zum Hauptinhalt
Während die Folgen des Klimawandels teils Alarmstimmung auslösen, haben die Berliner Wasserbetriebe noch nicht zum Wassersparen aufgerufen - Umweltschützer kritisieren das und vermuten wirtschaftliche Gründe.

© Christoph Soeder/dpa

Wassermangel aufgrund von Trockenheit: Nicht mehr viel im Fluss

Ob Berlin auf dem Trockenen sitzt, hängt von Brandenburg und Sachsen ab. Dort ist der Wassermangel dramatisch, Wasser sparen ist angesagt. In Berlin ist man entspannter, Umweltschützer sind empört.

Berlin – Normalerweise interessieren Wasserstandsmeldungen aus der Oberlausitz in Berlin eher wenig. Zurzeit ist das anders, denn von den gut 400 Litern Regen pro Quadratmeter, die laut statistischem Soll in Berlin seit Jahresbeginn hätten fallen sollen, fehlen noch fast 80. Und weil die beiden Vorjahre so extrem trocken waren, summiert sich das Niederschlagsdefizit seit Anfang 2018 auf 400 Liter: 40 große Wassereimer auf jedem Quadratmeter. Tatsächlich fehlt wegen der hohen Verdunstung in diesen besonders warmen Jahren sogar noch mehr. Der Natur ist der Mangel anzusehen; selbst als robust geltende Bäume wie Kiefern und Birken sterben massenhaft ab. Die Menschen spüren den Mangel bisher nur ausnahmsweise: Im Spreewald sind einige Schleusen stillgelegt worden, damit nicht mit jedem Boot ein Schwall Wasser verloren geht. Wassergrundstücksbesitzern in den meisten Brandenburger Landkreisen drohen hohe Bußgelder, wenn sie Oberflächenwasser in ihre Gärten pumpen. Aber in Berlin sind die Pegel ebenso normal wie der Druck in der Leitung.

Der Ernst der Lage erschließt sich beim Blick flussaufwärts entlang von Havel, Dahme und Spree. Den riskiert auch die „Ad-Hoc-Arbeitsgruppe Extremsituation“ aus Fachleuten von Berliner, Brandenburger und sächsischen Behörden, zuletzt am vergangenen Montag. Nachdem zwei Wochen zuvor Alarmstimmung verbreitet wurde, war jetzt zumindest leichte Entspannung messbar – dank kräftigem Regen in Sachsen am vergangenen Wochenende.

Schwieriges Unterfangen: Wasser für die Spree 

Damit die Hauptstadt flüssig bleibt, braucht sie vor allem die Spree. Die soll laut einer Vereinbarung zwischen Berlin, Brandenburg und Sachsen mindestens acht Kubikmeter pro Sekunde in die Hauptstadt bringen. Tatsächlich schafft sie das in den Sommermonaten seit Jahren kaum noch. Dabei gibt es einige Stellschrauben, um den Zufluss zu regulieren – nämlich die Speicherbecken im Lausitzer Seenland. Die meisten befinden sich im Grenzgebiet von Sachsen und Brandenburg südlich von Cottbus. Der Berlin nächstgelegene Speicher ist die Talsperre Spremberg, in der sich laut Brandenburger Landesumweltamt zurzeit noch gut zehn Millionen Kubikmeter Wasser befinden. Das entspricht reichlich einem Viertel ihres Fassungsvermögens und gerade der Hälfte der Menge, die sie laut Bewirtschaftungsrichtlinie um diese Jahreszeit enthalten sollte. Sechs Kubikmeter pro Sekunde werden zurzeit auf den Weg Richtung Berlin geschickt. Die können in der Hauptstadt nicht vollständig ankommen, weil sich auf dem Weg dahin große Gewässer und der Spreewald mit entsprechender Verdunstung sowie diverse Wassernutzer befinden. Kaum besser steht es mit dem Speicher Niemtsch – besser bekannt als Senftenberger See –, aus dem gar kein Wasser mehr abgegeben wird. Auch die meisten anderen Wehre sind dicht. Viel lässt sich an diesen Stellschrauben also nicht mehr drehen.

Nachschub mit problematischer Qualität

Allerdings lässt sich der Nachschub zusätzlich steuern durch Überleitungen aus der Neiße und die Einleitung von Tagebauwasser. Dessen Anteil an der Lausitzer Spree lag im August bei 60 Prozent. Jedoch ist es oft von problematischer Qualität: Rostfarbener Eisenocker trübt das Wasser und verschlammt den Grund, gelöstes Sulfat greift Bauwerke an und ließe bei weiter steigender Konzentration das Trink- zu Heilwasser mit potenziell abführender Wirkung werden.

Die über einen Umflutkanal bereits weit südlich von Berlin mit der Spree verbundene Dahme hat keine vergleichbaren Speicher in ihrem nicht einmal 100 Kilometer langen Verlauf: Stark schwankende Pegel sind an der Dahme-Seenkette nicht vorgesehen. Dasselbe gilt für die aus der Mecklenburger Seenplatte kommende Oberhavel. Die addiert knapp sieben Kubikmeter pro Sekunde, die Spree, Havel und Dahme zurzeit nach Berlin bringen, entsprechen etwa der durchschnittlichen Fördermenge aller Berliner Wasserwerke. Die gewinnen das Trinkwasser zu etwa zwei Dritteln aus Uferfiltrat, also versickertem Wasser der gelegenen Seen. Ein knappes Drittel ist echtes Grundwasser. Hinzu kommt „angereichertes“ Grundwasser, also gezielt versickertes Oberflächenwasser.

Gartenbewässerung wird ein Problem

Wie viel von der Gesamtfördermenge wieder in die Klärwerke gelangt, also im lokalen Kreislauf bleibt, ist (weil die Klärwerke auch Abwasser aus dem Umland reinigen) nicht genau bekannt, aber lässt sich anhand der Differenz aus durchschnittlichen und Spitzenverbrauchstagen ungefähr abschätzen: Während an einem Durchschnittstag rund 600.000 Kubikmeter aus den Berliner Wasserhähnen rauschen, sind es an hochsommerlichen Spitzentagen etwa 850.000 Kubikmeter. Ein Großteil dieses Mehrverbrauchs dürfte in Gärten landen, also letztlich verdunsten. Der Umweltverband BUND kritisierte das kürzlich als nicht mehr akzeptable Verschwendung. Und der Brandenburger Landtag hat die Regierung in Potsdam gerade aufgefordert, bis Ende 2021 ein Gesamtkonzept für den Umgang mit Wasser in Zeiten des Klimawandels zu erarbeiten. Die Überbrückung von Trockenperioden ohne unnötige Entnahmen von Grundwasser ist einer von mehreren Punkten des Antrages.

Die Abflussmenge der Spree an der Spandauer Havelmündung zeigt, dass Berlin im Saldo zurzeit mehr in die Gewässer einspeist, als es entnimmt. Zumal in den aktuell gut 13 Kubikmetern pro Sekunde nicht einmal der Abfluss aus Berlins größtem Klärwerk in Ruhleben enthalten ist. Das leitet sein gereinigtes Wasser im Sommer südwärts in den Teltowkanal, damit noch enthaltenen Schmutz- und Nährstoffteilchen nicht während der Badesaison die Unterhavel verdrecken, sondern stark verdünnt Richtung Havelland aus der Stadt verschwinden.

Dass die Berliner Wasserbetriebe (BWB) nicht zum Sparen aufrufen, während die Brandenburger Behörden Alarmstimmung verbreiten, erklären die BWB vor allem mit dem im Vergleich zu früheren Zeiten ohnehin viel geringeren Verbrauch, der selbst durch weiteres Wachstum der Stadt und die Ansiedlung des Großverbrauchers Tesla längst nicht das Niveau der Wendezeit erreicht. Der BUND dagegen erklärt die scheinbare Berliner Gelassenheit mit den politischen Rahmenbedingungen: Auch im neuen, 2020 in Kraft getretenen Unternehmensvertrag nötigt der Senat die Wasserbetriebe, hohe Millionengewinne an den Landeshaushalt abzuführen. Sinkender Verbrauch würde die Renditeziele gefährden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false