zum Hauptinhalt

Brandenburg: Vor dem Computer selbst stranguliert

Brandenburgischer Schüler stirbt bei Würgespiel / In Frankreich gab es schon 13 Todesopfer

Schönwalde-Glien - Ein 14-jähriger Junge, der sich vergangene Woche in Brandenburg bei einem sogenannten „Würgespiel“ selbst stranguliert hat, wird nächste Woche in Berlin begraben. Das sagte Heinz Bonorden-Lindner, Leiter des Lise-Meitner-Gymnasiums in Falkensee, wo der Junge zur Schule gegangen war. Jakob K. wurde vergangenen Freitag kurz nach Mitternacht von seiner Mutter in der elterlichen Wohnung in Schönwalde-Glien im Kreis Havelland bewusstlos aufgefunden und starb kurz darauf. Er hatte sich mit einem Strick stranguliert, um in einen Rauschzustand zu gelangen. Der Computer, auf dem die Anleitung für das Spiel im Internet abrufbar gewesen war, lief noch.

Damit scheint ein verhängnisvoller Trend unter Jugendlichen auch in Deutschland anzukommen. In Frankreich ist das Phänomen seit längerem unter dem Begriff „Jeu de foulard“ (Halstuchspiel) bekannt. Dabei würgen sich die Teilnehmer – in der Gruppe, aber zunehmend auch alleine – kurzzeitig mit einem Gürtel, Schal oder Halstuch, um ohnmächtig zu werden und beim Aufwachen euphorische Gefühle zu erleben. Manche wachen aber nicht mehr auf. In Frankreich sind allein in diesem Jahr 13 Schulkinder auf diese Weise ums Leben gekommen. Die Jugendlichen erfahren über das Internet, vor allem über YouTube, oder von ihren Freunden von dem Spiel. Auch Jakob K. war nach Angaben seines Schulleiters kein Einzelgänger und kann anderen von dem Spiel erzählt haben.

Bisher sind solche Fälle allerdings in Deutschland nicht offiziell geworden. Im Berliner Polizeipräsidium heißt es, das Spiel stelle in Berlin „bisher kein Phänomen dar“. Ähnlich äußert sich auch das Polizeipräsidium in Potsdam für Brandenburg. Francoise Cochet, Präsidentin der Organisation APEAS (Association de Parents d’Enfants Accidentés par Strangulation – Vereinigung von Eltern durch Strangulation verunglückter Kinder), deren Sohn selbst durch ein Würgespiel starb, sagt aber, ihre seien in den letzten Jahren mindestens drei deutsche Fälle, darunter einer aus München, bekannt geworden. Seit Freitag ist es einer mehr.

Was können Eltern tun, um diese schrecklichen Ereignisse zu verhindern? „Es reicht nicht“, sagt Cochet, „den Kindern zu sagen, dass sie damit aufhören müssen. Sie müssen ihnen erklären, warum das Spiel so gefährlich ist, dass es nichts mit einem coolen Spaß zu tun hat.“  Die Anfänge des Trends liegen im Dunklen. Laut Anne Correa-Guedes, Universitätsprofessorin und ebenfalls Mitglied von APEA, sei das Spiel in England schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitet gewesen. Sie behauptet, dass dort jeden Monat zwei bis drei Kinder durch ein Würgespiel sterben würden – was aber nicht bekannt sei, da die Fälle als Selbstmorde deklariert werden würden.

Dass Jakob K. nicht durch Suizid gestorben ist, wollte seine Mutter unbedingt deutlich machen. „Deshalb ist sie bewusst mit den Details an die Öffentlichkeit gegangen“, sagt Schulleiter Bonorden-Lindner. Am Dienstag fand ein Trauergottesdienst in der Kirche des Falkenseer Ortsteils Falkenhagen statt. Die Familie von Jakob K., zu der noch eine sechsjährige Tochter gehört, stammt aus Berlin, daher wird er auch hier beerdigt. Udo Badelt

Zur Startseite