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Von Thorsten Metzner und Matthias Matern: „Herr Vogelsänger ist nett“

Weiter Kritik an Kür Vogelsängers zum „Superminister“: Landwirtschaft fühlt sich vernachlässigt / Platzeck verteidigt Entscheidung

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Potsdam - Es geht um das brandenburgische „Superministerium“ für Infrastruktur und Landwirtschaft (MIL), dem immerhin 5500 Bedienstete unterstehen, das jährlich über eine Milliarde Euro ausgibt: Die Kritik an SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck, ausgerechnet dieses Ressort nach dem Rücktritt von Jutta Lieske wegen eines Kreislaufzusammenbruchs sofort mit dem ebenfalls unerfahrenen Staatssekretär und Ex-Bundestagsabgeordneten Jörg Vogelsänger (SPD) zu besetzen, reißt nicht ab. Zwar versicherte der 45-jährige neue „Superminister“, der am Donnerstag von Platzeck seine Ernennungsurkunde erhielt, im Landtag vereidigt wurde und von den eigenen Genossen einen Spaten als Geschenk bekam, umgehend: „Der ist für die Landwirtschaft und für den Verkehr.“ Er werde sich für beides einsetzen.

Aber genau daran gibt es Zweifel. Der Landesbauernverband – pikanterweise geführt vom SPD-Landtagsabgeordneten Udo Folgert – äußerte offenes Unverständnis dafür, dass die Spitze des Ministeriums mit Vogelsänger und dem reaktivierten alten, neuen Verkehrsstaatssekretär Rainer Bretschneider gleich mit zwei Infrastrukturexperten geführt wird – aber Agrar nicht vertreten ist. „Brandenburg braucht in der Führungsebene des MIL mehr und nicht weniger landwirtschaftliches Fachwissen“, heißt es in einer Erklärung der einflussreichen Agrar-Lobby-Organisation. Denn in der EU-Agrarpolitik stünden große Entscheidungen an, „die Brandenburg als großes Agrarland unmittelbar betreffen“. Und es gebe ohnehin schon Probleme wegen der Trennung von Agrar und Umwelt, für die seit der rot-roten Regierungsbildung Verbraucherschutzministerin Anita Tack (Linke) zuständig ist. Ähnlich äußerte sich der Landesbauernbund, der die landwirtschaftlichen Familienbetriebe vertritt. Das alte Ministerium sei über Jahre gut zusammengewachsen, sagte Bauernbund-Präsident Karsten Jennerjann. „Naturschutz und Landwirtschaft haben einfach viel besser zusammengepasst.“ Sein bitteres Fazit: „Von einem Landwirtschaftsministerium kann jetzt eigentlich gar keine Rede mehr sein.“

Tatsächlich hat Platzeck für eine Turbo-Besetzung mit Vogelsänger Kritik einstecken müssen wie noch nie bei einer Ministerpersonalie. Von den Frauen aus der eigenen Partei, die trotz jahrelanger vollmundiger Beschwörungen durch die männerdominierte SPD-Spitze jetzt nur noch mit Wissenschaftsministerin Martina Münch im Kabinett vertreten sind. Aber das Unbehagen geht weit in die Fraktion, in die Partei hinein, dass bei Platzeck und seinem engsten Führungszirkel mittlerweile offenbar „nur noch angepasste Ja-Sager eine Chance haben“, wie es ein Genosse formuliert. Und in der Opposition aus CDU, FDP und Grünen wundert man sich, dass Platzeck trotz der unter Druck stehenden Regierungskoalition erneut das Risiko einer Mittelmaß-Besetzung eingeht. „Herr Vogelsänger ist nett. Aber er hat noch nie einen Apparat geleitet“, sagte CDU-Chefin Johanna Wanka.

Der Regierungschef selbst trat am Donnerstag der Kritik offensiv entgegen und verteidigte seine Präferenz für loyale Parteisoldaten. „Wir sind schon ein relativ straff geführter Klub. Dazu stehe ich: Sonst hätten wir in den letzten 20 Jahren nicht Wahlen gewonnen“, sagte er. „Und dass ein neuer Minister gut ist, kann er nur beweisen, in dem er gut ist.“ Zudem sei das Personalreservoir überschaubar. Auch den Vorwurf, angesichts dessen Führungspositionen nicht mit Quereinsteigern oder Importen zu besetzen, wies Platzeck zurück. „Ich versuche bewusst zu vermitteln, dass in der Partei Entwicklung möglich ist.“ Was die Frauenförderung angehe, sei der Rücktritt Lieskes zweifellos ein Rückschlag.

Allerdings gab es auch Lob für die Personalie, etwa vom Bauindustrieverband des Landes, der von einem „Bekenntnis zur brandenburgischen Infrastruktur“ sprach. Lob allerdings, das eine klares Interesse hat, nämlich viele Aufträge. So erinnerte Hauptgeschäftsführer Axel Wunschel „den ausgewiesenen Verkehrsexperten“ Vogelsänger gleich an die in den Wintertagen „deutlich sichtbar gewordenen Schäden speziell am Brandenburger Straßennetz“. Auf der Wunschliste stehen aber auch der dreispurige Ausbau der A 13, die Arbeiten am Wasserstraßennetz und die Instandhaltung der Kanal- und Rohrnetze. Und der Verband der berlin-brandenburgischen Wohnungsunternehmen, dessen 220 Firmen jede zweite Mietwohnung im Land bewirtschaften, bot Vogelsänger eine „Partnerschaft Zukunft Wohnen“ an. Der BBU mahnte, den „Städtebau nicht zu vernachlässigen“. Dort müsse, so BBU-Vorstandschefin Maren Kern, der Minister „klare Akzente“ setzen.

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