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Belebter Ort als Ruhestätte. Eigentlich lag der Ton Steine Scherben-Frontmann in Nordfriesland begraben, auf seinem Bauernhof. Als der verkauft wurde, musste Rio nochmal reisen. Seine Fans sind froh, ihn wieder in Berlin zu haben.

© Thilo Rückeis

Von Sandra Dassler: Rosen für Rio

Der „König von Deutschland“ ist zurück in seiner Geburtstadt. Wenn er schon umgebettet werden musste, dann nach Berlin, sagen seine Fans

Von Sandra Dassler

Berlin - Die meisten stoßen eher zufällig auf das Grab. Sehen die frischen Rosen, den Leuchtturm, vor allem aber die etwa 40 Zentimeter hohe, vergoldete Krone. Kein Zweifel, hier liegt er – der König von Deutschland. „Das ist mein Lieblingslied von Rio Reiser“, sagt Sylvia Wolk: „Ich war zwar kein richtiger Fan von ihm, aber das fand ich gut.“

Die 49-jährige Steglitzerin ist mit dem sieben Jahre jüngeren Dirk Müller aus Wedding an diesem Sonntag zum ersten Mal auf Alten Sankt-Matthäus-Kirchhof am S-Bahnhof Yorckstraße. „Als wir die Krone und das frische Grab sahen, erinnerten wir uns an die Zeitungsmeldung“, sagt sie. Vor einigen Wochen hatte Rio Reisers Bruder Gert Möbius angekündigt, den Sänger auf den Friedhof in Schöneberg umzubetten.

Reiser, mit bürgerlichem Namen Ralph Christian Möbius, war 1996 in seinem Bauernhof im nordfriesischen Fresenhagen beerdigt worden. Dort hatte er mit seiner Politrockband Ton Steine Scherben („Keine Macht für Niemand“) in einer Art Landkommune und auch später, während der Zeit seiner Solokarriere, gelebt. Möbius, seine Frau und ein weiterer Bruder Reisers hatten den Hof nach eigenen Angaben verkauft, weil es zu teuer wurde, ihn zu betreiben.

„Es ist zwar traurig, dass der Hof in Fresenhagen verkauft werden und Rio in seiner Totenruhe gestört werden musste“, sagt Ludger Wekenborg: „Aber wenn er jetzt in Berlin seine letzte Ruhe findet, dann ist dieser Friedhof genau der richtige. Weil er so lebendig ist.“ Wekenborg ist Vorstandsmitglied im Förderverein „Efeu“ für den Alten Sankt-Matthäus-Kirchhof, auf dem auch die Märchensammler Gebrüder Grimm begraben liegen. „Aber wichtiger für Rio ist wahrscheinlich, dass hier auch Rainer von der Marwitz liegt, der für Ton, Steine, Scherben den berühmten Song ,Morgenlicht‘ schrieb und die Berliner Schwulenkneipe ,Anderes Ufer‘ leitete“, sagt Wekenborg. Er bietet während der alljährlichen Christopher-Street-Day-Woche auch Schwulenführungen auf dem Friedhof an, wo sich der Verein „Denk mal positHIV“ seit einigen Jahren für einen besonderen Ort des Gedenkens für Menschen mit Aids engagiert. Lebendig wirkt der Alte St.-Matthäus-Kirchhof auch, weil gleich hinter dem Eingangstor das gemütliche „Café finovo“ das Trauern ein wenig erträglicher macht. „In den letzten Tagen haben viele Leute gefragt, ob Rio Reiser schon da ist“, sagt Nicole Hoffmann, die gemeinsam mit Bernd Boßmann das Café betreibt: „Die Umbettung am Freitag ging nahezu unbemerkt vor sich. Die Familie war wohl da, aber wir haben auch erst am Abend von den Friedhofsangestellten davon erfahren.“

Die Familie hat ein großes Herz aus Rosen auf das liebevoll geschmückte, wenn auch noch provisorische, Grab gelegt und auf der Kranzschleife Rio zitiert: „Und wenn ich wiederkomme, begrüße mich mit einem Sonnenstrahl“. Dass viele Berliner Rio-Reiser-Fans die „Rückkehr“ des Sängers begrüßen, davon ist Ronald Reimann fest überzeugt. Der 48-Jährige ist einer der ersten, der an diesem Wochenende das Grab besucht. „Ich singe in einer Band“, erzählt er: „Wir spielen fast alle seiner Lieder.“

Rios Vermächtnis sei überall in Berlin zu finden, erzählt auch Dirk Müller aus Wedding. „Bei mir um die Ecke gibt es eine Kneipe, die Barrikade. Da soll er in seiner Berliner Zeit oft gesessen und Texte geschrieben haben“. So gesehen sei Rio Reiser jetzt wirklich wieder zu Hause.

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