehr machbar“, sagte Münch. Auch die Bildungsexpertin der Linke-Landtagsfraktion, Gerrit Große, erklärte, selbst das Modell der kleinen Grundschule mit 13 Kindern in zwei Jahrgängen werde angesichts des Geburtenrückgangs in einigen Regionen nicht mehr zu halten sein. Punktuell seien diese Mini-Einrichtungen sinnvoll, wenn noch genügend Schüler für ein „anregungsreiches Klima“ da sind. „Wir werden gern alle Standorte halten, aber wo es nur noch fünf Kinder sind, wird das nicht gehen.“

Bereits zum Ende des vergangenen Schuljahres mussten drei Grundschulen dichtmachen, weitere sind gefährdet. An insgesamt sechs Schulen kamen keine Eingangsklassen zustande.

Große plädierte daher für das Modell Gemeinschaftsschule von der ersten bis zur zehnten Klasse, selbst mit nur einzügigen Jahrgangsstufen. Schon jetzt gebe es immer mehr Standorte, wo Grund- an Oberschule angegliedert sind, und dadurch der Erhalt halbwegs gesichert sei. Ansonsten wäre bei den weiterführenden Schulen, die den neuen Geburtenknick ab 2025 zu spüren bekommen, auch über Internatslösungen nachzudenken. Egal wie, am Ende entscheiden die Kosten. „Wir müssen sehen, was finanzierbar ist“, sagte Münch.

Schon jetzt stößt die Ministerin mit ihren Wünschen an Grenzen. Zwar stellt das Land 450 neue Lehrer ein, denen eine Verbeamtung winkt. Doch das gleicht gerade die Altersabgänge aus. Ursprünglich wollte Münch 650 neue Lehrer einstellen und für die Pensionierungswelle in den nächsten Jahren vorsorgen. Im Zuge der Haushaltsgespräche wurde die Zahl auf Druck von Finanzminister Helmuth Markov (Linke) erst auf 550 und nach genauer Bedarfsrechnung auf 450 reduziert. Die Opposition sprach daher von „Zahlen-Hokuspokus“ und einer „Mogelpackung“. Die neu eingestellten jungen Lehrer gleichen gerade die Altersabgänge aus. Bei etwa einem Drittel wurden befristete Verträge in unbefristete umgewandelt, der Rest neu eingestellt. Knapp die Hälfte der neuen Kräfte wird in den Schulamtsbezirken Brandenburg (Havel), zu dem Potsdam gehört, und Perleberg eingesetzt. 119 der neuen Lehrer werden an die 85 Grundschulen geschickt, die am Pilotprojekt „Inklusive Schule“ teilnehmen. Ab 2015 sollen alle Schulen schrittweise inklusiv werden, Förderschulen wegfallen.

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