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Von Sebastian Leber: Nicht auf dem Schirm

Warum man sich so schnell verlaufen kann, wenn man Kartendiensten aus dem Internet glaubt

Berlin - Da kann die Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg so viel beschließen, wie sie will. Das Gröbenufer heißt bei Google Maps immer noch Gröbenufer. Dabei hat das Bezirksparlament die Straße nahe der Oberbaumbrücke, die Friedrichshain und Kreuzberg verbindet, längst umbenannt. Vor zwei Jahren schon. Weil der ursprüngliche Namensgeber, Otto Friedrich von der Groeben, einst Kolonialist in Afrika war. Aber nein, wer jetzt nach dem neuen May-Ayim-Ufer sucht, der findet bloß: das Gröbenufer.

Die Internetdienste sind äußerst praktisch. Einfach den gewünschten Straßennamen eintippen, einmal Klicken und schon zeigt einem das Programm kostenlos den genauen Standort an. Wahlweise als Satellitenbild, als Stadtplan oder neuerdings auch in 3D-Ansicht. Das Problem: Das Datenmaterial etwa für Berlin ist teilweise stark veraltet, so dass viele Orte gar nicht auffindbar sind. Beim Marktführer Google Maps zum Beispiel ist die Rudi-Dutschke-Straße nicht verzeichnet, obwohl die Umbenennung schon seit April 2008 rechtskräftig ist. Der entsprechende Straßenabschnitt in Kreuzberg heißt dort weiterhin Kochstraße. Auch den neuen Kracauerplatz in Charlottenburg findet Google Maps nicht, ebenso wenig den im letzten Februar eingeweihten Alice-Archenhold-Weg in Niederschöneweide. Der fehlt sogar auf der virtuellen Straßenkarte des offiziellen Stadtportals www.berlin.de. Auch die Internetseite der Berliner Verkehrsbetriebe BVG tut sich schwer mit dem Aktualisieren: Wer dort die schnellste Verbindung vom May-Ayim-Ufer in den Alice-Archenhold-Weg sucht, wird sich ärgern. Das System kennt beide Adressen nicht, schlägt stattdessen, warum auch immer, die Verbindung vom Schönholzer Weg zum Neuen Ufer vor.

Noch schlimmer sind die Satellitenbilder. Hartnäckig hält sich das Gerücht, Google Maps liefere tagesaktuelle Aufnahmen – manche glauben sogar, jeder neue Mausklick generiere ein frisches Foto aus dem All. Weit gefehlt. Die meisten Luft- und Kartenaufnahmen sind jahrealt, im Berliner Raum sind die meisten aus dem Jahr 2006. So sucht man etwa die O2-Arena am Ostbahnhof vergebens, ebenso das Alexa, an die Chausseestraße grenzt eine grüne Wiese – dort wo jetzt eigentlich der Rohbau der künftigen BND-Zentrale steht.

Ortskundige Berliner amüsiert das. Aber viele Touristen, die Pläne als Orientierungshilfe nutzen, verwirrt es. Wer sich etwa beim Google-Konkurrenten Bing Maps Unter den Linden ansieht, wundert sich über das riesige Gebäude gegenüber des Doms: Dort steht der Palast der Republik noch, ein paar Kräne beginnen gerade erst mit dem Abriss. Bei Google Maps sieht der Ausschnitt ähnlich aus, immerhin hat jemand den Vermerk „Temporäre Kunsthalle“ daneben geschrieben. Allerdings da, wo sich heute eigentlich die Liegewiese befindet.

Das Problem betrifft nicht nur die Berliner Karten – aber hier wird es so sichtbar wie kaum sonst wo. Die Stadt verändert sich einfach zu schnell, als dass die Internetdienste mit dem Aktualisieren ihrer Daten hinterherkommen könnten.

Google kennt das Dilemma und weist vorsichtshalber darauf hin, dass „die tatsächlichen Straßenzustände aufgrund von Witterungsbedingungen, Bauvorhaben, Verkehrsbedingungen und sonstigen Ereignissen von den Kartenergebnissen abweichen“ könnten. Außerdem will das Unternehmen ab kommender Woche die selben Wagen auf die Straße schicken, die zuletzt Aufnahmen für die 3D-Ansichten von Streetview machten. Sie sollen helfen, Straßennamen zu überprüfen, und außerdem Verkehrzeichen dokumentieren, damit man künftig auf der Internetseite erkennen kann, wo sich etwa Einbahnstraßen befinden.

Komplizierter ist die Aktualisierung der Luftaufnahmen. Für neue Bilder muss ein Satellit in der Regel mehrfach über das gewünschte Gebiet hinwegfliegen, bis man ein klares, wolkenfreies Foto zusammensetzen kann. Google erfasst die Daten nicht selbst, sondern kauft sie Anbietern ab. So kann sich ein scheinbar an einem Stück aufgenommenes Satellitenbild leicht aus Aufnahmen vier verschiedener Firmen zusammensetzen. Wann Google für den Berliner Raum neue Luftbilder einkaufen will, kann der Unternehmenssprecher nicht sagen. So hat die nützliche Funktion auch etwas Tröstliches: Wenn im Herbst die Deutschlandhalle gesprengt wird, kann man davon ausgehen, dass sie noch lange im Internet weiterlebt.

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