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Impfdosen gibt es noch genug. Aber in der Bevölkerung hat das Interesse an der sogenannten Schweinegrippe deutlich nachgelassen. In Berlin gab es jetzt einen neuen Todesfall. In der neuen Grippesaison werde das H1N1-Virus vorherrschen, meinen Experten.

© ddp

Von Sandra Dassler, Jana Haase und Matthias Matern: Berlinerin an Schweinegrippe gestorben

Bundesweit rund 250 Todesfälle. In Brandenburg hat das Interesse am H1N1-Virus deutlich nachgelassen

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Berlin/Potsdam - Knapp ein Jahr nach dem ersten Berliner Todesfall durch die sogenannte Schweinegrippe, ist am Mittwoch erneut eine Frau an dem H1N1-Virus verstorben. Wie die Senatsgesundheitsverwaltung in Berlin am Freitag mitteilte, wurde die 44-Jährige schon am 3. April mit Symptomen einer Lungenentzündung in ein Krankenhaus eingeliefert. Das Virus wurde bei ihr zwei Tage später festgestellt. Nach gut zwei Wochen stationärem Aufenthalt verstarb die Frau an Lungenversagen. Damit sind bisher zwölf Menschen in Berlin an der Schweinegrippe verstorben.

Laut der Senatsverwaltung treten in der Hauptstadt derzeit nach wie vor vereinzelt Erkrankungen mit der Schweinegrippe auf. Seit Bekanntwerden des ersten Falls am 13. Juni 2009 sind in Berlin bis Mitte April 2010 insgesamt 8511 Fälle gemeldet worden. Bundesweit gab es offiziell 226 000 erkrankte Menschen. Mehr als 250 Deutsche starben an dem Virus. Im Land Brandenburg sind laut Landesgesundheitsministerium seit Beginn der Zählung vor zwölf Monaten 5427 Fälle von Schweinegrippeerkrankungen bekannt geworden. Insgesamt sollen sieben Menschen gestorben sein.

Obwohl die Grippewelle deutlich zurückgegangen ist, sollten Personen mit Grunderkrankungen, Schwangere und Personen, die Reisen auf die Südhalbkugel planen, mit ihrem Arzt über eine Impfung reden, sagte eine Sprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit. Im Land Brandenburg will man dagegen gar keine eigene Empfehlung geben. „Wir schließen uns grundsätzlich den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission des Bundes an“, hieß es gestern aus der Pressestelle der Behörde. Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) ruft derzeit nicht mehr aktiv zur Impfung auf, „weil die Infektionsgefahr nicht sehr hoch ist“, wie eine Sprecherin den PNN sagte.

Impfstoff gibt es sowohl in Berlin als auch im Land Brandenburg noch mehr als genug. Rund eine Millionen Dosen waren für die Hauptstadt vorgesehen, etwa 1,6 Millionen Dosen standen gemäß des Länderschlüssels Brandenburg zur Verfügung. Erst im Verlauf der Pandemie wurde langsam klar, dass die Nachfrage viel niedriger sein würde.

Bis Ende 2009 ließen sich nach Angaben der Gesundheitsverwaltungen lediglich 130 000 Berliner und 150 000 Brandenburger gegen die Schweinegrippe impfen. Ausgeliefert wurden aber viel mehr Impfdosen. Zurzeit lagern bei Berlins Ärzten und in einer zentralen Apotheke noch 470 000 unverkaufte Impfungen. Schätzungen zufolge müssten es im Land Brandenburg rund 600 000 Dosen sein. Sie sind gekühlt maximal 18 bis 24 Monate lang haltbar. 10 000 Packungen mussten in Berlin bereits weggeworfen werden, weil sie angebrochen und nicht aufgebraucht wurden. Eine Packung reicht für zehn Impfungen. Sondermüll, der Berlin fast 90 000 Euro gekostet hat.

Das niedersächsische Gesundheitsministeriums, das derzeit den Vorsitz in der Gesundheitsministerkonferenz hat, versuchte derzeit die 28 Millionen übrigen Impfdosen aus den Bundesländern ins Ausland zu exportieren. Die Wahrscheinlichkeit, etwas von dem Impfstoff zu verkaufen, werde von Tag zu Tag geringer, betonte ein Ministeriumssprecher. Der Großteil der Stoffe sei nur noch bis November 2011 haltbar.

Nach Aussage der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Grippewelle in Europa weitgehend ausgestanden. Das Virus sei jetzt nur noch in Osteuropa, Ostasien und neuerdings auch Afrika aktiv. Das Europäische Zentrum für Krankheitskontrolle und Prävention (ECDC) in Stockholm hält es dagegen für wahrscheinlich, dass das Neue Virus weiter zirkulieren wird und schließt auch kleinere Ausbrüche nicht aus. Eine weitere Frühjahr-Sommer-Welle wird als unwahrscheinlich angesehen, wenn sich das pandemische Virus nicht verändert. Für die kommende Influenzasaison im Herbst erwartet das ECDC jedoch, dass das Schweinegrippe-Virus vorherrschen wird. Bereits 2009 habe es die „normale“ saisonale Grippe kaum noch gegeben, sagt RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher. Im Nationalen Referenzzentrum, das die Erreger im Auftrag des Bundes beobachtet, seien nur einzelne saisonale Viren nachgewiesen worden, die allermeisten waren sogenannte Schweinegrippe-Viren.

Bei der brandenburgischen Bevölkerung jedoch scheint die große Angst vor dem Virus abgeebbt zu sein. Noch Ende vergangenen Jahres liefen die Drähte in den eigens geschalteten Infozentralen heiß. Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg sei das Thema „Schnee von gestern“, bereicherte gestern KV-Sprecher Ralf Herre. Die H1N1-Hotline sei längst abgeschaltet worden, auch am regulären Patiententelefon, das täglich von 9 bis 12 Uhr zur Verfügung stehe, „frage kein Mensch mehr danach“, so Herre weiter.

Schweine sind im Land Brandenburg übrigens bislang nicht erkrankt, wie Holger Bransch, der Sprecher des Landesbauernverbandes, den PNN sagte. Lange Zeit galt es als ausgeschlossen, dass Schweine, die den H1N1-Virus übertragen, selbst daran erkranken. In Kanada war es im Mai 2009 allerdings zu einem solchen Fall gekommen.

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